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    The Other Final
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Other Final
    Von Susanne Picard

    Ja, so war das bei der letzten WM 2002 in Japan und Südkorea: Deutschland kam wider Erwarten ins Endspiel und die Holländer waren nicht mal qualifiziert. Zweifellos war das für die stolze Fußballnation eine bittere Pille. So enttäuschend, dass sich eine Gruppe von niederländischen Filmemachern sagte: Gibt es wirklich noch schlechtere Fußballspieler als uns? Ein Blick auf die FIFA-Weltrangliste bewies: Es gab. Ganz unten, auf Platz 202 und 203 standen sie, die winzigen Staaten Bhutan im Himalaya und Montserrat in der Karibik. Und verschiedener können zwei Staaten auf dieser Welt wohl kaum sein. Der eine Staat ein buddhistisches Königreich, sehr religiös, sehr selbstsicher in großer Höhe auf dem Dach der Welt. Das andere eine von Vulkanausbrüchen geplagte und vom Mutterland Großbritannien vergessene Karibikinsel mit Palmen und gerade mal 5.000 Einwohnern zwischen Captain Henry Morgan und dem blauen Meer der Karibik.

    Johan Kramer und seine Leute fragten nach: Wie wäre es mit einem alternativen Finale zu WM? Was, wenn Bhutan und Montserrat gegeneinander spielten? Und dann war sie da, die Gemeinsamkeit bei all den Unterschieden: Der Sport, respektive der Fußball. Beide Staaten waren sofort Feuer und Flamme, ja, eine gute Idee! Böse Zungen könnten behaupten, vielleicht kam das auch deshalb, weil beide Mannschaften hofften, endlich mal nicht mehr geschlagen mit 20:0 vom Platz zu schleichen. Aber der Film beweist schon bald das Gegenteil: Es war nichts als Spaß an der Freud, der da Vater und Mutter des Gedankens war. Das gemeinsame Spiel war schnell beschlossene Sache und die Montserrater fanden sich schon bald im Himalaya wieder.

    Der Film lässt sich Zeit. Zeit damit, die beiden Kleinstaaten vor- und Gemeinsamkeiten festzustellen. Da es da naturgemäß nur deren wenige gibt, behilft sich Johan Kramer mit einem netten Kunstgriff: Er lässt einen weißen Fußball, wann immer es geht, durchs Bild hüpfen, rollen, schießen und befragt nicht nur die Fußballer, sondern auch alle, die sich für das geplante Spiel interessieren, angefangen von den Trainern, über Dichter und Fernsehverkäuferinnen und gar den bhutanesischen Premierminister. Bekommt man hier in diesem Film Sport zu sehen? Das kommt drauf an. Sicher ist es kein guter Sport im Sinne eines Großkampfereignisses wie Olympia: Höher – schneller – weiter zählt beim anderen Finale nicht. Nike, Puma und Adidas haben sich so gesehen nicht umsonst geweigert, den Sponsor zu machen, denn um guten Sport, der dank dieser Marken noch professioneller werden kann, geht es hier in keinster Weise. Da landet der Ball beim Übungsschießen eben auch schon mal auf Nimmerwiedersehen in der Bananenplantage neben dem Montserrater Fußballplatz und in Bhutan droht das Spiel an den fehlenden Schiedsrichtern zu scheitern. Schöner Fußball also nicht wirklich, aber es gab und gibt ja auch Leute, die selbiges von der deutschen Bundesliga behaupten.

    Nicht umsonst geht es hier um ein Spiel unter den letzten der FIFA-Weltrangliste, es wird eben mehr gebolzt als gespielt. Der Kommentar des bhutanesischen Sportberichterstatters spricht Bände – als der Montserrater Torwart das vierte Tor enttäuscht durchgehen lassen muss, gibt es, wie es sich für einen guten Buddhisten mit dem vielzitierten Sportsgeist gehört - sogar eine kräftige Runde Mitleid: „Ich wäre auch enttäuscht, wenn ich der Torwart der schlechtesten Mannschaft der Welt wäre!“ Na dann. Nichtsdestotroz macht der Film und das Spiel großen Spaß. Das Amateurhafte beider Mannschaften wird noch unterstrichen durch die Kameraführung und eine leichte (beabsichtigte?) Überbelichtung des Materials, was den Film aber nur sympathischer macht und es einem von Herzen leid tut, dass er nur in wenigen Kinos und mit derart wenig Kopien angelaufen ist. "The Other Final" wurde übrigens am 30. Juni 2002 gespielt, dem Tag, an dem 4,1 Milliarden Menschen das Weltmeisterschaftsendspiel in Japan zwischen Deutschland und Brasilien verfolgten...

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