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    Die Legende von Beowulf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Die Legende von Beowulf
    Von Jürgen Armbruster

    Vor ziemlich genau drei Jahren setzte Robert Zemeckis mit seiner Weihnachtsmär Der Polarexpress ein technisches Ausrufezeichen. Der Animations-Film entstand komplett mit Hilfe eines Verfahrens namens Performance Capture, einer Weiterentwicklung des Motion Captures, bei der nicht nur die Körperbewegungen, sondern auch die Gesichtsausdrücke der Schauspieler gescannt werden. Das fertige Ergebnis war aus optischer Sicht so gut, dass einzelne Szenen nachträglich noch zurück gerechnet werden mussten, um dem Animations-Charakter des Films gerechnet zu werden. Fast schon unbeabsichtigt wurde ein dem Fotorealismus naher Grad der optischen Qualität erreicht. Heute, drei Jahre später und einiges an Erfahrung reicher, bringt Zemeckis seinen zweiten Film in die Kinos, bei dem er konsequent auf dieses Verfahren setzt. Allerdings wird diesmal mit „Die Legende von Beowulf“ ein wesentlich älteres Zielpublikum anvisiert. Das Problem: Obwohl man sich auch an Zemeckis zweitem Streich eigentlich kaum satt sehen kann, können die inhaltlichen Mängel diesmal nicht kaschiert werden.

    Der Hof von König Hrothgar (Anthony Hopkins) und seiner Gattin Wealthow (Robin Wright Penn) wird von dem grausamen, menschenfressenden Monster Grendel (Crispin Glover) terrorisiert. Alle Versuche, das Ungetüm zur Strecke zu bringen, schlugen bisher fehl. Verzweifelt lobt Hrothgar – gegen den Widerstand seines Beraters Unferth (John Malkovich) – die Hälfte der königlichen Schatzkammer für denjenigen Helden aus, der Grendel zur Strecke bringt. Angelockt vom Gold – aber vor allem von seinem Streben nach Ruhm und Ehre – reist der mächtige Krieger Beowulf (Ray Winstone) gemeinsam mit seiner rechten Hand Wiglaf (Brendan Gleeson) und seinen tapferen Kriegern in Hrothgars Königreich, um sich der Herausforderung zu stellen. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Hrothgars Herrschaft ist mit einem grausamen Geheimnis verbunden, einem unheilvollem Pakt mit einem Dämonen (Angelina Jolie), der sich mittlerweile zu einem Fluch entwickelt hat. Ein Fluch, der auch Beowulf irgendwann einholen wird…

    Die Idee einer Leinwandadaption des epischen Heldengedichtes „Beowulf“ als Animationsfilm für Erwachsene ist so schlecht nicht. Das in angelsächsischen Stabreimen verfasste Werk, das ganz nebenbei zehn Prozent des gesamten heute noch bekannten Textgutes in dieser Sprache ausmacht, wurde bereits vielfach verfilmt und diente zahlreichen anderen Werken als Inspiration. Selbst der großartige J.R.R. Tolkien ließ sich bei der Erschaffung seiner „Herr der Ringe“-Saga, insbesondere bei der Entwicklung des Reitervolks von Rohan, deutlich von „Beowulf“ inspirieren. Aber auch bei weit weniger bedeutsamen Werken wie Michael Crichtons „Schwarze Nebel“ (später von John McTiernan unter dem Titel „Der 13. Krieger“ verfilmt) sind die inhaltlichen Parallelen mitunter nicht von der Hand zu weisen. Die letzte Beowulf-Verfilmung stammt aus dem vergangenen Jahr mit Sturla Gunnarssons Beowulf und Grendel mit Stellan Skarsgard (Pirates Of The Caribbean - Am Ende der Welt) und Gerard Butler (300) in den Hauptrollen. Doch mit dieser geerdeten, auf Realismus getrimmten Wikinger-Mär hat Robert Zemeckis Version des Themas nicht mehr viel zu tun.

