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    The Da Vinci Code - Sakrileg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Da Vinci Code - Sakrileg
    Von Jürgen Armbruster

    Das Presseecho nach der ersten Vorführungen von „The Da Vinci Code – Sakrileg“ bei den Filmfestspielen in Cannes war vernichtend. Die Resonanz reichte von einschläfernd langweilig bis zu unfreiwillig komisch. Kritiker-Papst Roger Ebert brachte die Sache derweil nüchtern auf den Punkt: Viel Lärm um nichts. Vom befürchteten Desaster ist die starbesetzte Adaption von Dan Browns Erfolgs-Roman eine ganze Ecke entfernt. Allerdings ändert dies nichts am großen Dilemma: Ron Howards (Das Comeback, The Missing) kreuzbrave 1:1-Verfilmung ist viel zu bieder, um Kennern der Vorlage mehr als ein müdes Lächeln abzugewinnen.

    Annähernd 50 Millionen verkaufte Exemplare weltweit, über zwei Jahre unterunterbrochen in der Bestellerliste der New York Times. Das allein spricht eine deutliche Sprache. Nur wenige Romane können eine ähnliche Bilanz vorweisen, wie Dan Brown und sein „Sakrileg“ (Originaltitel des Buches und Titel des Films: „The Da Vinci Code“). Dabei ist der ehemalige Englischlehrer und Songwriter nicht einmal ein wirklich begnadeter Autor. Seine ersten Versuche im Bereich der Belletristik sind mit „Diabolus“ (1998), „Illuminati“ (2000) und „Meteor“ (2001) handwerklich allenfalls von durchschnittlicher Qualität. Dutzendware von der Stange, die ohne den späteren Erfolg seines Autors teils nicht einmal in Deutschland erschienen wäre. Erst mit „Sakrileg“ gelang Brown der unumstrittene Durchbruch als Popcorn-Literat. Sein Erfolgsgeheimnis: Rund um die römisch-katholische Kirche strickte er aus recherchierten Fakten, Halbwahrheiten und reiner Fiktion eine publikumswirksame Verschwörungstheorie. Der Rest ist bereits jetzt Geschichte. Wer den Roman nicht selbst gelesen hat, hat zumindest von ihm gehört. Und der auf Hochtouren feuernden PR-Maschinerie konnte ohnehin nicht entkommen werden. Kein Tag ohne Da-Vinci-Report. Aber falls der ganze Hype tatsächlich spurlos an irgendjemanden vorbeigezogen sein sollte, hier zunächst die Grundzüge des Inhalts:

    Der renommierte Harvard-Symbologe Robert Langdon (Tom Hanks) hält gerade einen Vortrag in Paris, als er von der Polizei als Berater zu einem ungewöhnlichen Mordfall hinzugezogen wird. Der Leichnam von Jacques Sauniere (Jean-Pierre Marielle), dem Direktor des Louvre, wird in der Körperhaltung des Vitruvischen Mannes von Leonardo da Vinci in einem Ausstellungsraum aufgefunden. Offensichtlich hat er sich vor seinem Tod selbst in diese unnatürliche Körperhaltung gebracht. Dies und eine Reihe weiterer Hinweise stellen alle Beteiligten vor ein Rätsel. Nur der zwielichtige Polizei-Inspektor Bezu Fache (Jean Reno) glaubt mit Robert den Mörder bereits gefunden zu haben. Sophie Neveu (Audrey Tautou), Polizei-Kryptografin und Enkelin von Sauniere, hat einen der Hinweise ihres Großvaters bereits entschlüsselt. Sie ist von Roberts Unschuld überzeugt. Gemeinsam versuchen sie, die Puzzleteile zusammen zu setzen und kommen dabei einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur, die den gesamten christlichen Glauben in seinen Grundfesten erschüttern könnte…

