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    Lieben und lassen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Lieben und lassen
    Von Christian Horn

    Dass es im Leben und ganz besonders in der Liebe meistens anders kommt, als man anfangs dachte (oder herbeigesehnt hat), muss Gray (Jennifer Garner, 30 über Nacht, Elektra) gleich zu Beginn von „Lieben und lassen“ auf recht schmerzvolle Weise feststellen. Kurz vor der geplanten Hochzeit mit ihrem Verlobten Grady verstirbt dieser (man beachte die Namensgebung: Gray und Grady, das perfekte Paar). Der Hochzeitstag wird zum Tag der Beerdigung und Gray, die mit ihrem bisherigen Leben mehr als zufrieden war, wird völlig aus der Bahn geworfen. Da sie sich die Wohnung, die sie mit ihrem verstorbenen Verlobten angemietet hatte, alleine nicht mehr leisten kann, nehmen zwei Freunde Gradys, der gutmütig-entspannte, rundliche Sam (Kevin Smith) und der ernste Dennis (Sam Jaeger) die Trauernde in ihrer Junggesellen-WG auf. Die beiden Freunde ihres gestorbenen Verlobten fühlen sich für Gray verantwortlich und versuchen sie – so gut es im Rahmen ihrer eigenen Trauer funktioniert – aufzumuntern. Zur Beisetzung in der studentischen Kleinstadt Boulder reist auch Fritz (Timothy Olyphant), ein alter Freund Gradys aus Kindertagen, aus seiner Heimatstadt Los Angeles an und zieht ebenfalls in Sams und Dennis' Haus ein. Schon auf der Beerdigung geraten Fritz und Gray heftig aneinander, als die trauernde Frau beobachtet, wie der Frauenheld Fritz völlig unpassend eine Kellnerin des Servicepersonals abschleppt. Doch mit der Zeit entwickeln die beiden ein freundschaftlich-vertrautes Verhältnis, das letztlich in eine Affäre mündet.

    Genretechnisch pendelt „Lieben und lassen“ zwischen Romantic Comedy und Tragikomödie. Die beliebte Mischung aus Drama und Komödie wird von Drehbuchautorin und Regisseurin Susannah Grant, die mit „Lieben und lassen“ ihr Regiedebüt liefert, nicht in altbewährter Form – d.h. eine komödiantische Szene geht einer tragischen voran, um diese zu verstärken – umgesetzt, sondern gleichwertig ausbalanciert. So sind die meisten Szenen weder Komödie noch Tragödie, sondern eine Mischung aus beidem – ganz so wie es im echten Leben auch häufig der Fall ist. Unterstützt von einem sehr gitarrenlastigen Soundtrack entwickelt der Film eine gediegene Atmosphäre und transportiert eine Stimmung, die zwischen entspannter Erzählung und einer vor-sich-hin-plätschernden Geschichte oszilliert. Und das, obwohl die Handlung in regelmäßigen Abständen Wendungen erfährt. Diese reißen den Zuschauer leider nicht wirklich mit, da sie von den Figuren viel zu schnell akzeptiert und verdaut werden: Gerade noch hegte Gray einen Groll gegen die Geliebte ihres verstorbenen Verlobten, schon sitzen beide beim gemütlichen Abendessen; kaum beginnt Gray den Casanova Fritz zu hassen, liegt sie schon in seinen Armen und so weiter. Das stellt die ansonsten überaus gelungen charakterisierten und sehr gut gespielten Figuren immer wieder bloß und lässt das Interesse des Zuschauers an ihrem Schicksal mehr und mehr sinken. Obwohl „Lieben und lassen“ mehr als zwei Stunden läuft, hätte Susannah Grant gut daran getan, sich für bestimmte Momente und Entwicklungen ein wenig mehr Zeit zu lassen.

    „Lieben und lassen“ heißt im Original „Catch And Release“, also einfangen und loslassen, und behandelt auch genau dieses Thema: die Schwierigkeit, einen fest gefassten (Lebens-)Plan, beziehungsweise eine gewonnene Liebe, loszulassen, sich neuem zuzuwenden und das eigene Leben den unerwarteten und unerwünschten Umständen anzupassen. Besonders Gray muss diesen Unterschied zwischen Planen und Treiben lassen im Verlauf des Films lernen, wobei ihr besonders Fritz behilflich ist. Vor diesem Hintergrund ist „Lieben und lassen“ ein Plädoyer für das Leben geworden, eine Geschichte, die das ständige Auf und Ab des Lebens in sich trägt und feststellt, dass gerade die größten Rückschläge und Niederlagen den Weg zur Selbstfindung am meisten befördern – sobald die an das Fallen anschließende Melancholie überstanden ist.

    Susannah Grant hat bisher Drehbücher geschrieben, unter anderem das für Steven Soderberghs Erin Brockovich, und führte bei „Lieben und lassen“ das erste Mal Regie, da sie die Idee ihres Drehbuchs auf jeden Fall bis zum Endprodukt begleiten wollte. Obwohl es Grant erster Film ist, gibt es an der ästhetischen und technischen Umsetzung kaum etwas zu bemängeln. Der Stil ist dem Verlauf der Geschichte gerecht werdend sehr unaufdringlich, und abgesehen von den vielleicht etwas zu exzessiv eingesetzten Gitarrenrhythmen an keiner Stelle aufdringlich oder Hollywood-typisch überzogen. Der versierte Kameramann John Lindley hat schöne Bilder fotografiert, die weder zu ästhetisiert noch zu banal aussehen.

    Insgesamt taugt „Lieben und lassen“ durchaus für einen gelungenen Kinoabend ohne große Aufregungen. Das gut aufgelegte (und optimal gecastete) Darsteller-Ensemble gibt dem Film eine angenehme Frische und lässt ihn nie ärgerlich werden. Allerdings hätte man sich ein ehrlicheres Herangehen an die Probleme der Figuren gewünscht, die allzu schnell wieder aufstehen können. Und dass es am Ende an allen Baustellen zu einer (für diese Art Film symptomatischen) Versöhnung kommt, erscheint vor dem Hintergrund der ansonsten ambitionierten Thematik ebenfalls unangebracht. Denn wenn es wirklich so einfach wäre, warum sollte es dann überhaupt Filme geben, die sich mit den Problemen des Lebens befassen? So bleibt „Lieben und lassen“ ein kleiner, überwiegend sympathischer Film, der den Betrachter mit einem guten Gefühl entlässt, das er draußen bestimmt gut gebrauchen kann.

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