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    Brokeback Mountain
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Brokeback Mountain
    Von Alina Bacher

    Cowboys - das sind harte Männer, die den ganzen Tag auf wilden Pferden durch die endlose Prärie reiten, echte Kerle, rau wie ein Reibeisen und wahre Naturburschen. So in etwa hat uns Hollywood den typischen amerikanischen „Redneck“ jahrelang vorgestellt. Der aus Taiwan stammende Regisseur Ang Lee (Tiger und Dragon, Der Eissturm, Hulk, Sinn und Sinnlichkeit) räumt nun endgültig mit diesen Vorurteilen auf, und kreiert mit seinem Westernmelodram „Brokeback Mountain“ ein ganz neues Genre: den tragischen Schwulenwestern. Homosexualität ist leider in Hollywood noch ein stillgeschwiegenes Tabu-Thema. Besonders in den ländlichen Provinzen der USA werden gleichgeschlechtliche Partner von der Gesellschaft ausgestoßen. Mit „Brokeback Mountain“ setzt Ang Lee genau dort an und erzählt in malerischen Bildern die tragische Geschichte zweier Cowboys, die ihre Liebe zueinander entdecken. Ein intimes Porträt zweier Liebender, das auf den 62. Filmfestspielen von Venedig mit den Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Ein wirkliches Muss im Kinojahr 2006!

    Wyoming 1963: Der Rancher Ennis del Mar (Heath Ledger) und der Rodeoreiter Jack Twist (Jake Gyllenhaal) heuern bei dem Schafzüchter Joe Aguirre (Randy Quaid) an, um während der Sommermonate dessen Schafherde zu hüten. Auf dem Brokeback Mountain, abgeschnitten von jeglicher Zivilisation, schlagen die beiden ihr Camp auf, um die Schafe vor Raubtieren zu schützen. Jeden Tag sitzen die beiden zusammen am Lagerfeuer und vertreiben sich die Zeit mit Whiskey. Der wortkarge Ennis und der eher extrovertierte Jack verstehen sich bald auch ohne Worte und entdecken langsam, dass mehr zwischen ihnen ist, als eine bloße Männerfreundschaft. Doch die strikten Konventionen und strengen Moralvorstellungen in der ländlichen US-Provinz verbieten es ihnen, ihre Liebe auch in der Öffentlichkeit auszuleben. Der Sommer geht zu Ende und Ennis und Jack beschreiten getrennte Wege. Während Ennis die junge Alma (Michelle Williams) heiratet und fortan versucht, ein geregeltes Familienleben zu führen, lassen Jack die Erlebnisse auf dem Brokeback Mountain nicht los. Doch auch er muss erkennen, dass eine Leben mit Ennis für immer ein Traum bleiben wird. Die Jahre vergehen, Ennis und Alma leben mit ihren zwei kleinen Töchtern unter einfachen Verhältnissen, und Jack heiratet die draufgängerische Texanerin Lureen Newsome (Anne Hathaway), deren Vater ein erfolgreicher Geschäftsmann ist. Wieder vergehen einige Jahre, auch Jack ist mittlerweile Vater, doch seine Ehe ist nichts weiter als oberflächliches Geplänkel. Lureen sorgt als erfolgreiche Karrierefrau für das Einkommen und ihre Eltern können Jack nicht ausstehen. Da entscheidet er sich zurück zu seiner einzigen Liebe, Ennis, zu gehen, um mit ihm ein neues Leben zu beginnen. Doch die Gesellschaft zwingt die beiden Liebenden dazu, ihre Gefühle nur im geheimen auszuleben. Über Jahre hinweg können sie sich nur heimlich treffen, bis Jack einen letzten verzweifelten Versuch unternimmt, für ihre gemeinsame Zukunft zu kämpfen...

    „Für mich ist ‚Brokeback Mountain’ einzigartig und universell, eine großartige amerikanische Liebesgeschichte“, so Regisseur Ang Lee zu seinem Westernmelodram. Mit „Brokeback Mountain“ kommt eine wundervolle, tragische Liebesgeschichte auf die Kinoleinwände. Die Story basiert auf einer Kurzgeschichte der Pulitzerpreisträgerin Annie Proulux, die erstmals 1997 in der Zeitschrift „New Yorker“ erschienen ist. Ang Lee baut nicht nur auf eine grandiose Geschichte, sondern setzt dieses Drehbuch in kunstvollen Bildern um. Malerische Landschaften (gedreht wurde vor allem in den kanadischen Rockies) und eindrucksvolle Bilder einer schier endlos scheinenden Prärie schaffen eine sentimentale Atmosphäre. Auch der Soundtrack ist ergreifend und spiegelt die 20 Jahre, die den Film umspannen, in vielen kleinen musikalischen Andeutungen wieder. Die Filmmusik stammt aus der Feder von Gustavo Santaolalla, der bereits für Filme wie 21 Gramm und „Amores Perros“ den Score komponierte.