    Eines vorneweg: Die These, die Brown mit seinem Roman aufstellt, ist natürlich vollkommen aus der Luft gegriffen. Trotzdem entbehrt das Thema natürlich nicht einer gewissen Faszination. Ein was wäre wenn war als Ausgangsituation für eine wahnwitzige Schnitzeljagd noch nie eine schlechte Idee. Und dass die Institution der römisch-katholischen Kirche in ihrer annähernd 2000-jährigen Geschichte die eine oder andere Leiche im Keller angesammelt haben könnte, ist für den Otto-Normal-Bürger ebenfalls nicht all zu weit an den Haaren herbeigezogen. Kaum ein anderer Roman der Gegenwart wird derart heiß diskutiert, wie Browns „Da Vinci Code“. Dass bei einer kritischen Begutachtung Browns Gedankenkonstrukt in sich zusammen fällt, spielt dabei zunächst keine Rolle. Das angeschlagene Erzähltempo des Romans und der ständig am Limit gehaltene Spannungsbogen ziehen den Leser unentwegt in seinen Bann. Was sind historisch belegte Fakten und was ist Browns Fantasie entsprungen? Solche Fragen stellen sich beim Lesen des Romans nicht, weil sie schlichtweg nicht interessieren. Und genau hier sind wir schon beim Hauptproblem von Howards Leinwand-Adaption: Roman und Film funktionieren eben doch anders.

    Im Buch funktionieren die zahlreichen zu entschlüsselnden Rätsel beispielsweise prächtig. Gedanklich spielt Robert Langdon immer wieder verschiedenste Kombinationen durch, macht dabei Fehler, verwirft Ideen wieder und wird dadurch menschlich. Brown lässt seine Leser dabei stets am Innenleben seines Protagonisten teilhaben. Im Film ist dies hingegen kaum möglich. So entbehrt es nicht einer gewissen Situationskomik, wenn in einer der letzten großen Wendungen der Held mit an den Kopf gehaltener Kanone seinem Widersacher ein „geben sie mir eine Minute“ entgegnet um anschließend ein weiteres Mal gedankenschwer in die Kamera zu blicken. Aus dem modernen Indiana Jones des Buches wird ein wenig sympathischer Besserwisser, der anscheinend auf jedes Problem eine Antwort hat. Erschwerend kommt hinzu, dass die Leinwand-Adaption jede Schwäche (die geistesgegenwärtig in die Türe geschobene Munitionshülse; die Flucht auf dem Flughafen von London) des Romans schonungslos offenbart.

    Ron Howard und Drehbuchautor Akiva Goldsman (Der Klient, I, Robot) beschränken sich auf eine stoische Nachverfilmung des Romans und vermeiden es tunlichst, eigene Ideen in ihr Werk einzubringen. Und hier ist dann auch schon das nächste Problem: Die Vorlage ist selbst für einen 148 Minuten langen Film zu komplex. So hasten Robert und Sophie von einem Schauplatz zum nächsten, für eine ausgefeilte Charakterentwicklung bleibt kaum Zeit. Immer wieder werden halbgare Rückblenden eingeschnitten, die den Charakteren wohl Tiefe verleihen sollen, im Grunde aber wie Fremdkörper wirken. Und dann wären da noch diverse inszenatorische Mängel. Beispielsweise Ron Howards peinliche Selbstkopie. Beim Entschlüsseln der Rätsel hegt man als Zuschauer fast schon den Verdacht, John Nash aus A Beautiful Mind hätte sich in „The Da Vinci Code“ verirrt. Ständig leuchtet irgendwo Buchstaben, Zahlen oder Symbole hell auf. Und dabei ist dies teils unnötig wie ein Kropf, denn dass ein Davidsstern aus zwei Dreiecken besteht, sollte bei einer sekundenlangen Großaufnahme auch ohne zusätzliche Spezialeffekte selbst dem letzten Zuschauer klar werden.

