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    American Monster
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    American Monster
    Von Christoph Petersen

    Anfang der 1980er Jahre kam der berühmt-berüchtigte Produzent Samuel Z. Arkoff auf die Idee, einen Film mit Regisseur Larry Cohen zu machen. Jedem, der die Arbeit der beiden kannte, musste klar sein, dass das Ergebnis nur eines sein kann – fucking hilarious! Und tatsächlich ist „American Monster“ genau das – simply fucking hilarious! Der Ex-Jurist Arkoff produzierte in seiner Karriere mehr als 350 Filme. Sein Vermögen machte er vor allem mit billigster Teenager-Exploitation in den 1950er Jahren – mit solch eingängigen Titeln wie „Attack Of The Crab Monster“, „The She-Creature“ oder „High School Hellcats“ ließ sich schnell und ohne größeres Risiko eine Menge Kohle scheffeln. Obwohl ihm später sogar die Ehre einer Retrospektive im Museum of Modern Arts zuteil wurde, verlor Arkoff nie seine Vorliebe für ehrlichen, straighten Dreck. So brachte er auch in „American Monster“ viele trashige, billige Qualitäten mit ein. Larry Cohen hingegen ist einer der bedeutendsten Genreregisseure überhaupt: Er ist ein großartiger Erzähler, hat seinen ganz eigenen Stil, hätte eigentlich das Zeug zu einem New-Hollywood-Auteur, hat sich aber dennoch voll und ganz dem Genrekino verschrieben. Er bedient sich für seine Filme zwar der typischen Trashthemen, macht aber doch immer soviel mehr daraus. In „American Monster“ treffen diese beiden gegensätzlichen Auffassungen des Filmemachens aufeinander – nicht ganz reibungsfrei, aber gerade diese Ambivalenz macht den Film so aufregend: Arkoff und Cohen – eine unschlagbare Combo!

    Ein fliegendes Monster versetzt New York in Angst und Schrecken – Menschen werden von den Dächern der Hochhäuser weggeschnappt und Fensterputzer verlieren ihre Köpfe. Doch dies ist nicht das einzige Problem, mit dem Detective Shepard (David Carradine, Kill Bill, Fantastic Movie) und Sergeant Powell (Richard Roundtree, Shaft, Brick) zu kämpfen haben. Sie beschäftigt nebenbei auch noch eine mysteriöse Mordserie, deren Opfer sich anscheinend freiwillig von einem religiösen Fanatiker abschlachten lassen. Der Kleinkriminelle Jimmy Quinn (Michael Moriarty, Woman Wanted), ein glückloser Ex-Junkie, nimmt unterdessen unfreiwillig an einem Juwelenraub teil. Er kann mit den wertvollen Steinen flüchten, verliert sie jedoch wieder, als er von einem Taxi angefahren wird. Sofort sucht er seinen Anwalt im Chrysler Building auf, doch der ist nicht zu sprechen. Durch Zufall entdeckt Jimmy unter dem Dach des Gebäudes das Nest des Monsters. In der Wohnung seiner Freundin Joan (Candy Clark, American Graffiti, Zodiac) angekommen, klopfen auch schon Jimmys Komplizen drohend an die Tür. Natürlich glauben sie nicht, dass die Diamanten abhanden gekommen sind. Um seine eigene Haut zu retten, führt Jimmy seine Kumpane direkt zum Versteck der fliegenden Bestie…

    Arkoff: „American Monster“ enthält zahlreiche Szenen, denen man das diebische Grinsen, das der Produzent im Gesicht gehabt haben muss, als er sie dem Regisseur „aufdrückte“, geradezu anmerkt. Da häutet ein fanatischer Killer sein Opfer – Schnitt – ein chinesischer Koch zieht einem Suppenhuhn die Haut ab. Hinzu kommen natürlich noch die klassischen B-Movie-Zutaten, die auch allesamt auf Arkoffs Rechnung gehen: Immer wieder Aufnahmen von kreischenden Bikini-Girls (weswegen das Monster gerne in der Nähe von Swimmingpools auf Hochhausdächern zuschlägt), gewagte Over-Head-Shots, wenn die Kreatur das Blut ihrer Opfer auf die hysterische New Yorker Fußgängerschaft niedertropfen lässt und natürlich das – sagen wir mal – „kostengünstig“ anmutende Stop-Motion-Monster selbst. Darüber, dass letzteres in den 1980ern bereits hoffnungslos antiquiert gewirkt haben muss, war sich Arkoff zweifelsfrei im Klaren – doch solche Nebensächlichkeiten scheren einen Produzenten seines Schlages natürlich nicht. So ist die geflügelte Bestie ein geschickt platzierter Anachronismus in einer Ära aufkeimender visueller Effekte – einen gestandenen Filmemacher der alten Garde können Krieg der Sterne & Co. halt mal ganz gepflegt am Allerwertesten lecken.

    Cohen: Arkoff hat einen extrem spaßigen Trashfilm produziert, doch erst die Zusätze von Regisseur Larry Cohen erheben „American Monster“ endgültig in den Stand eines Genre-Klassikers. Zum einen ist da Cohens Fähigkeit, abseits der eigentlichen Handlung kleine Universen zu erschaffen und in diesen amüsante Anekdoten zu erzählen – eine Qualität, die in dieser Perfektion ansonsten wohl nur noch Filme von Alfred Hitchcock aufweisen. Das beste Beispiel hierfür ist gleich die Eröffnungsszene: Ein Mann hängt an einer Hochhausfassade und säubert die schalldichte Scheibe eines Büros. Dabei macht er der feschen Sekretärin auf der anderen Seite des Glases eindeutige Avancen. Die Dame ist sichtlich genervt und regt sich tierisch über die groben Anmachversuche des aufdringlichen Fensterputzers auf. Dieser kann natürlich nicht verstehen, was sein Gegenüber gestikuliert, und glaubt, sein Flirt würde erwidert. Gerade hat das Publikum sich in dieser lustigen kleinen Szenerie eingenistet, da kommt auch schon das Monster und haut dem Typen den Kopf von den Schultern.

    Zum anderen ist da der unglaubliche Michael Moriarty, der mit dem Kleingauner Jimmy Quinn einen der stärksten Charaktere der Genregeschichte verkörpert und sich damit auch vor Al Pacinos Sonny Wortzik in Hundstage oder Robert De Niros Travis Bickle in Martin Scorseses Taxi Driver keinesfalls verstecken muss. Herausragend ist vor allem jene Szene, in der Quinn mit New Yorks Bürgermeister und anderen bedeutenden Leuten über seine Belohnung für die Preisgabe des Monsterverstecks verhandelt. Von seiner plötzlichen Machtposition berauscht, geht das ansonsten so kleine Licht gleich richtig in die Vollen und kostet die Situation bis zum Erbrechen aus – urkomisch und absolut brillant.

    Fazit: „American Monster“ lebt von seinen Gegensätzen – ein herrlich verspieltes B-Movie und mittendrin liefert Michael Moriarty eine unglaublich dichte Method-Acting-Performance. New-Hollywood-Kino à la „The Panic In Needle Park“ trifft auf Monster-Trash à la „Godzilla – Kampf der Sauriermutanten” – und das Ergebnis ist einer der besten Funfilme einer ansonst eher Genre-unfreundlichen Dekade.

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