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    Flutsch und weg
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Flutsch und weg
    Von Christoph Petersen

    Was haben die Amis nur gegen Knetmasse? Auch wenn die offizielle Erklärung lautet, dass sich die zahlreichen Wasserszenen des Films mit der herkömmlichen Stop-Motion-Technik kaum realisieren ließen, dürfte bei der Entscheidung, die Abenteuercomedy „Flutsch und weg“ am Computer zu animieren, auch der eine oder andere Marketing-Manager seine Hände mit im Spiel gehabt haben. In der Hoffnung, nach den im Vergleich zu den moderaten Produktionskosten starken (Chicken Run) bzw. guten (Wallace und Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen) Einspielergebnissen am US-Box-Office jetzt mal einen richtigen Monsterhit zu landen, wurde so im dritten Langfilm der Aardman Animation auf das eigene Markenzeichen verzichtet. Jedem, der die Vorgänger kennt, dürfte sofort klar sein, dass das einfach keine gute Entscheidung sein konnte: Und wirklich bekommen wir nun „nur“ eine solide Animationskomödie vorgesetzt, die zwar mit unzähligen phantasievollen Einfällen punktet, der aber ganz einfach der spezielle Charme und der ganz eigene Witz der skurrilen Knetfiguren fehlt. Da ist es schon fast beruhigend zu wissen, dass der Plan der Marketingleute auch am Box Office nicht aufgegangen ist – zwar legte „Flutsch und weg“ den bisher erfolgreichsten US-Start eines Aardman Films hin, allerdings muss man dabei natürlich auch beachten, dass er mit der unerklärlich hohen Summe von 149 Millionen Dollar das fünffache einer Knetproduktion verschlungen hat. An der US-Kinokassen wird das Werk selbst die 100-Millionen-Dollar-Grenze deutlich verfehlen.

    Luxusmaus Roddy St. James lebt in einem goldenen Käfig – als Haustier einer reichen Familie im Londoner Nobelviertel Kensington wird er nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Zu seinen Hobbys zählen Golf spielen und sein knallrotes Cabrio, in dem er auch gerne mal eine ganze Wagenladung blonder Babypuppen herumkutschiert. Ausgerechnet als seine fürsorgenden Herrchen für ein paar Tage in den Urlaub gefahren sind, wird die Proletenmaus Sid vom Spülbecken ausgespuckt. Dieser übernimmt sofort das Kommando, die Fernbedienung, den Kartoffelchipsvorrat und spült Roddy schließlich sogar die Toilette runter. In der Kanalisation angekommen, eröffnet sich Roddy eine komplett neue Welt – eine riesige Mäusestadt erstreckt sich vor seinen Augen. Aber bevor er sich wirklich umschauen kann, wird er auch schon in das nächste Abenteuer hineingezogen. Die überdrehte, aber herzensgute Piratin Rita hat Gangsterboss Toad seinen geliebten Diamanten gestohlen und wird nun von dessen Handlangern durch die Kanäle gejagt. Eher unfreiwillig übernimmt Roddy die ungewohnte Rolle des Helden, der Rita im Kampf gegen zurückgebliebene Mäuse, eine fette Kröte und einen französischen Profikiller-Frosch beisteht…

    Die Abenteuergeschichte, die sich reichlich bei ihren Vorbildern James Bond und Indiana Jones bedient, braucht einige Zeit, um so richtig in Schwung zu kommen – erst wenn Roddy in der Kanalisation angekommen ist, nimmt das Tempo spürbar zu. Dann aber lassen die extrem abwechslungsreichen Actionszenarien – von ausufernden Verfolgungsjagden über den gefährlichen Kampf mit Ninjafröschen bis hin zu einem Ballonflug über Kensington ist alles dabei – kaum noch eine Verschnaufpause zu. Wie man es von den Bond-Filmen, in denen oft auch eine Actionepisode recht lose an die andere gereiht scheint, gewöhnt ist, hat diese Hochgeschwindigkeitsdramaturgie aber auch ihre kleinen Nachteile: So findet man bei „Flutsch und weg“ zum Beispiel kaum Zeit dafür, eine der Figuren wirklich in sein Herz zu schließen, was sich vor allem in den dramatischeren Szenen negativ auswirkt, weil man mit den Helden auch in den ausweglosesten Situationen nicht wirklich mitfiebert. Vielmehr fühlt man sich hier nur als zwar interessierter (passieren tut ja ohne Frage genug!), aber emotional eher neutraler Beobachter.

    Was seinen Humor angeht, fährt „Flutsch und weg“ angenehm vielgleisig. Zum einen gibt es natürlich das für Animationsfilme typische Doppel Wortwitz/Situationskomik – in diesem Bereich ist das Drehbuch sicherlich nicht schlechter als andere, die Trefferquote der Gags ist ordentlich, nur wirklich vom Genredurchschnitt abheben kann sich „Flutsch und weg“ dann aber auch wieder nicht. Dabei ist es auch nicht gerade hilfreich, dass der wunderbare kensingtoner Upper-Class-Akzent von Hugh Jackman in der deutschen Fassung durch die wenig noble Stimme von „Gegen den Wind“-Star Ralf Bauer ersetzt wurde. Zum anderen übernehmen aber auch die proppevollen Hintergründe einen nicht zu unterschätzenden Teil der Humor-Arbeit. Was sich hier an liebe- und phantasievoll gestalteten Animations-„Statisten“ tummelt, ist schier unglaublich – wie auf den in Kinderbüchern so beliebten Wuselbildern gibt es auch hier scheinbar unendlich viel zu entdecken. Ein klarer Fall für den Pauseknopf auf der DVD-Fernbedienung. Das dritte Standbein ist der britische Humor, womit aber nicht der trockene schwarze, sondern vielmehr das charmante Spiel mit englischen Eigenheiten und Klischees gemeint ist – die Franzosen sind die käsefressenden Bösewichte, kitschige Werbeartikel mit dem Emblem der Queen halten als exquisite Kunstsammlung her und Deutschland gewinnt trotz der 4:2-Führung Englands selbstredend das WM-Finale nach Elfmeterschießen.

    Was die technische Seite angeht, kann man den Machern kaum einen Vorwurf machen – was bei einem Budget von 149 Millionen Dollar aber eigentlich auch selbstverständlich sein sollte. Dabei geht „Flutsch und weg“ allerdings weder den Weg von etwa Happy Feet, der zum Teil fast photorealistisch anmutende Bilder präsentierte, noch den von Madagascar, Tierisch wild und Konsorten, die es mit einer comichaften Verniedlichung versuchten, sondern entwirft einen ganz eigenen Animationsstil, der sich am ehesten an den früheren Aardman-Produktionen orientiert. Es wurde sogar ein Programm entwickelt, dass die Figuren nachträglich mit kleineren Unebenheiten und Fingerabdrücken versieht, um so die Arbeitsspuren beim Umgang mit realer Knetmasse zu simulieren. Auch wenn man diese versteckten Hinweise beim Sehen des Films kaum bemerkt, fühlt man sich – zumindest was den Look der Figuren angeht – doch stark an Wallace und Co. erinnert. Allerdings fragt man sich so auch nur noch bohrender, warum man die Knetmasse gegen Gigabytes eingetauscht und „Flutsch und weg“ stattdessen auf den hart umkämpften Computeranimations-Markt geworfen hat – hier tummeln sich nämlich eh schon viel zu viele „ganz nette“ Durchschnittswerke. Dafür sind die singenden und kreischenden Nacktschnecken aber einfach total süß!

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