    Die Besetzung von „The Da Vinci Code“ liest sich natürlich wie das Who is Who der internationalen Schauspielriege. Und zumindest die Casting-Abteilung hat hier einen hervorragenden Job erledigt, denn die einzelnen Charaktere wurden durch die Bank so besetzt, wie sie sich der Leser des Romans wahrscheinlich vorgestellt hat. Dabei ist es fast schon unerklärlich, dass das Endergebnis keinen wirklich runden Eindruck hinterlässt. Tom Hanks (Forrest Gump, Cast Away - Verschollen, Terminal) ist natürlich ein viel zu begnadeter Schauspieler, als dass er irgendeine Rolle komplett in den Sand setzen könnte. Aber niemand wird wegdiskutieren können, dass er schon wesentlich besser auf der Leinwand zu sehen war. Ihm gelingt es in den wenigsten Fällen, seinen Robert Langdon als wirklich Sympathieträger zu etablieren. Überraschenderweise ist es jedoch ausgerechnet Audrey Tautou (Die fabelhafte Welt der Amelie, Mathilde - Eine große Liebe), Frankreichs Vorzeige-Starlet, die sich als große Schwäche des Films entpuppt. Ihr Charakter bleibt lange Zeit viel zu blass, ist nur das Anhängsel an Robert Langdons Rockzipfel. Und als sich dann die große Schlusswendung offenbart, verrichtet sie nicht mehr als Dienst nach Vorschrift.

    Wie immer eine Offenbarung ist jedoch der großartige Sir Ian Mc Kellen (Richard III, Herr der Ringe - Trilogie, X-Men). Wenn es eine Idealbesetzung für die Rolle des kauzigen Kunsthistorikers Sir Leigh Teabing gibt, dann wurde sie mit dem hoch veranlagten Shakespeare-Darsteller sicherlich gefunden. Mit seinem ersten Auftritt macht „The Da Vinci Code“ qualitativ einen deutlichen Schritt nach vorne. Jean Reno (Léon - Der Profi, Mission: Impossible) ist seit Beginn seiner Hollywood-Karriere auf die Rolle des undurchsichtigen Franzosen fest abonniert. Entsprechend wenig konnte bei seiner Besetzung als zwielichtiger Inspektor Fache falsch gemacht werden. Alfred Molina (Chocolat, Frida, Spider-Man 2) lässt sein großes Talent hier und da durchblitzen, sein Bischof Aringarosa ist jedoch nur der passive Strippenzieher im Hintergrund. Entsprechend schwer hat es der Engländer, sich in den Vordergrund zu spielen. Und dann wäre da noch Paul Bettany (A Beautiful Mind, Master And Commander), der als Albino-Mönch Silas zwar eine wunderbar fiese Darstellung abliefert, aber auch sicherlich die Gemüter erhitzen wird…

    Doch genug gemeckert. „The Da Vinci Code“ hat auch seine starken Momente. Mitunter sogar sehr starke. Optisch ist der Film ein absoluter Hochgenuss. Gedreht werden durfte an Originalschauplätzen wie dem Louvre, der Temple Church oder der Rosslyn Chapel. Einige der von Kameramann Salvatore Totino (Das Comeback, The Missing) gewählten Einstellungen sind dabei höchst memorabel. Auch der deutsche Komponist Hans Zimmer (Gladiator, Batman Begins) trägt mit seinem mystisch-sakralen Score einiges zur Stimmung des Films bei. Gerade der Einstieg mit dem ins Schwarze verblassendem Columbia-Logo, der ersten Kamerafahrt durch den Louvre und der bedrohlichen musikalischen Untermalung ist großes Kino. Nur kann diese Stimmung in der Folgezeit eben nicht aufrecht erhalten werden.

    Das alles hört sich nun eventuell wesentlich schlimmer an, als es im Grunde ist. Nur kommt man eben an einer Feststellung nicht vorbei: „The Da Vinci Code – Sakrileg“ ist ein in allen Belangen höchst durchschnittlicher Thriller. Und allein das ist bei der übergroßen Erwartungshaltung bereits eine herbe Enttäuschung. Das im Vorfeld propagierte Kinoereignis des Jahres ist der Film definitiv nicht. Selbst den direkten Vergleich zum thematisch verwandten Action-Abeteuer Das Vermächtnis der Tempelritter verliert Ron Howards 125 Millionen Dollar teure Megaproduktion. Die „Tempelritter“ waren ein grundehrlicher, bodenständiger Unterhaltungsfilm. „Da Vinci“ möchte hingegen mehr sein, als er eigentlich ist und steht sich dabei selbst im Weg. Das vernichtende internationale Presseecho ist ohne Frage ungerechtfertigt. Lobeshymnen sind es umgekehrt allerdings ganz eindeutig auch...

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