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    Valley of Flowers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Valley of Flowers
    Von Christian Schön

    Asien ist „in“. Man findet nicht nur an fast jeder Straßenecke ein Restaurant, das uns mit Köstlichkeiten aus den fernen Ländern versorgt, sondern auch Yoga, diverse Kampfsportarten und Mangas erfreuen sich hier großer Beliebtheit. Was der Westen mit asiatischer Lebensart macht, erscheint meist als Einheitsbrei, der mit vielen Klischees angereichert ist – vergleichbar mit asiatischem Essen, das überall gleich schmeckt. Erfrischend anders verhält es sich mit dem Liebesdrama „Valley Of Flowers“ von Pan Nalin. Basierend auf Motiven aus dem Buch „Liebeszauber und schwarze Magie“ von Alexandra David-Néel wird von einer unmöglichen Liebe erzählt, die zwar nicht ganz ohne Stereotype auskommt, aber mit einer ausgereiften Bildsprache belohnt.

    Die Geschichte setzt im 19. Jahrhundert an, und erzählt von einer Gruppe von Banditen, die Karawanen auf ihrem Weg durch die ungeschützten Weiten der Gegend um das Himalajagebirge ausraubt. Bei einem der routinemäßig durchgeführten Überfälle tritt jedoch ein folgenreiches Ereignis in das Leben der Gruppe. Genauer gesagt in das Leben des Anführers Jalan (Milind Soman). Neben dem Diebesgut zählt die junge schöne Ushna (Mylène Jampanoï) zu den erbeuteten Gütern. Als man den unfreiwillig gemachten Fang vertreiben möchte, eröffnet sie Jalan, dass sie ihn im Traum gesehen habe und dass sie bleiben werden. Aus der flüchtigen Bekanntschaft entwickelt sich eine innige Liebe, der etwas sehr Rätselhaftes anhaftet. Ushna ist eine in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Frau: Zuforderst ist sie ein Wesen, das ohne Bauchnabel zur Welt kam. Sie ist mit Wissen ausgestattet, welches den Banditen zu schnell wachsendem Reichtum verhilft. Aber: Alles hat seinen Preis. Ushna verlangt, dass ihr Glaube geschenkt und dass ihr Folge geleistet wird. Ebenso wie die Gruppe immer mehr im Zwist zerfällt und daran zerbricht, verfestigt sich die Liebe zwischen Ushna und Jalan. Die Liebe der Beiden steht aber unter einem schlechten Stern. Mit folgenreichen buddhistischen Ritualen und magischem Zauber versucht Ushna die Beziehung dennoch zu ermöglichen. Diese Praktiken rufen den Yeti (Naseeruddin Shah) auf den Spielplan, dessen Aufgabe darin besteht, die aus den Fugen geratene Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Im Lauf der Irrungen und Wirrungen der Geschichte führt diese bis in das Tokio unserer Zeit…

    Der Autodidakt Nalin konnte ja schon mit seinem Debütspielfilm „Samsara“ die internationale Kritik begeistern. Die durch und durch überzeugende Regiarbeit von Pan Nalin schwächelt hier etwas im Detail. Ob nun das Kriterium einer spannungsgeladenen Umsetzung bei einem Liebesdrama eine Rolle spielt oder nicht, mag eine Streitfrage sein. Die epische Breite des Films und die variationsreiche Umsetzung des Themas aber hätten einen weniger vorhersehbaren Gang der Handlung verdient. Um die Herkunft und das Schicksal der Ushna wird von Beginn an kein wirkliches Geheimnis gemacht und der Fortgang der Handlung tritt den Erwartungen gemäß ein. Auch die schiere Nähe zum Kitsch lässt einen manches Mal etwas unbefriedigt im Kinosessel verzagen. Trotzdem ist auf der Handlungsebene ein absolutes „Plus“ zu vergeben. Man verzeiht dem Film diese kleinen Schwächen sehr schnell, da die – wenn auch wenigen – Dialoge sehr geist- und anspielungsreich sind. Zudem wird das enge Geflecht der einzelnen Handlungsstränge immer mit einer symbolischen Ebene verknüpft, ohne dabei reiner Selbstzweck zu sein und überladen zu wirken.

