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    Dead or Alive 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Dead or Alive 2
    Von Robert Cherkowski

    Experimente, Irrsinn, Abwegigkeiten und wahnsinnige Kabinettstücke gibt es in Takashi Miikes äußerst produktiver Karriere mehr als genug. Dass der wilde Japaner keine Berührungsangst mit Tabubrüchen kennt, muss ebenso wenig erwähnt werden wie seine unorthodoxe Herangehensweise an unterschiedlichste Genres. Ein ultrabrutaler Yakuza-Film wie „Ichi the Killer" kann in jedem Moment in ein Psychodrama oder eine queere Liebesgeschichte im SM-Milieu umkippen, während in einen Kinderfilm wie „Krieg der Dämonen" versucht wird, möglichst viele sexuelle Zweideutigkeiten unterzubringen, ohne den Zensor auf den Plan zu rufen. Bei einem Miike-Film kann man nie sicher sein was man bekommt. So auch bei der eher symbolisch denn thematisch verbundenen „Dead or Alive"-Trilogie, die bis auf die Hauptdarsteller Sho Aikawa und Riki Takeuchi keinen roten Faden zu haben scheint. War der erste Teil noch ein eisenharter Gangsterstreifen mit apokalyptischer Pointe, zielt die „Fortsetzung" „Dead or Alive 2: Birds" in ganz andere Richtung: Irgendwo zwischen Yakuza-Thriller, Drama, Fantasy und Komödie irrlichtert dieser Film gewordene Wahnsinn herum, begeistert dabei die Fans des Derwischs Miike, während der Rest der Menschheit mit einem Fragezeichen im Gesicht zurückbleibt.

    Im Auftrag des undurchsichtigen „Zauberers" (Shinya Tsukamoto) nimmt der wasserstoffblonde Attentäter Mizuki (Sho Aikawa) einen Job der gefährlichen Sorte an: Ein hochrangiger Gangsterboss soll dran glauben, um einen Unterweltkrieg heraufzubeschwören, von dem eine dritte Partei profitieren soll. Doch das ist leichter gesagt als getan. Als Mizuki gerade sein Ziel ins Visier nimmt, kommt ihm der tollkühne Hitman Shū (Riki Takeuchi) zuvor, ein Freund aus dem Kindergarten. Um dem eskalierenden Krieg zwischen den Gangs zu entrinnen fliehen die Freunde auf die Insel, auf der sie einst ihre (vermeintlich) sorgenfreie Kindheit verbracht haben. Zusammen mit ihrem alten Freund Kōhei (Kenichi Endo) streift man durch die Stätten der Kindheit, albert herum und spielt sogar in einem (äußerst schrägen) Theaterstück für die Schulkinder der Insel die Hauptrolle. In einem stillen, etwas bierseligen Moment beschließen sie, sich in den mittlerweile ausgearteten Gangsterkrieg einzusteigen und ihre Mordhonorare der guten Sache (Entwicklungshilfe in Afrika) zu spenden. Das geht lange gut... aber nicht ewig.

    „Dead or Alive 2: Birds" hat die Kraft der zwei Herzen. Eines schlägt den aggressiven, gnadenlosen Beat eines Yakuza-Films, wie ihn nur Miike fertigbringt: Fies, vollgestopft mit Gemeinheiten, sexueller Gewalt, schrillen Charakteren wie einem nur mittels SMS kommunizierenden Killer-Trios (einer davon gespielt vom verhinderten Hongkong-Star Edison Chen) oder einer Schlüsselfigur mit riesigem (!) Lümmel. Hier wird schneller gestorben, als man gucken kann und meist ist es kein schöner Tod. Das andere Herz jedoch schlägt im sachten, bedächtigen Takt einer melancholischen Ballade, die die unschuldigen Kindertage beklagt, die den Antihelden abhanden gekommen ist. Für kurze Zeit entdecken sie auf der Insel diese Unschuld wieder geben sich albernen Kinderspielen hin und können mit ihrem alten Freund Kōhei enthemmt Faxen machen.

    Von Zeit zu Zeit jedoch überlappen sich die Rhythmen beider Herzen und lassen „Dead or Alive 2: Birds" zu einem überwältigenden Ereignis werden. In solchen Momenten stellt Miike das unschuldige Himmelreich nostalgisch gefärbter Kindheitserinnerung unmittelbar neben die von Sex und Gewalt dominierte Hölle des kriminellen Überlebenskampfes. In dieser Achterbahnfahrt von Schönheit und Hass nicht verloren zu gehen, traut er seinem Publikum bedenkenlos zu, unnötige und platte Erklärungen schenkt er sich dementsprechend. Seinen Höhepunkt findet die Vermengung von Unschuld und Blutbad in der Mitte des Films, wenn in einer verstörenden Parallelmontage zwischen einem Kindertheaterstück (mit versteckten Sex-Jokes) auf der Insel und dem auf dem Festland eskalierenden Gangsterkrieg hin- und hergeschnitten wird. Miikes Stamm-Schnittmeister Yasushi Shimamura liefert eine wahre Meisterleistung ab, wenn er Gaga-Theaterstück und drastische Massaker, freudiges Gelächter, nekrophile Gang-Rapes und staunende Kinderaugen zu einem wahren Rausch an Assoziationen verdichtet. Wenn sich das Stück dem Ende nähert, sich andernorts der letzte Pulverdampf verzieht und sich Chu Ishikawas Ambient-Score über die Sequenz legt, hat Miike es wieder einmal geschafft und dem Publikum einen Moment flirrenden Wahnsinns jenseits von Gut und Böse geschenkt, der auch „Dead or Alive 2: Birds" zu einem faszinierenden Produkt eines unermüdlichen Regisseurs macht.

    Fazit: Miikes zweiter „DOA"-Teil ist ein wüster Trip, der ganz nach seinen eigenen Regeln funktioniert. Wer konventionellen Sehgewohnheit eine Auszeit gönnen möchte, darf sich in diesem typischen Miike-Film auf einen zutiefst verdorbenen Film mit einem unschuldigen Herzen freuen.

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