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    Incident at Loch Ness
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Incident at Loch Ness
    Von Carsten Baumgardt

    Wer im Werk des Autorenfilmer-Stars Werner Herzog firm ist, wird das Element Humor nicht unbedingt an vorderster Front suchen – um es milde auszudrücken. Dieser Umstand spielt Zak Penns Mockumentary „Incident At Loch Ness“ prima in die Karten. Das größte Vergnügen an dieser Film-im-Film-im-Film-Dokumentation ist das stete Abmessen des Wahrheitsgehalts, der sich von Minute zu Minute ändert, bis sich herauskristallisiert, was eigentlich gespielt wird. Dabei funktioniert „Incident...“ auf mehreren Ebenen – als Einsicht in die Herzog’schen Denkweisen, als Doku über das Filmemachen, als Komödie und nicht zuletzt als feine Satire.

    Der dramaturgische Aufbau ist ausgesprochen intelligent. Der Kameramann (Lizenz zum Heiraten, Frau mit Hund sucht Mann mit Herz, Wie werde ich ihn los - in 10 Tagen) und Regisseur („China Moon“) John Bailey will einen „Herzog In Wonderland“ betitelten Dokumentarfilm über den in Los Angeles lebenden deutschen Filmemacher Werner Herzog (Aguirre - Der Zorn Gottes, Fitzcarraldo, Rescue Dawn) drehen und begleitet ihn dafür bei den Arbeiten zu seinem neuen Doku-Projekt „The Enigma Of Loch Ness“, das Herzogs drehbuchschreibender Freund Zak Penn („Last Action Hero“, X-Men 2, X-Men: Der letzte Widerstand, Elektra) produziert.

    Wir sehen Herzog, wie er gemeinsam mit seiner Frau, der Fotografin Lena, daheim in L.A. für illustre Gäste wie Jeff Goldblum (Jurassic Park), Crispin Glover (Zurück in die Zukunft) oder den Magier Ricky Jay eine Dinnerparty schmeißt. Derweil bringt Penn Star-Kameramann Gabriel Beristain (Blade II, Blade: Trinity, S.W.A.T., The Ring 2) mit ins Boot, er soll „The Enigma Of Loch Ness“ filmen. Anschließend geht es zu den Dreharbeiten zum Loch Ness nach Schottland, wo das kleine Team bereits auf Herzog wartet. Nachdem zunächst alles planmäßig verläuft und erste Experten wie der Krypto-Zoologe (ein „Wissenschaftler“, der verstorbene Tierarten „aufspürt“) Michael Karnow vor der Kamera interviewt werden, schleichen sich kleine und große Merkwürdigkeiten ein, die das Projekt zunehmend aus dem Ruder laufen lassen...

    Wer unbedarft und ohne vorherige Information an „Incident At Loch Ness“ herangeht, wird in der ersten Stunde des Films nichts Verdächtiges an dem Braten riechen. Der extravagante Herzog scheint nichts zu spielen, wirkt völlig authentisch. Erst in der Gesamtbetrachtung wird klar, mit wie viel Humor und Ironie er sich selbst auf den Arm nimmt. „Incident...“-Regisseur Zak Penn, der als „Der Produzent“ aktiv am Filmprozess teilnimmt, trägt dagegen schon weniger subtil auf und gibt den breitbeinigen Ami-Boss, der alles bestimmen will, nur um des Bestimmens Willen. Mal eben seine Model-Freundin Kitana Baker als „Sonar-Expertin“ an Bord holen? Lächerliche Expeditionsoveralls an die Mannschaft verteilen? Teilen des Teams mit dem Rauswurf drohen? Alles kein Problem! Penn ist der Boss.

    „Incident At Loch Ness“ ist aufgebaut wie ein filmisches Rätsel, das es zu entschlüsseln gilt – zu welchem Grad sind die verschiedenen Elemente gefakt? Irgendwann, wenn das Abenteuer erste Opfer fordert, ist die Katze aus dem Sack, aber dennoch bleibt es weiter der eigenen Fantasie überlassen, wie das Projekt in dieser Konstellation überhaupt entstanden ist. War der Film von vornherein als smarte Mockumentary geplant? Oder hat der Lauf der Ereignisse dies provoziert, nachdem Herzog einsehen musste, dass sein Ziel, die ultimative Dokumentation über Loch Ness zu drehen, in eine Sackgasse lief? Immerhin wurde seine Absicht, „Enigma…“ anzugehen, ernsthaft von der Presse dokumentiert. Penn und Herzog halten ihre Scharade gar bis hin zur Audiokommentarspur der DVD-Veröffentlichung durch. Doch wer genau hinhört und –sieht, wird seine Antworten bekommen.

    Fazit: „Incident At Loch Ness“ ist ein kleiner Geheimtipp für Filmfreaks, denn es wimmelt zwischen Realität und Fiktion nur so von Bezügen zu anderen Filmen und das Filmemachen im Allgemeinen. Für Anhänger Herzogs ist die Fingerübung ohnehin ein Muss. Dass der Autorenfilmer mittlerweile auch mit Humor arbeitet, zeigte nicht zuletzt seine wüst-grandiose Science-Fiction-Fantasy The Wild Blue Yonder (2005). Und wer noch einen Hinweis auf die Hintergründe benötigt: In der improvisierten Poker-Komödie The Grand, Penns zweiter Regiearbeit, ist Herzog wieder als Schauspieler zu sehen…

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