    Bereits nach wenigen Minuten sind die Fronten geklärt: Beim ersten Angriff von Grendel auf die große Halle von Hrothgars Königreich fliegen dessen Gegner nicht nur im hohen Bogen durch die Luft, sie werden bisweilen auch genüsslich in zwei Teile gerissen. Die Inszenierung dieser ersten großen Kampfsequenz mit ihren interessanten Licht- und Schattenspielen im Halbdunkel ist gefällig und macht Lust auf mehr. Doch im Folgenden gehen die Gäule mit Zemeckis teils ganz gehörig durch. Die Inszenierung der Action-Sequenzen ist in den meisten Fällen einfach vollkommen überzogen und teils mächtig albern (Stichwort: Seeungeheuer). Als es bereits relativ früh im Film zur großen Auseinandersetzung zwischen Beowulf und Grendel kommt, macht Beowulf mit seiner Luftakrobatik nicht nur Spider-Man gehörig Konkurrenz, sondern sorgt auch für den ersten (unfreiwilligen) komödiantischen Höhepunkt: Beowulf stellt sich seinem Widersacher wie die Götter ihn schufen (sprich: nackt) und zur allgemeinen Erheiterung befindet sich im Kampfgetümmel immer irgendein Gegenstand vor dessen Männlichkeit. Die Simpsons - Der Film lässt grüßen. Peinlicher ist eigentlich nur noch der Auftritt von Angelina Jolie bzw. deren Gestaltung als Dämon. Diese ist ebenfalls nackt (was natürlich nett anzuschauen ist), trägt aber mit den Füßen verwachsene, fleischfarbene High Heels. Der Dämon von Welt legte offenbar schon immer wert auf ein modisches Auftreten…

    So sehr es Zemeckis mit der Inszenierung der Action-Szenen auch übertreibt, so krankt „Die Legende von Beowulf“ umgekehrt allerdings auch an einer gewissen Behäbigkeit. Wenn es gerade einmal nicht irgendwelchen Dämonen oder Monstern an den Kragen geht, schleichen sich immer wieder zähere Passagen und selbstverliebte Kamerafahrten ein. Dieses zweite Manko fällt jedoch wegen der optischen Wucht des Films nicht weiter in Gewicht. Selbst wenn die Kamera zum wiederholten Mal zu einer Fahrt durch die Wälder und Höhlen von Hrothgars Königreich ansetzt, wird dies im Grunde nicht wirklich langweilig. Noch vor zehn Jahren wäre eine solche Perfektion im Bereich der Computeranimation nicht vorstellbar gewesen. Zugegeben: Eine technische Revolution bleibt zwar aus, Zemeckis und sein Team gehen jedoch bis an die Grenzen des derzeit Machbaren. Schwer zu beurteilen ist indes die schauspielerische Leistung der einzelnen Darsteller. Im Grunde ist die Frage, wie viel von der ursprünglichen Performance überhaupt noch seinen Weg auf die Leinwand gefunden hat, nicht zu beantworten. Man vergleiche nur einmal den eigentlich bierbäuchigen Ray Winstone Sexy Beast in Natura und im fertigen Endprodukt als Beowulf. Von solch perfekt definierten Muskelpaketen hat der Engländer zuvor wahrscheinlich nicht einmal geträumt.

    Fazit: Im Grunde ist „Die Legende von Beowulf“ nicht mehr und nicht weniger als eine beeindruckende technische Spielerei und richtet sich somit primär an all jene, die den aktuellen technischen Stand in Augenschein nehmen wollen. Wer den Film jedoch in seiner ganzen Pracht erleben möchte, sollte unbedingt darauf achten, dass das jeweilige Kino den Film in Digital 3D spielt oder sich gleich direkt in ein IMAX-Kino aufmachen. Denn bei einer herkömmlichen Vorführung verlieren die zahlreichen netten 3D-Effekte naturgemäß deutlich von ihrem Reiz.

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