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    Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?
    Von Björn Becher

    Damiano Damiani war weit über ein Jahrzehnt einer der wichtigsten politischen Filmemacher in Italien und wird heute trotzdem oftmals unterschätzt. Das mag an eher missglückten Auftragsarbeiten wie Nobody ist der Größte oder seinem einzigen US-Ausflug, dem Horrorsequel „Amityville II “ liegen. Daneben hat Damiani aber oft handwerkliches Talent bewiesen, welches er mit politischer Agitation zu verknüpfen wusste. Zum Beispiel bei dem für das Genre ungewöhnlich politischen Italo-Western „Töte Amigo“, dem Genre-Kunstwerk „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“, auf welches der deutsche Regisseur Dominik Graf (Der Rote Kakadu) 2006 in der F.A.Z. zurecht ein Loblied verfasste und natürlich der TV-Serie „Allein gegen die Mafia“. Diese avancierte Mitte bis Ende der Achtziger in einer damals noch von den öffentlich-rechtlichen Sendern dominierten deutschen TV-Landschaft zu einem wahren Straßenfeger und brachte Damiani mit seinem Lieblingsthema, der Verfilzung und Vermischung zwischen Justiz, Politik und Mafia, großen Erfolg. In eine ähnliche Kerbe schlug er 1974 mit „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“ (reißerischer deutscher Alternativtitel: „Der Terror führt Regie“), einem spannenden, selbstreflektiven und dadurch auch sehr selbstkritischem Thriller-Drama.

    Der linke Journalist und Filmregisseur Giacomo Solaris (Franco Nero) hat mit seinem neuesten Spielfilm keinen Hehl daraus gemacht, wenn er angreift. Für jeden erkennbar ist seine Hauptfigur das Abbild des Palermoer Staatsanwalts Traini (Marco Guglielmi) und er bezichtigt diesen der Kollaboration mit der Mafia und zahlreicher Verbrechen. Entgegen Solaris‘ Erwartungen zerrt ihn der angegriffene Traini nicht vor Gericht, sondern lädt ihn zum Essen ein, bei dem auch einige Granden aus Politik und Gesellschaft anwesend sind. Solaris lässt sich dadurch nicht beirren und klagt weiter an. Doch gerade als er Palermo verlassen will, um seinen Kampf von Rom aus weiter zu führen, wird Traini ermordet, genau so wie am Ende von Solaris´ Film. Steckt die Mafia dahinter oder ein Verehrer von Solaris? Während dessen Film nun einen Run auf die Kinos verursacht, untersucht der Regisseur auf eigene Faust den Mord. Nur zögerliche Unterstützung findet er bei der Frau des Ermordeten (Françoise Fabian, 5x2, Belle De Jour)…

    Damianios Film beruht auf einem ähnlichen Fall im Jahr 1971 und die von Italo-Western-Legende Franco Nero („Django“, Keoma) gespielte Hauptfigur ist das Alter Ego des Regisseurs. Dies führt dazu, dass einer der Vorreiter des reichhaltigen linken italienischen Kinos der Sechziger und Siebziger einen sehr selbstkritischen Blick auf das eigene Schaffen und das seiner „Kampfgenossen“ wirft. Solaris ist besessen von seinem Kampf und entfernt sich dabei immer mehr von seinen Idealen. Durch den Tod von Traini wird er aufgrund des Kassenerfolges seines Films plötzlich zum Profiteur des von ihm „bekämpften“ Systems. Dazu wird ihm immer mehr gewiss, dass er Schuld auf sich geladen hat. Er wollte Traini nur zum Rücktritt zwingen und nicht seinen Tod, äußert er einmal sein Bedauern gegenüber der Witwe.

    Dieser Teil der Geschichte steht sehr stark im Fokus und bildet das überzeugende Schwergewicht. Daneben spielt natürlich die Aufklärung des Mordes eine wesentliche Rolle, aber dieser Teil der Story hängt leider phasenweise etwas durch, was sich im Mittelteil auch tempo- und spannungsraubend niederschlägt. Des weiteren wird natürlich auch der Anklage gegen die Verflechtung von Politik, Justiz und Mafia, dem korrupten System und der Habgier einzelner Politiker, die auch vor Mord nicht zurückschrecken, viel Platz eingeräumt. Noch heute leidet Italien unter diesen Problemen und auch gegenwärtige Filmemacher wie zum Beispiel jüngst Nanni Moretti mit seiner Berlusconi-Anklage „Der Kaiman“ agitieren andauernd gegen die demokratisch sehr zweifelhaften Gepflogenheiten vieler italienischer Politiker.

    Im Gegensatz zu Moretti, der in seinem angesprochenen Film trotz erheitender, trashiger Einschübe insgesamt zu plakativ agiert, schafft es Damiani, seine politische Anklage deutlich ausgewogener zu präsentieren. Dass er sich selbst sehr kritisch sieht, trägt dazu genauso bei, wie ein überraschendes und gerade für einen systemkritischen Film eher ungewohntes Ende sowie die Charakterzeichnung der korrupten Politiker, die nicht einfach aus reiner Böswilligkeit, sondern teilweise auch aus Zwängen handeln. Die konsequente und geradlinige Zielführung auf die böse Auflösung im Finale erweist sich als weiterer Pluspunkt.

    Schade, dass Damianis Kriminalgeschichte, wie schon erwähnt, im Mittelteil etwas durchhängt und zudem den politischen Mauscheleien etwas mehr Platz gebührt hat. Denn sonst wäre sein Film, der auch sehr von dem zurückgenommen, aber in den entscheidenden Momenten wirkungsvoll eingesetzten Score des großen, zweifach oscarnominierten italienischen Komponisten Riz Ortolani („Cannibal Holocaust“, „Mondo Cane“, „Madron“, „Old Shatterhand“) profitiert, ein Kandidat für einen Klassiker des italienischen Kinos.

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