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    Hooligans
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Hooligans
    Von Carsten Baumgardt

    Fußball ist eigentlich keine komplizierte Sportart. Aber für unsere Freunde in den Vereinigten Staaten offenbar schon, was besonders bei einem Blick auf einige US-Kritiken zu Lexi Alexanders mitreißendem Gesellschaftsdrama „Hooligans“ auffällt. Ohne das Verständnis für die (europäische) Faszination Fußball ist das ruppige, aber ehrliche Hooligan-Drama kaum zu konsumieren bzw. zu empfehlen.

    Dem Harvard-Studenten Matt Buckner wird übel mitgespielt. Kurz vor seinem Journalismus-Abschluss fliegt er von der Bostoner Eliteuniversität, weil er seinen reichen Mitbewohner, dem er nicht auf Augenhöhe begegnen kann, aufgrund seiner eigenen Lethargie und innerlicher Resignation deckt und den Fund von Drogen auf seine Kappe nimmt. Frustriert reist Matt zum Ausspannen nach London, um seine Schwester Shannon (Claire Forlani) zu besuchen. Durch Pete (Charlie Hunnam), den Bruder von Shannons Mann Steve (Marc Warren), bekommt Matt eher durch Zufall Zugang zur Londoner Hooligan-Szene. Der Amerikaner kann sich den archaischen Reizen dieser geheimen Welt nicht entziehen. Innerhalb der Green Street Elite, der Hooligan-Organisation von West Ham United, steigt Matt bald durch seinen Mut zum festen Mitglied auf. Erst als herauskommt, dass der Yank Journalismus studiert hat, bringt ihn das in Todesgefahr...

    Das allgemeine Bild über Fußball-Hooligans ist relativ simpel gehalten: Ein Haufen gehirnamputierter Vollidioten trifft sich beim Fußball, um sich möglichst medienwirksam gegenseitig die Fresse zu polieren. Doch ganz so einfach ist die Realität leider nicht. Das vermittelt Regisseurin Lexi Alexander in ihrem packenden Beitrag „Hooligans“. Die gebürtige Mannheimerin lebt mittlerweile in den USA und schlug sich jahrelang bei internationalen Meisterschaften im Karate und Kickboxen durch, bevor sie in Los Angeles im Joanne Baron Studio of Dramatic Arts sowie dem Piero Dusa Acting Conservatory das Regiefach erlernte. Nach Erfolgen mit Kurzfilmen feiert Alexander mit „Hooligans“ ihr Leinwanddebüt im Independentkino.

    Aufgrund ihrer natürlichen Affinität zum Kampfsport und ihrer Erfahrung in der Mannheimer Szene ist Alexander die Richtige, das Bild der Hooligan-Subkultur differenzierter zu zeichnen, als es bisher in den Medien verbreitet wurde. Mag es auf den ersten Blick verwundern, warum das Autorentrio Lexi Alexander, Dougie Brimson und Josh Shelov ausgerechnet Elijah „Frodo“ Wood als Einstiegsschlüssel zur Untergrundszene wählt, erweist sich dieser Schachzug bei genauerem Hinsehen als durchaus clever - nicht nur hinsichtlich der Vermarktung. Dadurch bekommt der Zuschauer einen vertrauteren Blickwinkel für die Geschehnisse, weil er die Welt der so genannten Firms aus Woods Sicht erlebt. Der Amerikaner ist gewiss kein überragender Schauspieler, aber in diesem Film kann er mithalten und eine gute Leistung zeigen, weil er das nötige Maß an (amerikanischer) Naivität ausstrahlt und den Sog der Untergrundbewegung glaubhaft transportieren kann. Lediglich mit dem Vermitteln der journalistischen Befähigung mangelt es, was allerdings auch zu Teilen dem Drehbuch anzulasten ist. Kein Journalist der Welt würde sich diese Story, welche Matt Buckner fein säuberlich in sein Notebook als Tagebuch notiert hat, entgehen lassen.

    Das Bild, das Regisseurin Alexander aufbietet, ist nicht so einfach schwarz und weiß - und die Hooligan-Szene rekrutiert sich eben nicht nur aus der frustrierten Unterschicht. Die Welt der Firms ist voller Rituale um Ehre und Loyalität. Matts bester Freund Pete ist ein hochintelligenter Junge, der Sport und Geschichte lehrt. Aber wenn es am Samstag zum Fußball geht, brennen bei ihm irgendwann alle Sicherungen durch. Die wüsten Schlägereien, bei denen Schusswaffen tabu sind, prägen eine ungeheure Brutalität. Die Gewaltzelebration wird durch den ausufernden Alkoholkonsum erst ermöglicht. Das Bier ist der nicht versiegen wollende Treibstoff der Hooligans. Besonders an der Figur des Steve wird die ganze Thematik verdeutlicht. Charlie Hunnam („Nicholas Nickleby“, Unterwegs nach Cold Mountain) erinnert in seiner kompromisslosen, mitreißenden Vorstellung ein wenig an den jungen Ewan McGregor in Transpotting, während Leo Gregory als tragische Figur Bover beeindruckt und im Film später eine böse Kettenreaktion auslöst. Claire Forlani (Rendezvous mit Joe Black, Startup) kehrt nach ihren Hollywoodrollen zu ihren britischen Wurzeln zurück, kann sich im Starkstromspannungsfeld des Films aber wenig profilieren.

    „Hooligans“ entwickelt nicht nur auf Woods Filmcharakter Matt eine Sogwirkung, sondern auch auf den Zuschauer - ähnlich wie dies zum Beispiel American History X gelang. Das muss keineswegs heißen, dass der Betrachter die Gewalt auf der Leinwand toleriert, aber entziehen kann er sich dem Ereigniswert eben nicht. Es ist übrigens ein Irrglaube, dass Hooligans sich nicht um ihre Mannschaft scheren und sie den Fußball nur als Vorwand ausnutzen, um sich zu prügeln. Die Liebe zum Verein ist ein Teil ihrer „Kultur“.

    Was „Hooligans“ zu einem letztendlich wirklich herausragenden Werk fehlt, ist ein überzeugender Ausstieg aus der Story. Denn das, was Alexander und ihre Co-Autoren dem Publikum hier vorsetzen, ist schon ein starkes Stück. Das Schlimme dabei: Der mühsam erworbene Anspruch auf faire Milieuschilderung wird durch einen Anflug von Glorifizierung abgeschwächt. Das verhindert nicht, dass „Hooligans“ ein sehenswertes Drama bleibt, aber das Wissen, dass hier noch mehr drin gewesen wäre, schmerzt etwas. Dennoch: Wer einmal über den Tellerrand hinausgucken und unbequeme Innenansichten einer verborgenen Welt erblicken will, sollte sich „Hooligans“ ansehen. Ein Film wie ein Faustschlag.

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