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    Das Geständnis
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Das Geständnis
    Von Robert Cherkowski

    Meist attackierte der griechische Politfilmer Costa-Gavras in seinen Filmen den skrupellosen Imperialismus amerikanischer Prägung. Dennoch kann man ihm nicht unterstellen, dass er auf dem linken Auge blind gewesen ist. Einen guten Politfilmer erkennt man schließlich daran, dass er nicht nur jene mit Argusaugen betrachtet, die ihm ideologisch suspekt sind, sondern alle Seiten mit der gleichen Schärfe anvisiert. So thematisierte er unmittelbar nach seinem Oscar-prämierten Politthriller "Z", in dem er die Amerika-hörige Militärdiktatur Griechenlands aufs Korn nahm, die Schauprozesse in der Tschechoslowakei. Obwohl immer ein Linker, war er eben auch ein erklärter Feind des Totalitarismus egal welcher Couleur. Mit "Das Geständnis" hat er sich nicht nur ein weiteres Mal als begnadeter Handwerker und Bilderstürmer hervorgetan, sondern auch gezeigt, dass es für politische Filmemacher keine Nibelungentreue gibt. Gerade weil die politische Agenda hier sehr kompliziert und von zahlreichen Brüchen gekennzeichnet ist, ist "Das Geständnis" eines der ehrlichsten und bewegendsten Beiträge im Politkino der 70er Jahre.

    An der politischen Überzeugung und der linientreue von A.L (Yves Montand), dessen Initialen für das reale Vorbild "Arthur London" stehen, gab es bisher keine Zweifel. Im spanischen Bürgerkrieg und im zweiten Weltkrieg kämpfte er gegen die Faschisten und hat es auch in seiner Funktion als stellvertretender Außenminister der Tschechoslowakei nie an Überzeugung fehlen lassen. Zwar übt er in stillen Zwiegesprächen mit Genossen schon mal Kritik am Moskauer Kurs, doch als Verschwörer kann man ihn keineswegs bezeichnen. Umso überraschter ist er, als er eines Tages von ein paar Geheimdienstmännern in einen fahrenden Wagen gezerrt wird und in ein geheimes Verließ gebracht wird. Mit Schlafmangel, Folter und Essensentzug versucht man ihn zu einem Geständnis des Landesverrates zu zwingen. Wer ihn dessen bezichtigt hat und warum er den Verdacht nicht zerstreuen kann, wird ihm nie ersichtlich. Während A.L. drinnen um sein Leben und seine geistige Gesundheit bangt, versucht seine Frau (Simone Signoret) seine Unschuld zu beweisen, oder zumindest eine Verteidigungsstrategie für die vorbereiteten Schauprozesse zu entwickeln.

    Ein wenig wirkt "Das Geständnis", als hätte Costa-Gavras hier seinen ganz eigenen inoffiziellen Kafka-Film gedreht. Wie Josef K. sieht sich auch A.L. Anschuldigungen ausgesetzt, die er nicht versteht und nicht entkräften kann. Wie um die Fehlbarkeit des Menschen im System zu beweisen, erwartet das System von ihm, dass er sich zu einem Verrat bekennt, den er nicht begangen hat. Doch was ist der Zweck hinter dem Geständnis? Sobald die Erzählung im Herz der Verließe angekommen ist, in denen A.L. dazu verdammt ist, Kreise zu laufen, inszeniert Costa-Gavras die Menschenverachtung des Systems als kafkaesken Nervenpoker, bei dem es Geheimdienstlern, Folterknechten und Wärtern nur noch darum geht, die absolute Allmacht des Staates über seine Bürger (oder Insassen) zu beweisen.

