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    Pasolini
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Pasolini
    Von Christoph Petersen

    Das Regie-Enfant-terrible Abel Ferrara („Bad Lieutenant“) hatte noch nie ein Interesse daran, es seinem Publikum leicht zu machen. Und so ist nun auch sein Film über den italienischen Intellektuellen Pier Paolo Pasolini kein übliches Biopic, sondern ein kaleidoskopartiger Mix aus biografischen Bruchstücken, politischen Diskussionen, schwulen Phantasien und Abstechern in Pasolinis unverfilmtes literarisches Schaffen: Ferrara inszeniert neben Szenen aus Pasolinis letztem Tag auch Teile von dessen Kurzgeschichten und einem Filmprojekt, das Pasolini kurz vor seiner Ermordung gerade angehen wollte. Wegen der vielen verschiedenen Ebenen und Insider-Anspielungen (etwa die Besetzung alter Pasolini-Weggefährten wie Ninetto Davoli, der nun den väterlichen Freund von sich selbst spielt) ist „Pasolini“ nicht nur schwer zu entschlüsseln, er ist auch qualitativ sehr uneinheitlich geraten. So begeistert der grandios-zurückhaltend agierende Willem Dafoe („4:44 Last Day On Earth“) als Skandalregisseur, der seine gerade von einem Kommunisten-Filmdreh zurückgekehrte Stammschauspielerin Laura Betti (Maria de Medeiros) zum Mittag trifft und in der Wohnung seiner Mutter ein letztes Zeitungsinterview über den politischen Zustand Italiens gibt. Zugleich zieht Ferrara im direkten Vergleich mit Pasolini jedoch deutlich den Kürzeren.

    Zu Auftakt werden direkt einige Szenen aus „Die 120 Tage von Sodom“ auf eine Leinwand projiziert (Pasolini hat bis zu seinem Tod gegen die Zensoren für eine Freigabe gekämpft), die sofort wieder die ganze Brillanz des verstörenden Meisterwerks heraufbeschwören. Aber wenn sich Ferrara dann später selbst an die Inszenierung unverfilmter Pasolini-Stoffe wagt, dann entfalten diese Szenen – trotz einer ausgelassenen Orgie und einer gewaltigen Treppe ins Paradies – nie eine vergleichbare Wirkung. Wo der Regisseur in seiner unerbittlichen Strauss-Kahn-Abrechnung „Welcome To New York“ zuletzt noch seine ganze Wut auf der Leinwand ausgekotzt hat, fehlt den entsprechenden Passagen in „Pasolini“ einfach der nötige Biss: Ferrara bewundert den Kollegen, aber er teilt nicht dessen Verzweiflung über das postfaschistische Italien – und so können diese Szenen schlussendlich auch gar nicht eine solche Kraft entfalten, wie sie es bei Pasolini sehr wahrscheinlich getan hätten.

    Fazit: Abel Ferrara liefert Pasolini für Fortgeschrittene – aber selbst Pasolini-Fans wird Ferrara mit seinem essayistischen Biopic kaum restlos überzeugen können.

    Wir haben „Pasolini“ auf dem „14 Films Around The World“-Filmfestival im Berliner Kino in der Kulturbrauerei gesehen.

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