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    Meeresfrüchte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Meeresfrüchte
    Von Lars Lachmann

    „Meeresfrüchte“ machen spitz. Diese Tatsache erschließt sich dem Zuschauer spätestens im Laufe der gleichnamigen Komödie von Olivier Ducastel und Jacques Martineau, in der es genau so bunt zugeht wie beim lustigen Reigen der vielfältigen Schalen- und Krustentiere, mit welchem der liebevoll gezeichnete Vorspann einstimmt. Doch was tun mit der überschüssigen Energie, wenn keine Möglichkeit in Aussicht scheint, diese in munterer Zweisamkeit zu nutzen? Da hilft nur eins: Ab unter die Dusche. Nun ja – nicht umsonst kommt der Nasszelle eine tragende Rolle in diesem Film zu...

    Sommerferien in Frankreich. Marc (Gilbert Melki) fährt mit seiner Frau Beatrix (Valeria Bruni-Tedeschi) und seinen beiden Kindern an die sonnige Mittelmeerküste in das Ferienhaus, in dem er selbst als Jugendlicher so manchen Sommer verbracht hat. Während Tochter Laura (Sabrina Seyvecou) schon recht bald dem gemeinsamen Familienurlaub entflieht und sich mit ihrem Biker-Freund an die Strände Portugals absetzt, macht der pubertierende Sohn Charly (Romain Torres) mit seinem Kumpel Martin (Édouard Collin) die Gegend unsicher. Die Lage beginnt sich zu verkomplizieren, als sich herausstellt, dass Martin schwul ist und zudem offensichtlich auf Charly steht. Dieser ist nicht schwul, doch die sich entwickelnde Spannung zwischen den Jungen lässt bei seiner Mutter Beatrix eben diesen Verdacht aufkommen. Diese wiederum weiß zwar ebenso tolerant wie unkompliziert mit dieser vermeintlichen Erkenntnis umzugehen. Als sie ihrem Mann beiläufig von ihrer „Entdeckung“ in Kenntnis setzt, reagiert dieser jedoch zunächst eher verkrampft auf diese Nachricht. Zusätzlichen Schwung erhält das Verwirrspiel, als dann noch Beatrix‘ Liebhaber Mathieu (Jacques Bonnaffé) und der schwule Klempner Didier (Jean-Marc Barr) auftauchen...

    Ducastels und Martineaus Komödie lebt eindeutig von der Darstellung und dem Zusammenspiel der einzelnen Charaktere – jedoch ohne jemals zu sehr überzogen zu wirken. Gerade Valeria Bruni-Tedeschis lebenslustige Figur Beatrix, deren sprichwörtliche Toleranz und Leichtigkeit auf ihre holländische Abstammung zurückgeführt werden, versprüht von Anfang an eine enorme Energie, die so manche Szene mit dem nötigen Drive versorgt. Die Präsenz der übrigen Darsteller wird durch die charmante Frau bisweilen fast schon ein wenig überstrahlt, obwohl diese durchaus gut mitziehen. Der französische Star Jean-Marc Barr („Im Rausch der Tiefe“) brilliert in seiner kleinen Nebenrolle als schwuler Klempner und kommt in dieser ironischerweise sehr viel kerniger herüber als der fast schon klischeehaft-französisch albern bis tuntig wirkende Jacques Bonnaffé mit seiner straighten Figur als Beatrix‘ Liebhaber.

    Abgesehen vom Spannungsfeld homo-hetero erhält das Geschehen zusätzliche Impulse aus dem Drehmoment der Achse jugendlich-erwachsen. Während die Erwachsenen offenbar bemüht sind, ihr jeweiliges, ganz persönliches Geheimnis zu wahren, geben sich die Jugendlichen vergleichsweise unverstellt und dürfen ganz sie selbst sein. So macht Martin beispielsweise keinen Hehl aus seiner Neigung und sucht diese ohne Scham auszuleben. Auch wenn die Handlung mitunter über längere Strecken leicht vor sich hinplätschert wie die sanften Wellen am Mittelmeerstrand, hat der Film dennoch seine Momente. Wenn Charly in dem Moment, in dem er von den sorgfältig gehüteten Geheimnissen seiner Eltern Wind bekommt, sich völlig entnervt erstmal einen kräftigen Schluck aus der Cognacflasche genehmigt – und seine Mutter ihn einerseits auffordert, Toleranz zu zeigen und über ihre Fehltritte erst dann zu urteilen, wenn er selbst dieses Alter erreicht habe – nur um ihm im gleichen Atemzug das Trinken zu verbieten, dann ist das einfach zum Brüllen komisch!

    „Meeresfrüchte“ bietet leichte Kost und nette, seichte Unterhaltung auf die typisch-französische Art. Obwohl zum Schluss des Films nichts mehr so ist, wie es einmal war, haben sich dennoch alle lieb und tanzen beschwingt zu einem lockeren Lied auf den Lippen. Vielleicht ist es diese bedingungslose, fast utopisch anmutende Hymne auf die Toleranz – jeden so sein zu lassen und zu lieben wie er ist –, die bei den Rezipienten während der Berlinale zu einer so positiven Resonanz geführt hat. In jedem Fall ist die Komödie eine schöne Einstimmung auf den kommenden Sommer und macht Lust auf Meeresfrüchte und mehr.

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