    Die Thematik des Films ist zwar durch und durch tragisch und sozialkritisch, doch Ang Lee gelingt es, die Story ganz ohne einen mahnenden Zeigefinger zu erzählen. Anstatt den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten und sie ständig zu mehr Toleranz anzustiften, setzt Lee auf die tragischen Momente der Liebesgeschichte und erzählt so ein Drama, das sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt. Auch die Tatsache, dass die Story insgesamt 20 Jahre umfasst, wird von Lee meisterhaft umgesetzt. Ganz bewusst entschied sich der Regisseur bei der Besetzung der beiden Hauptrollen für junge Schauspieler, die er im Laufe des Films makeup-technisch altern ließ. Dazu Ang Lee in einem Interview: „Ich beschloss, ein Risiko einzugehen und es mit einer jungen Besetzung zu versuchen. (...) Die Jungen haben Unschuld und Frische und sie glauben an das, was sie tun. Sie geben sich die Mühe und man muss sie nicht über Gebühr anweisen. Es gibt für einen Filmemacher nichts Erfüllenderes als junge Darsteller, die einem zuhören und dann mit großartigen Resultaten aufwarten.“

    Die Figuren sind allesamt detailliert ausgearbeitet, selbst die Nebenrollen sind sehr facettenreich angelegt. Sei es nun der konservative Schafzüchter Aguirre, oder auch Jakes strenger Vater - Ang Lee legt viel Wert auf jede noch so kleine Rolle und schafft so ein wirkliches Filmjuwel. Um auf noch mehr Authentizität zu setzen, holte sich Regisseur Ang Lee fachkundige Unterstützung: Mitglieder der „Calgary Gay Rodeo Association“ standen der Film-Crew während der Produktion mit Rat und Tat zur Seite. So schickte Ang Lee seine beiden Hauptdarsteller Heath Ledger und Jake Gyllenhaal einen Monat vor Drehbeginn in ein „Cowboy Training Camp“, wo die beiden alles, vom Pferdereiten bis zum Schafe hüten, lernten. Der Aufwand hat sich gelohnt. Keine der Szenen in „Brokeback Mountain“ wirkt gestellt oder gar gekünstelt und die Schauspieler liefern allesamt die bisher wohl besten Performances ihrer Karriere ab.

    Heath Ledger (Brothers Grimm, Dogtown Boys) ist der unangefochtene Star des Films. Obwohl die Rolle des Ennis del Mar eher wortkarg angelegt ist, verleiht Ledger der Figur eine immense Tiefe und vermittelt allein durch seine Mimik die Gefühle so intensiv, dass sich niemand seinem Spiel entziehen kann. Ledger selbst war von dem Drehbuch so begeistert, dass er für die Rolle zusagte, ohne vorher jemals Ang Lee getroffen oder mit ihm gesprochen zu haben. So sagte er in einem Interview: „Ich hatte Vertrauen, weil die Geschichte bei Ang in guten Händen war. Ich liebte das Drehbuch, weil es eine reife und starke, eine so reine und schöne Liebesgeschichte war.“ Auch Jake Gyllenhaal wächst in der Rolle des Rodeoreiters Jack über sich hinaus. Gyllenhaal, der bereits mit Filmen wir Donnie Darko und The Day After Tomorrow für Aufsehen sorgte, beweist einmal mehr, dass er trotz seine jungen Alters, schon ganz oben in der Hollywood-Riege mithalten kann. In weiteren Rollen glänzen Michelle Williams, als betrogene und enttäuschte Ehefrau und Mutter, und Anne Hathaway als weniger häusliche Geschäftsfrau. Mit diesem Film gelingt es den beiden Jungschauspielerinnen endlich von ihrem Teenie-Image, (Michelle Williams in der US-Teenie-Serie „Dawson’s Creek“, Anne Hathaway in Plötzlich Prinzessin) loszukommen und auch in ernsten Rollen ihr Können unter Beweis zu stellen.

    Mit „Brokeback Mountain“ ist Ang Lee ein wahres Meisterwerk gelungen, das in wirklich jeder Hinsicht perfekt ist. Mit der Dramatik eines Shakespeare-Theaterstücks, grandiosen Schauspielern und bewegenden Aufnahmen hat sich dieser Film bereits auf diversen Filmfestivals in die Herzen der Jury und des Publikums gespielt. Ganz großes Gefühlskino - unbedingt sehenswert!

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