    Costa-Gavras gönnt dem Publikum dabei keine erträgliche Beobachter-Position sondern zwingt ihn, mit den Augen A.L.'s zu sehen. Auf Augenhöhe mit dem Gefangenen muss auch der Zuschauer das Gefängnis ertragen und ist in der Wahrnehmung eingeengt. Immer wieder tauchen neue Politkommissare auf, die A.L. anschreien oder befragen, während der Sinn der Vernehmungen immer mehr in den Hintergrund tritt. Yves Montand, der nach "Z" zum zweiten Mal für Costa-Gavras agierte, leistet einmal mehr ganze Arbeit und stellt seine überragende Leinwandpräsenz in den Dienst einer komplizierten, von Vor- und Rückblenden, Geistesströmen und albtraumhaft verfremdeten Sequenzen geprägten Erzählung.

    Abgemagert und ausgezehrt wirkt er und allein ein Blick in sein geschundenes Antlitz macht klar, dass auch der größte Patriot diese Form der Folter nicht lange durchstehen kann. Zu beobachten, wie hier ein Mensch unter Todesangst und ständigem Terror zunehmend zum Gespenst wird, ist gleichermaßen erschreckend und beeindruckend. Neben Montand spielt unter anderem Simone Signoret als leidgeprüfte Gattin eine tragende Rolle, die von außen versucht, sich für ihren Mann einzusetzen und doch nur gegen die Mauern einer kontraproduktiven Staatsbürokratie rennt. Was auf den ersten Blick an die Rolle eines treusorgenden Hausmütterchens gemahnt, wird von Grande Dame Signoret mit Würde und Größe gespielt, die auch eine nicht sehr interessante Rolle mit Leben zu füllen vermag.

    Der wahre Star bleibt jedoch Costa-Gavras selbst, der hier ein wahres Wechselbad der Gefühle einfängt, immer dicht an seinen Protagonisten und ihren Gefühlen bleibt und dennoch nie das große Ganze aus den Augen verliert. Einmal mehr gelingt es ihm, ein persönliches Martyrium mit einem großen Kapitel der Weltgeschichte zu verbinden. "Das Geständnis" ist dabei vielleicht seine größte Leistung, zumal die Leidensgeschichte A.L.s eine historische Reportage aus der Perspektive der Gepeinigten ist, bei der das Opfer bis zum Ende nicht verstehen wird, wer ihn in die Foltermühle des roten Terrors gebracht haben. Je tiefer er in seiner Gefangenschaft Richtung Entkräftung und Wahn abdriftet, desto poröser werden die Wände zwischen Realität und Erinnerung, desto mehr offenbart sich das Bild einer ideologischen Versprengung.

    Sämtliche filmischen Mittel setzt Costa-Gavras ein, um die Gedankengänge seines geschundenen Helden anschaulich zu machen. Nicht nur mit Voice-Overn arbeitet er, mit Überblendungen und der Trennung von Bild und Ton, sondern setzt auch immer wieder Archivmaterial ein, dass besonders im Zusammenspiel mit Giovanni Fuscos wehmütiger Musik eine berührende, beizeiten sogar etwas melodramatische Wirkung erzielt. In solchen Momente wird auf eine unmittelbare und deutliche Art klar, wie groß die Trauer aufgeklärter europäischer Linker über die totalitären Anwandlungen jenseits des eisernen Vorhangs waren. So wird "Das Geständnis" zu einem Film voller Melancholie, die wie ein Schleier über den Bildern liegt. Doch es sind weder die Verhöre oder Gerichtsszenen, noch Monologe und Diskurse die die Essenz von "Das Geständnis" vermitteln, sondern jene Szenen, in denen ein paar Regime-Schergen, die Asche von Hingerichteten Dissidenten (oder zumindest Verdächtigen) auf einem Acker fernab der Städte verstreuen. Dieses Bild steht in seiner Melancholie und seiner erschreckenden Banalität für die Trauer die durch diesen Film weht, wie die Asche der Ermordeten über die Felder.

    Fazit: "Das Geständnis" ist handwerklich experimentelles, schauspielerisch famoses und ideologisch komplexes Politkino, das sein Publikum trotz seines komplizierten Sujets mit hochinteressanten Erzähltechniken bei der Stange hält. Costa-Gavras fordert sein Publikum auf höchstem Niveau und liefert ein weiteres Meisterwerk ab.

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