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    Che - Revolucion
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Che - Revolucion
    Von Sascha Westphal

    Steven Soderbergh zählt ohne Frage zu den eigenwilligsten Filmemachern, die das Weltkino in den vergangenen 20 Jahren hervorgebracht hat. Dass er zudem noch meist in Hollywood arbeitet und dort immer wieder Produzenten findet, die sich auf seine Ideen und Projekte einlassen, macht das Ganze noch rätselhafter. Natürlich konnte er mit Erin Brockovich und Traffic 2000 einen bemerkenswerten Doppelerfolg feiern. Außerdem hat er mit Ocean’s Eleven und seinen beiden Nachfolgern ein höchst gewinnbringendes Franchise geschaffen. Trotzdem ist er immer eine Art Störfaktor im System geblieben, Sand im Getriebe einer Maschinerie, die Exzentrik eigentlich nur duldet, wenn sie sich entsprechend vermarkten lässt. Doch gerade das scheint bei einem Regisseur, der selbst bei so aufwendigen und teuren Studioprojekten wie Solaris und The Good German nichts auf Hollywood-Konventionen gibt, nur schwer möglich. Schließlich hat er mit diesen und auch mit einigen anderen seiner Arbeiten sowohl die Studioverantwortlichen als auch das Publikum vor den Kopf gestoßen. Auch sein neuestes Großprojekt, ein zweiteiliges Porträt des legendären Revolutionärs Ernesto „Che“ Guevara, hat seit seiner Premiere 2008 in Cannes schon reichlich Kopfschütteln und Unverständnis provoziert. „Che – Revolucion“, der erste Teil dieses insgesamt fast viereinhalbstündigen Biopics, zeichnet die Ereignisse der Jahre 1956 bis 1958 nach, die schließlich in der Flucht des kubanischen Militärdiktators Fulgencio Batista und Fidel Castros triumphalen Einzug in Havanna gipfeln. Aber trotz der enormen militärischen Erfolge, die Che, einer von Castros Kommandanten, im Verlauf der zweijährigen Militärkampagne feiern konnte, lässt diese Ballade vom bewaffneten Kampf den Zuschauer seltsam unbeteiligt zurück.

    Im Juli 1955 treffen Ernesto Guevara (Benicio del Toro, Die üblichen Verdächtigen, 21 Gramm) und Fidel Castro (Demián Bichir) in Mexiko City erstmals zusammen. Der argentinische Arzt und Marxist schließt sich daraufhin sofort Castros revolutionärer Bewegung an. Fast anderthalb Jahre später, im November 1956, bringt ein Boot die beiden zusammen mit einem kleinen Trupp Rebellen von Mexiko an die kubanische Küste. Damit beginnt ein über zwei Jahre währender Guerilla-Krieg, in dem der Argentinier Che schnell zum Kommandanten aufsteigt. Im Schutz des Dschungels sammeln sich mit der Zeit immer mehr Rebellen um Castro und seine Männer. Eine fortwährende Folge kleinerer und mittlerer Gefechte mit den Soldaten Batistas bringt die Revolutionäre Havanna Schritt für Schritt näher und gipfelt schließlich im Dezember 1958 in der von Che angeführten Schlacht um Santa Clara, die das Ende des bisherigen Militärregimes besiegelt.

    „Che – Revolucion“ basiert zwar auf Guevaras in Buchform veröffentlichten Erinnerungen an die kubanische Revolution. Doch der in den 60er Jahren zur Ikone der internationalen Protestbewegungen gewordene Verfechter des bewaffneten Kampfes rückt nie wirklich ins Zentrum des Films. Außer in den in einem dokumentarischen Schwarzweiß gedrehten Szenen, die ihn 1964 in New York zeigen, wo er im Namen Kubas eine große Rede vor den Vereinten Nationen hält, und die Soderbergh immer wieder in die eigentliche Handlung, den Vormarsch der Rebellen, hineinschneidet, bleibt die Kamera meist etwas auf Distanz zu Che. Natürlich kommt ihm als Arzt, Ausbilder und Kommandant eine besondere Rolle in Castros Feldzug zu. Zugleich bleibt er aber auch einer unter vielen. Darin liegt die Dialektik des bewaffneten Kampfes, die Soderbergh ins Zentrum seines Kriegsfilms rückt. Nicht der einzelne Kämpfer ist entscheidend, sondern der Kampf an sich. Dies gilt für eine geglückte Revolution sogar in einem noch stärkeren Maße als für eine gescheiterte. Den Sieg kann immer nur das Kollektiv der Aufständischen erringen, nie ein einzelner Mann. Insofern ist Soderberghs Entscheidung, in den meisten Dschungel- und Kriegsszenen auf Großaufnahmen so weit wie möglich zu verzichten, durchaus schlüssig. Die Totale, vor allem im breiten Scope-Format, das er für diesen Teil gewählt hat, ist ohne Frage die angemessene Einstellungsgröße, wenn das Augenmerk des Filmemachers vor allem auf dem größeren Kontext liegt. Soderbergh geht dabei so konsequent zu Werke, dass Che und die ihn umgebenden Kämpfer in vielen Szenen kaum noch zu unterscheiden sind.

    Diese verstörende Verschiebung, mit der Soderbergh so ziemlich alle etablierten Erwartungen an ein klassisches Biopic unterläuft, ist aber nur ein Teil seiner radikalen Distanzierungs- und Verfremdungsstrategie. Der Verlauf der kubanischen Revolution liefert einem Filmemacher im Prinzip eine perfekte Kriegsfilmdramaturgie. Nichts wäre einfacher, als die Stationen des Kampfes in eine Folge aufregender Action- und Kriegsszenen zu verwandeln. Doch auch dem verweigert sich Soderbergh. Selbst der Kampf um Santa Clara, der den Höhepunkt des Films markiert, zersplittert in einzelne kleine Szenen und Momente. Der für große Schlachtenszenen eigentlich so typische Sog stellt sich selbst zu diesem Zeitpunkt nicht ein.

    Diese Dramaturgie der Bruchstücke, die letztlich den ganzen ersten Teil kennzeichnet, erzeugt eine ganz seltsame Stimmung. Indem Soderbergh einfach nur Szenen und Splitter aneinanderreiht, unterbindet er jedes emotionale Engagement des Zuschauers. Die einzelnen Aspekte und Situationen, die zum Leben eines Guerilla-Kämpfers dazugehören, also das Training im (Dschungel-)Camp, die ideologischen Schulungen, die Bestrafungsaktionen gegen abtrünnige Kameraden und die kleinen wie mittleren Scharmützel mit dem Gegner, werden mehr oder weniger austauschbar. Der Ausnahmezustand, in dem sich die Rebellen befinden, wird mit der Zeit zwangsläufig zu einer alltäglichen Normalität. Guerilla-Krieg ist auch nur eine Arbeit wie jede andere. Das ist durchaus eine interessante Perspektive, die vor allem die inneren Prozesse einer Revolution offenlegt. Doch mit jeder weiteren „Alltagsszene“ wächst die Gefahr, dass die von Soderbergh angestrebte Distanz in Desinteresse umschlägt. Das Publikum erfährt zwar viel über die Vorraussetzungen für das Gelingen eines gewaltsamen Umsturzes und die Mechanismen einer Revolution. Doch was nützt dieses Wissen?

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