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    The Proposition
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Proposition
    Von Deike Stagge

    Banditen, Sheriffs, moralische Fragen und rauchende Colts – das sind die Zutaten für einen ordentlichen Western. An dieses Rezept hält sich auch John Hillcoats australisches Western-Epos „The Proposition“, dessen Drehbuch aus der Feder der Musiklegende Nick Cave stammt.

    Australien zur Zeit der Kolonisierung: die einheimischen Menschen leben unter ziemlich harten Umständen, die Sitten sind verroht. Doch der anständige Australier zieht auch irgendwo eine Grenze. Die überschreitet die Gang der Burns-Familie. Nach der Vergewaltigung einer jungen Frau und dem brutalen Mord an ihrer Familie machen sich die Gesetzeshüter unter Leitung des Briten Captain Stanley (Ray Winstone) auf, die Gangster zu stellen. Statt des Anführers Arthur erwischen die Soldaten nach einer wilden Schießerei dessen jüngere Brüder Charlie (Guy Pearce) und Mike (Richard Wilson). Stanley erpresst Charlie mit einem simplen Vorschlag: wenn er dabei hilft, seinen Bruder Arthur in einen Hinterhalt zu locken, kommt der harmlose und einfältige Mike ungeschoren davon. Bis zur Einlösung dieses Tauschguts bleibt Mike allerdings im Knast.

    Während sich Charlie auf den Weg macht, ohne so recht zu wissen, ob er einen Bruder gegen den anderen tauschen sollte, fordert Bürgermeister Fletcher (David Wenham) Rache für die ermordete Familie. Allerdings hat Stanley etwas dagegen, denn er hält den Jungen für einen einfachen Mitläufer, der ohne den Einfluss seiner Brüder niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten wäre. Der Konflikt eskaliert und zieht auch die Beziehung zwischen Stanley und seiner Frau (wie immer großartig: Emily Watson) in Mitleidenschaft. Inzwischen plagen Charlie ganz andere Sorgen: der Kopfgeldjäger Jellon Lamb (John Hurt) hat sich an seine Fersen geheftet…

    Der Western feiert seine Renaissance - allerdings in einer richtig dreckigen Variante. „The Proposition“ zeigt die australische Wildnis so, wie der Neubürger sie damals erlebt hätte: gefährlich und bedrohlich. Die Menschen sind von diesem Bild gezeichnet. Ausgemergelte Figuren sind sie, allen voran der völlig abgemagerte Guy Pearce (Montecristo, Time Machine). Sein Talent für ausgefallene Rollen und die Bereitschaft, auch seinen Körper für solch eine Rolle ans Äußerste zu treiben, ist dem Kinogänger spätestens seit Memento ein Begriff. Sein Auftritt mit stets feuchten Augen, fettigen Haaren und dem leicht paranoiden Blick setzt große Akzente für die Schaffung der authentisch stimmigen Atmosphäre des Films. Die anderen Ganoven und der Großteil der Gesetzeshüter steht dem nur wenig nach. Zerstörte Zahnreihen, schmutzige Bärte und heruntergekommene Kleidung sind dominieren. Aus diesem Bild fallen nur die von Emily Watson (Roter Drache, Equilibrium, Gosford Park) gespielte Ehefrau des Captains und der Bürgermeister heraus, die beide noch etwas vom britischen-royalem Geist in die neue Welt hineintragen. David Wenham (Herr der Ringe - Trilogie, Van Helsing) macht das Beste aus seiner Nebenrolle und gibt ihr nicht nur durch das stets wie aus dem Ei gepellte Outfit, sondern auch durch die leise Fistelstimme und die unbewegte Mimik die Note des unangepassten Außenseiters, der für die Drecksarbeit immer noch die Hilfe der hart gesottenen Kerle braucht. Jede Figur, jede kleine Rolle hat ihre eigenen Feinheiten, die das Zuschauen spannend machen.

    „The Proposition“ konzentriert sich im Kern der Story auf den moralischen Konflikt des rohen, aber ernsthaften Charlie. Diese innere Auseinandersetzung ist äußerst vorhersehbar, die einzelnen Stadien seiner Überlegungen werden aber großartig in die Darstellung des australischen Outbacks integriert. Regisseur John Hillcoat, der vor diesem Film hauptsächlich im Videobereich arbeitete, schaffte durch seine stark auf die Landschaft bezogene Inszenierung ein gutes Auffangbecken für die fehlende Dichte der Handlung. Die Nebengeschichte um die Eheprobleme der Stanleys versorgt den Zuschauer mit einer zusätzlichen emotionalen Tiefe. Dem gegenüber steht die krasse Darstellung der Gewalt. Die Kamera ist in allen Einzelheiten der Brutalität dabei und zeigt, was einige Zuschauer vielleicht gar nicht sehen möchten. Schon in der ersten Szene, die im Gegensatz zum traditionellen Western den spannenden Shootout direkt an den Anfang des Films katapultiert, wird das Ausmaß des noch Kommenden deutlich. Die Kugeln fliegen den Beteiligten nur so um die Ohren. Die Erwartung wird dann auch erfüllt. Fliegende Speere, öffentliches Auspeitschen und von Großkaliberwaffen stammende Schusswunden dürften wohl die Jugendfreigabe von „The Proposition“ verhindern.

    Das Drehbuch und die Musik zum Film stammen von Nick Cave, Australiens Vorzeige-Rocker. Diese Abstimmung zwischen Story und Songs macht sich positiv bemerkbar. Das musikalische Hauptthema begleitet als fortlaufender Singsang Guy Pearce auf seinem Ritt durch die Wildnis und untermalt die Szenerie eindrucksvoll. Auch wenn Caves Werk für die Erzeugung durchgehender dramaturgischer Spannung nicht ganz ausreicht, ist „The Proposition“ als Antithese zum sauberen Hollywood-Western durchaus sehenswert. Der Zuschauer sollte sich aber vorher unbedingt auf den hohen Anteil der gewalttätigen Szenen im Film einstellen.

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