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    Boudu – Ein liebenswerter Schnorrer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Boudu – Ein liebenswerter Schnorrer
    Von Stefan Ludwig

    Gerard Depardieu. Gibt es irgendeinen französischen Schauspieler, der in mehr Filmen mitgespielt hat? Imdb.com verzeichnet ca. 150 fleißige Einträge im Bereich „Actor“. Wem es so vorkommt, als sei er in jedem Film aus Deutschlands Hass-Liebe-Nachbarland Nummer eins dabei, der ist nicht alleine – hat aber, so gehört es sich dann doch beizupflichten, Unrecht. Selbstverständlich. Aus Frankreich kommen eine Menge der kleinen Filme, die sich ihren Platz so gerne im gemütlichen Programmkino such, auch „Arthouse“ genannt. Mit „Boudu“ gelingt es Gérard Jugnot, eine Schnorrer-Komödie zu zaubern, die sich das Attribut „klein“ mit ihrer einfachen Produktionsweise und dem typischen Setzen auf Dialoge redlich verdient.

    Christian Lespinglet (Gérard Jugnot) und Coralie Fischer (Constance Dollé) fahren nachts mit dem Auto an den Kanal. Die Nachnamen lassen vermuten, dass es sich bei diesem Pärchen nicht um ein verheiratetes handelt, dabei ist zumindest Christian längst in jenem Alter, in dem er es sein müsste. Ist er übrigens auch, mit Yseult (Catherine Frot). Aber das interessiert ihn hier nicht, denn wie der Ausgangssatz außerdem vermuten lässt, möchten die beiden nicht bloß Sterne gucken. Während er dann zur Tat schreitet, unter zwecklosen und nicht ernst gemeinten Protestrufen von ihr, meint sie ein Geräusch gehört zu haben. Als ob etwas ins Wasser gefallen wäre. Ein Ausstieg aus dem Auto bringt einen panisch wirkenden, mit dem Wasser kämpfenden Mann etwa in der Mitte des Kanals zum Vorschein. Christian hat sofort das Telefon in der Hand und will die Feuerwehr anrufen, aber Coralie erklärt ihm, es sei sinnvoller hinzuspringen.

    Den Mann, den Christian anschließend mit wassergetränkten Lungen aus dem Wasser zieht, ist Boudu (Gerard Depardieu). Ein etwas merkwürdig anmutender, verrückter Obdachloser, der nicht nur dank seinem kleinen Bad mit allen Wassern gewaschen ist. Er quartiert sich ins Haus der Lespinglet und schafft es bald, dessen mit Psychopharmaka vollgestopfte Frau dazu zu bringen, plötzlich wieder Lebensfreude zu empfinden. Auch Coralie kommt Boudu vor wie eine Heilige und Altersunterschiede machen ihr ja nichts aus, wie die Eröffnungssequenz gezeigt hat.

    „Boudu“ bezieht seine Komik zunächst mal dadurch, dass er seinen Hauptcharakter ordentlich schnorren und dreist sein lässt. Da reißt Boudu auf einer Kirmes einem Jungen ganz plötzlich die Zuckerwatte aus der Hand und findet das völlig in Ordnung. Und während er sich im Haus der Lespinglets mehr und mehr einlebt, bekommt er wie selbstverständlich das Frühstück ans Bett gebracht. Er bringt die gesamte Charakterlandschaft des Films dazu, sich total abstrus zu verhalten und in ihrer Ratlosigkeit mit dem Umgang mit der Situation ihn auf unbestimmte Zeit zu beherbergen. Es macht Spaß, ihm dabei zuzusehen und wer am Ende meint, das sei alles unrealistisch, der vergisst, wie geisteskrank alle Figuren des Films waren. So lässt sich manche Logik geschickt umgehen. Hier braucht jeder einen Psychiater oder glaubt nicht daran und zündet sich einen Joint an – ja, Künstler brauchen Inspiration.

    Bei allem Witz wird die Story dann schlicht in der Form vorangetrieben, dass sich Boudu mehr und mehr der anderen bemächtigt und sie für seine Zwecke ausnutzt. Seine Fähigkeiten, Frauen zu betören sind übrigens so simpel, wie erfolgbringend. Die immer höhersteigende Wendeltreppe der Unmöglich- und Dreistigkeiten ist letztlich am Ende der hauptsächliche Storyaufhängepunkt – doch Langeweile kommt dabei nicht auf. Dennoch drängt sich dem Zuschauer auf, dass manche Stufen der Treppe besser nicht erklommen worden wären. Zum Ende hin wird Boudu dann plötzlich fast schon als eine Art rettender Engel für die verfahrenen Charaktere präsentiert. Das passt dann wirklich nicht zum Rest, dessen Geschichte nur mit dem klassischen ironischen Augenzwinkern akzeptiert werden kann.

    Regisseur Gérard Jugnot macht seine Inszenierungsarbeit völlig grundsolide, besser spielt er allerdings seine Rolle des innerlich völlig entrückten Christians. Seine Rolle des langweiligen Ehemanns, der mit jeder Situation völlig überfordert ist, setzt er mit einem lustigen und dabei glaubwürdigen Spektrum von Gesichtsausdrücken um. Er dürfte so manchen aus „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ bekannt sein. Für Gerard Depardieu ist der Part des abgehalfterten Obdachlosens, dem Scham und Zurückhaltung fremd sind, keine schwere Übung, muss er doch lediglich stets etwas neben der Spur aussehen und trotzdem auf Zack sein. Christians Frau Yseult alias Catherine Frot rennt die Hälfte der Zeit mit riesiger Sonnenbrille herum, um den Farben der Welt zu entkommen, zeigt im Rest aber durchaus akzeptables Spiel. Constance Dollé spielt mit der Coralie lediglich ein naives Mädchen, dessen Charakter und Geist um zehn Jahre jünger scheint, als ihr Körper.

    Übrigens gab es 1932 bereits eine Verfilmung des Stoffes, der dem Buch „Boudu Sauvé Des Eaux“ entsprungen ist. Hollywood verfilmte den Stoff 1986 („Zoff in Beverly Hills“) passabel mit Nick Nolte in der Hauptrolle. Das franzöische Remake „Boudu“ ist ein netter Unterhaltungsfilm, den niemand allzu ernst nehmen sollte. Viele Gedanken sollten nach dem Kinogang darüber nicht verloren werden, denn inhaltlich bietet er wenig – auch wenn er das ab und an vorzugeben versucht. Wer sich mit dem Humor anfreunden kann, wird ihn mögen, aber nicht ewig in Erinnerung behalten.

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