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    Darf ich bitten?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Darf ich bitten?
    Von Deike Stagge

    Tanzfilme sind wieder im Kommen. Spätestens seit Serienidol Jessica Alba letztes Jahr den grottigen Street-Dance-Überraschungserfolg „Honey“ landete, stehen sie wieder im allgemeinen Drehplan. Mit „Darf ich bitten?“ wird nun ein etwas älteres Publikum angesprochen, dass auf Standard und lateinamerikanische Tänze abfährt und auf die Tanzerfahrung von Hauptdarsteller Richard Gere (schon erprobt in "Chicago") zurückgreift.

    Anwalt John Clark (Richard Gere) hat eigentlich alles, was er braucht: seine tolle, eigenständige Frau Beverly (Susan Sarandon), zwei Kinder und genügend Geld. Trotzdem ist er nicht ganz zufrieden, weiß aber nicht, wieso. Die Routinen in seinem Leben machen ihm zu schaffen. Jeden Abend kann er aus der U-Bahn heraus einen Blick auf Tanzlehrerin Paulina (Jennifer Lopez) werfen, die wie einst Julia auf ihrem Balkon sehnsüchtig schmachtend am Fenster von Madame Mitzis Tanzschule steht und traurig in die Ferne blickt. Irgendwann fasst er sich ein Herz, steigt aus und meldet sich zu einem Anfängerkurs an, an dem nur noch zwei weitere Männer und keine einzige Frau teilnehmen. Pech: Die Tanzlehrerin ist die ältere Madame Mitzi selbst, Paulina trainiert nebenan die Fortgeschrittenen. Weil John Gefallen am Tanzen findet, verbringt er immer mehr Zeit dort und entdeckt auch bald den Arbeitskollegen Link (Stanley Tucci), der heimlich trainiert.

    Langsam freunden sich die Männer auch mit Bobbie, einer großmäuligen Möchtergern-Tanzdiva, an. Nachdem schließlich auch Paulina Stunden im Kurs gegeben hat, gewinnt John ihr Vertrauen und lässt sich von ihr coachen. Derweil vermutet die brave Beverly den Supergau ihrer Ehe und heuert einen Detektiv an, um den Gemahl per Fotobeweis für seine angebliche Affäre festzunageln. Erleichtert erfährt sie von Johns Kurs, konfrontiert ihn aber nicht damit. Statt dessen geht sie mit Tochter Jen auf das Tanzturnier, zu dem sich John als Bobbies Partner angemeldet hat. Dort kommt es dann zum großen Eklat, als John seine Familie im Saal bemerkt und auf der Tanzfläche zu scheitern droht.

    „Darf ich bitten?“ ist das US-amerikanische Remake des 1996 in Japan produzierten erfolgreichen Films „Shall We Dance?“. Leider ist vom Original oftmals zu direkt abgeschrieben worden, ohne sich auf eigene Ideen zu besinnen. Wenn eine zierliche asiatische Schönheit mit in die Ferne schweifendem Blick am Fenster steht, wirkt das bestimmt anmutig und traurig zugleich, wenn aber Jennifer Lopez mit leerem Blick über dem Schild Madame Mitzis Tanzschule posiert, gewinnt man anhand ihrer Mimik eher den Eindruck, sie wolle Halle Berry die Titelrolle in der „Catwoman“–Fortsetzung noch streitig machen. Neben diesen Übertragungsproblemen überzeugt auch die Kameraarbeit nicht durchgehend: Einige Sequenzen des Films sind bis auf die kleinste Kameraeinstellung übernommen worden - von eigenem Bemühen keine Spur. Slow-Motion-Einstellungen in den vorhersehbarsten Momenten frieren die Mimik der Tänzer in anstrengenden Posen und unpassenden Momenten ein und sorgen so für unfreiwillige Komik - besonders Jennifer Lopez kommt dabei öfters schlecht als grazil weg. Das liegt aber an der Kamera, nicht etwa an mangelnder körperlicher Vorbereitung: Alle Darsteller geben auf dem Parkett eine gute Figur ab.

    Die Konfliktstrukturen zwischen Beverly und John geben weitere Rätsel auf. Es ist ebenso unklar, dass John seiner Frau nichts von dem ach-so-tollen neuen Hobby erzählt, das nicht nur sein Leben verbessert, sondern das beide sogar gemeinsam machen könnten, wie es unverständlich ist, dass Beverly - eben noch stolz wie Oskar - ihren Mann auf der Tanzfläche anfeuert, um dann plötzlich wie von der Tarantel gestochen wutentbrannt den Saal zu verlassen. Oder will uns diese plump eingesetzte, nicht nachvollziehbare Verhaltensirrationalität vielleicht auf alltägliche Beziehungsprobleme bei älteren Paaren hinweisen? Kommt uns Regisseur Peter Chelsom hier mit unterschwelliger Verhaltenstherapie für gestrandete Ehepaare, ist das vielleicht seine Eigenleistung gegenüber der japanischen Vorlage?

    Bei „Darf ich bitten?“ geht es allerdings nicht um eine Liebesgeschichte. Zwischen John und Paulina gibt es zwar eine Bindung, aber kein Rumgeflirte. Vielmehr steht die Revitalisierung von Johns Leben im Zentrum des Films, etwas eingeschränkt durch die überzogene Darstellung (oder tanzen 50-jährige Topanwälte öfters mutterseelenallein zu imaginärer Musik durch New York?). DerTanzen kann dein Leben verändern, das ist die Botschaft, die ankommt. dramaturgische Höhepunkt ist deshalb auch nicht das große Turnier, sondern der Tango zwischen Gere und Lopez. Aber die Fronten sind schon lange geklärt, wenn beide im dunklen Saal zur Musik des Gotan Projects über den frisch gebohnerten Boden schweben. Die Musik ist überhaupt ein Grund zur Freude: Entgegen bisherigen Tanzfilmgesetzen findet sich weder ein Lied von Lopez selbst noch eins von Gesangskollegin Mya, die eine Gastrolle bekleidet, im Soundtrack. Statt dessen gibt es eine direkt in die Ohrmuschel gehende Mischung aus Klassikern und neueren Hits. Tanzfilme richten sich von vorn herein an ein klar definiertes Publikum. Die Erwartungen und Ansprüche an solche Filme sind klar und werden selbstverständlich auch bei „Darf ich bitten?“ erfüllt. Man darf nur nicht den Fehler machen, zu genau auf die Rahmenhandlung zu achten. Wer sich einfach von den schönen Bildern, der mitreißenden Musik und den Choreografien bezaubern lässt, wird auch hier auf seine Kosten kommen.

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