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    Feel like going home
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Feel like going home
    Von Susanne Picard

    Schon der Titel dieses dritten Parts der siebenteiligen Dokumentation „The Blues“ klingt wie ein Song dieser amerikanischen Volksmusik: „Feel Like Going Home“. Sehr folgerichtig, denn dieser dritte Teil ist vom Meister und Initiator des Projektes Martin Scorsese selbst. Der erste war von Wim Wenders, hieß „The Soul Of A Man“ und ging gleich zu Beginn der Reihe auf den Kern der Musik ein: Wo ist die Seele derselben?

    Aber bekanntlich ist das ja eine subjektive Frage. Martin Scorsese stellt diese Frage ein wenig anders und findet weniger eine philosophische als eine räumliche Antwort: In Afrika liegt die Heimat – des amerikanischen Blues und auch die der afroamerikanischen Bevölkerung der USA. Der Bluesmusiker Corey Harris macht sich also auf die Suche nach den Wurzeln des Blues. Natürlich führt so eine Reise erst einmal in den Süden der USA und auch da aufs platte Land. Und er findet in den Hinterhöfen und alten Farmhäusern in der glühenden Sonne nicht nur Musik und vor allem den Blues in seinen vielen Variationen, sondern auch die Geschichte hinter dem Blues. Es kommen eine Menge Musiker zu Wort, vor allem alte Männer, was wieder einmal eindringlich vor Augen führt, dass die alten Formen dieser uramerikanischen Volksmusik vom Aussterben bedroht sind. Schon in den Vierziger Jahren erkannte das offenbar die Kongressbibliothek in Washington und schickte zwei Musiker los, um überall in Amerika Aufnahmen von Bluessängern zu machen – Aufnahmen, von denen Scorsese viele verwendet.

    Aber er geht noch weiter. Er lässt sich von den Sängern erzählen, was für sie die Musik eigentlich bedeutet. Und die meisten haben auf den Schaukelstühlen der Holzveranden eine Geschichte zu erzählen. Einer der befragten Musiker erzählt von seiner Flöte, essentielles Element der Fife & Drum-Musik. Diese Sonderart einer Querflöte stellt er selber her, hält sich aber auch für den letzten, der das kann. Und spielen kann dieses Instrument außer ihm nur noch seine zehnjährige Enkelin Shadra. Da ist Taj Mahal, der ausgiebig von Kollegen erzählt und dessen breite Aussprache man fast gar nicht versteht, der nichtsdestoweniger einer der besten noch lebenden Blues-Musiker ist und das zusammen mit Corey Harris auch tatkräftig unter Beweis stellt. Oder auch Son House, der seine Gitarre lebhaft zu malträtieren scheint und erzählt, dass die in Bluessongs so häufig auftretende Klage, dass man schlecht behandelt werde, eigentlich eine Klage der Sklaven über ihre Aufseher ist.

    Geschickt werden hier Archivaufnahmen von Legenden wie Son House, John Lee Hooker und anderen Musikern gezeigt und mit Jam Sessions von Corey Harris und seinen Interview-Partnern kombiniert. So bekommt der geneigte Zuschauer nicht nur die Musik und ihre Wurzeln vor die Augen und Ohren geführt, sondern auch gleich eine Geschichte erzählt, die die Geschichte einer Kunstform und eines Volkes und damit einer ganzen Kultur ist. Im letzten Drittel des Films geht es dann mit Corey Harris an die Westküste Afrikas, zu den Geschichtenerzählern und Musikern, die in dieser in der ganzen Welt als uramerikanisch angesehenen Volksmusik erstaunliche Parallelen zu ihrer eigenen Musik entdecken. Martin Scorsese zeigt nicht nur Musiker dort und zeigt Folklore, er lässt gegen Ende des Films auch Ali Farouk Touré zu Wort kommen, der mit seinen Schlussfolgerungen zum amerikanischen Südstaaten-Blues auch elegant zum Thema zurückführt: er erzählt von seinem Erstaunen, wie ähnlich sich Blues und afrikanische Folklore-Musik sind. Und so sollte sich jeder Afroamerikaner eigentlich nicht als Amerikaner fühlen, sondern Afrikaner Er komme nicht nach Afrika zu Besuch - er kommt ja nur nach Hause.

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