    Viel dazu tragen die Hauptdarsteller und Komparsen bei, wobei nur die drei Hauptfiguren von professionellen Schauspielern dargestellt werden. Alle weiteren Rollen sind mit Laien besetzt worden, die ihre Aufgabe hervorragend erfüllt haben. Die Erwägung, nicht jede Rolle mit hochgradigen Schauspielern zu besetzen, trägt in diesem Film ganz besonders zu seiner Atmosphäre bei. Die Mitwirkenden kommen aus fast allen Ländern der östlichen Welt – Indien, Nepal und Japan - und sind im echten Leben dasselbe, was sie auch auf der Leinwand verkörpern. Und das merkt man besonders eindrucksvoll an unscheinbaren Kleinigkeiten, wie wenn beispielsweise ein Kuhhirte einer gerade überfallenen Nomadengruppe ein traditionelles Lied zum Besten gibt. Der organisatorische und zwischenmenschliche Kraftakt von Seiten der Filmcrew muss ebenso enorm eingeschätzt werden. Berechnet man die schwierigen Drehbedingungen der hochgelegenen Drehorte mit ein, erscheint es fast unvorstellbar, wie aus einem babylonischen Sprachgewirr und mit Charakteren aus unterschiedlichen Kulturen eine so klare Form zu destillieren war.

    Die Gedankenwelt des Buddhismus, des asiatischen Mystizismus und der Mythologie ist zum großen Teil Ideengeber für die Bildsprache. Interessant dabei ist die Ähnlichkeit einzelner Motive zur westlichen Tradition, bei der, oberflächlich betrachtet, doch so anderen Kultur. Das „Tal der Blumen“, das auch unter dem Namen „Garten auf dem Gipfel der Welt“ bekannt ist, findet sein Äquivalent in den Gärten von Arkadien. An beiden Orten lebten einst Menschen und Götter zugleich in einem paradiesischen Zustand. Und wie das lateinische Sprichwort „Et in Arcadia ego“ (frei übersetzt: Auch ich – gemeint ist der Tod – herrsche in Arkadien) andeutet, stehen diese Orte ebenfalls mit dem Tod in Verbindung. Das Thema Tod wiederum steht in enger Verbindung mit dem, der Liebe, beziehungsweise dem Liebesakt, der ja bekanntlich final auch „der kleine Tod“ genannt wird. Diese Reihe ließe sich ohne Mühen fortsetzten, und dabei ist sehr schön zu beobachten, wie bis ins kleinste Detail die einzelnen Motivkomplexe ausformuliert sind, und auf der Bildebene ihre Entsprechung finden. Der Soundtrack des Films ist sehr unaufdringlich. Manchmal haben Melodien eine handlungstragende Funktion, wie beispielsweise die, dass eine bestimmte Figur leitmotivisch wieder erkannt wird, nachdem ihr eine bestimmte Melodie zugeordnet wurde. Auf eine Einbettung in die Handlung wurde in diesem Bereich ebenfalls großen Wert gelegt.

    „Valley Of Flowers“ tritt als anspruchsvolles Liebesdrama auf, dessen erzählerische Wurzeln in der asiatischen Kultur zu suchen sind. Ein lohnenswertes Kinovergnügen bietet dieser Film allemal, auch wenn er nicht ganz an Ikonen des Genres, wie beispielsweise Wong Kar Wai, heranreicht. Der merkbarste Unterschied, der sich attestieren lässt, ist wohl der, dass man immer noch durch zwei europäische Brillen auf die ganze Thematik blickt. Erstens: Die Buchvorlage stammt von der Französin Alexandra David-Néel – zugegeben – einer der Koryphäen auf dem Gebiet. Zum zweiten der ebenfalls aus Frankreich stammende Regisseur Pan Nalin. Auch wenn dieser inzwischen einen großen Teil seines Lebens in Indien verbringt.

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