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    16 Blocks
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    16 Blocks
    Von Carsten Baumgardt

    „Jeder kann sich zum Besseren ändern!“ Diese wenig originelle Glückskeksweisheit ist die Essenz von Richard Donners hervorragend gespieltem Cop-Thriller „16 Blocks“. Für die Hauptfigur Jack Mosley ist eine Besserung auch dringend notwenig, denn der von Bruce Willis famos dargestellte New Yorker Polizist ist wahrscheinlich der schlechteste der ganzen Filmgeschichte – abgesehen von Klamaukrollen à la „Die nackte Kanone“. Der Film ist nur einem ernsthaften Dilemma ausgesetzt: Die Logik wird an dermaßen vielen Stellen so stark gebeugt, dass es bedenklich ist. Aber ohne die ein oder andere hanebüchene Wendung hätte es einfach keinen „16 Blocks“ gegeben. Das wäre schließlich auch wieder schade.

    NYPD-Detective Jack Mosley (Bruce Willis) ist nervlich und körperlich am Ende. Vom Leben ausgezehrt, schleppt er sich nach einem abendlichen Date mit einer Flasche Whiskey verkatert zur Arbeit. Sein Elan ist noch im Negativbereich unter Null zu suchen, aber sein Vorgesetzter drückt ihm einen scheinbar einfachen Auftrag in die Hand. Er soll den Kleinkriminellen Eddie Bunker (Mos Def) aus seiner Zelle zu einem Untersuchungsausschuss vor Gericht fahren, damit er dort eine Aussage machen kann. Die 16 Blocks Entfernung lassen sich locker in 15 Minuten schaffen, doch es kommt anders. Unterwegs muss sich Mosley neuen Whiskey besorgen. Während der Cop im Schnapsladen einkehrt, wird auf Bunker ein Mordanschlag verübt, den Mosley gerade noch vereiteln kann, indem er einen der Angreifer erschießt. Er flüchtet im Kugelhagel mit seinem Häftling in eine Bar und ruft Verstärkung. Sein langjähriger Partner Frank Nugent (David Morse) will die Angelegenheit übernehmen, doch dessen Verhalten lässt Mosley misstrauisch werden. Nugent will Bunker liquidieren, weil er in dem Prozess gegen korrupte Polizisten aussagen will. Er stellt Mosley vor die Wahl: mitspielen oder sterben. Er entscheidet sich für die dritte Lösung und macht sich mit Bunker auf die Flucht durch die Straßenschluchten New Yorks...

    „16 Blocks“ ist ein lupenreines Stück Kintopp. Wer sich mit der abenteuerlichen Prämisse des Films nicht anfreunden kann, wird an dem hitzigen Cop-Drama keinerlei Spaß haben und schimpfend aus dem Kino laufen. Die Prinzipien der Glaubwürdigkeiten werden schon arg strapaziert, wenn der trägste Cop New Yorks nach und nach sein Gewissen entdeckt und sich für ein hoffnungsloses Himmelfahrtskommando gegen die gesamte New Yorker Polizei entscheidet. Dass er seine noblen Absichten keiner geeigneten Person mitteilen kann, um den Wahnsinn zu stoppen, entbehrt auch jeder Logik, die im Dienste der Dramaturgie hinten anstehen muss. Aber wenn diese beiden fetten Kröten mit Murren erfolgreich geschluckt sind, kann sich „16 Blocks“ zu einem packenden Film entwickeln.

    Richard Donner ging 2003 mit dem Zeitreise-Desaster Timeline (nach einem Bestseller von Michael Crichton) an den Start und wurde von der Fachpresse zurecht windelweich geprügelt und vom zahlenden Publikum mit Nichterscheinen im Kinosaal abgestraft. Der Film war einer der großen Flops der Saison. Von diesem Waterloo hat sich der „Lethal Weapon“-Regisseur sichtlich erholt, auch wenn „16 Blocks“ kein klassischer Stoff für lange Schlangen an der Kinokasse ist (was sich in den USA bestätigt). Schauspieler und Atmosphäre: Das sind die zwei Asse, die Donner aus dem Ärmel schüttelt. Der Regisseur hetzt sein Personal an einem glühend heißen Sommertag durch die belebten Straßen von Chinatown und der Bowery in New York. Die Beklemmung der schwitzenden Protagonisten ist auf der Leinwand spürbar, die von Kameramann Glen MacPherson (Walking Tall, Exit Wounds) eingefangenen Bilder ergänzen die atmosphärische Dichte sehr schön.

    Bruce Willis (Pulp Fiction, Stirb langsam, „12 Monkeys“), der von seinen letzten sechs Filmen („Banditen“, Das Tribunal, Traenen der Sonne, Keine halben Sachen 2, Hostage...) nur einen (Sin City) zu einem Hit führen konnte, liefert eine der besten Vorstellungen seine Karriere ab. Die Maske verwandelt den Superstar in einen schweren Alkoholiker, der fiese Schnurrbart und die dicke Wampe tun ihr übriges zur Demontage des sonstigen Actionstars. Für die Dreharbeiten legte sich Willis ein kleines Steinchen in den Schuh, so dass sein ewiges Humpeln echt wirkt. Auch wenn die Weiterentwicklung des Cops vom Totalausfall zum moralisch astreinen Helden nicht wirklich überzeugend ist, ist es der Verdienst von Willis, dass der Zuschauer diesem Treiben dennoch zusehen möchte. Sein Charakterporträt ist einfach sehenswert. Sein Sidekick Mos Def (Per Anhalter durch die Galaxis, The Italian Job, The Woodsman) hat es da schwer, mitzuhalten. Dazu schleppt er das Handicap mit, dass seine Filmfigur Eddie Banker mit einer merkwürdigen Mickey-Mouse-Stimme zu sprechen hat, die in der Synchronisation übrigens nicht übersetzbar ist. Ist das Nervpotenzial akzeptiert, bildet Def mit Willis ein zwar sonderbares, aber interessantes Gespann. Die typischen Buddy-Movie-Motive greifen auch hier, aber eine Variation zu den üblichen Strickmustern ist schon erkennbar. Auf der Bösewichtseite liefert David Morse (Contact, Dreamer, Hearts In Atlantis) eine tadellose Leistung ab, leidet aber darunter, dass seine Rolle sehr klischeelastig (Typ: der böse korrupte Cop) ausfällt und sich am Ende den Gesetzen des Genres beugen muss (selbst die Nummer mit dem Tonbandgerät bleibt ihm nicht erspart).

    Inszenatorisch hat Richard Donner einige sehr ansprechende Sequenzen zu bieten, bei denen aber nicht die offensichtliche Action große Freude bereitet, sondern die atmosphärische Montage. Das Drehen nahezu in Echtzeit verleiht der Story zusätzliche Dynamik. Auch wenn das Buddy-Gespann ein Aspekt der Handlung ist und Mos Def in einer Tour plappert, ist „16 Blocks“ doch erstaunlich erwachsen, die Humoreinlagen sind nur sehr dezent und begrenzt. Donner meint es ernst mit seiner Moralfabel unter dem Deckmantel eines Cop-Thrillers. Dabei kann er bei allem Edelmut leider nicht verhindern, dass es am Schluss allzu süßlich wird. Positives und Negatives halten sich letztlich fast die Waage, aber ein hauchdünner Punktsieg für die Gerechtigkeit ist vertretbar.

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