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    Bombón – Eine Geschichte aus Patagonien
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bombón – Eine Geschichte aus Patagonien
    Von Lars Lachmann

    Unterschiedliche Mischformen aus Dokumentar- und Spielfilm erfreuen sich im Bereich des Independent-Kinos zurzeit offenbar großer Beliebtheit. Neben Byambasuren Davaas „Die Höhle des gelben Hundes“ kommt mit Carlos Sorins Doku-Drama „Bombón – El Perro“ in diesem Sommer gleich ein weiterer Film dieser Kategorie auf die Leinwand, bei dem ebenfalls ein Vierbeiner im Zentrum des Geschehens steht. Wie schon bei seinem vorigen Film „Historias Mínimas“ (2002) hat Sorin es auch diesmal vorgezogen, die Rollen in erster Linie mit Laiendarstellern zu besetzen.

    Juan Villegas (Juan Villegas) ist von Beruf Automechaniker. Die Tankstelle, auf der er die vergangenen zwanzig Jahre gearbeitet hat, wird verkauft und Juan verliert seinen Job. Für den 52-Jährigen ist es nicht einfach, eine neue Stelle zu bekommen und nebenbei versucht er, selbst gefertigte Messer mit kunstvoll geschnitzten Griffen zu verkaufen. Doch trotz deren hochwertiger Qualität kann er seine Kunstwerke nicht an den Mann bringen, denn niemand ist bereit, sich den Luxus zu leisten und einen angemessenen Preis zu zahlen. Ein Wendepunkt tritt ein, als er auf der Landstraße einer jungen Frau begegnet, deren Wagen den Geist aufgegeben hat. Er hilft ihr, das Fahrzeug zum Grundstück ihrer Mutter zu transportieren und macht sich sogleich an die Reparatur. Als Dank erhält er von den beiden den argentinischen Dogo Bombón (Gregorio), mit dem der verstorbene Vater der Familie, ein Franzose, einst eine Hundezucht „Le Chien“ eröffnen wollte. Schnell erregt Juan allerorts Aufsehen mit dem schönen Tier, was zunächst einmal dazu führt, dass ihm vorübergehend ein Job als Wachmann angeboten wird. Schließlich trifft er auf Walter Donado (Walter Donado), der Hunde für Schauveranstaltungen abrichtet. Dieser überredet ihn, Bombón zu trainieren und gemeinsam ihr Glück auf der nächsten Hundeschau zu versuchen...

    Juan und Bombón haben im Grunde eine ähnliche Ausgangssituation. Beide befinden sich auf einem gesellschaftlichen Abstellgleis, auf welches sie durch jeweilige äußere Umstände gelangt sind: Juan sieht sich mit seiner Arbeitslosigkeit konfrontiert und auch Bombón bleibt mit dem Tod des ehemaligen Besitzers seine ursprünglich vorgesehene Bestimmung als Begründer einer Hundezucht verwehrt. Durch einen Zufall werden die beiden Partner und allmählich zu einem fast unschlagbaren Team. Auf dem Weg dorthin machen beide – zum Teil auch unabhängig voneinander – eine persönliche Entwicklung durch, die sie über die Grenzen des bisher Bekannten hinaus führt. Beide müssen ihre vertrauten Pfade verlassen, um sowohl ihren Platz in der Gesellschaft als auch ihr jeweiliges Liebesleben neu für sich entdecken und definieren zu können.

    „Bombón – El Perro“ erzählt eine einfache Geschichte von einfachen Leuten mit einfachen Mitteln. „Minimalismus“ heißt das Stichwort – und in dieser Hinsicht lässt sich Carlos Sorins Werk durchaus mit dem Oeuvre Aki Kaurismäkis („Der Mann ohne Vergangenheit“) vergleichen. Auch hier geht es um die Träume und Hoffnungen von Menschen, deren Lebenslage ohne diese kaum erträglich wäre. Auch hier spiegeln sich die Tragik und die Komik des Alltags als essenzielle Zutaten in der Darstellung einer realen Lebenswelt wider. Ein Paradebeispiel die Szene, in der Juan bei der Bank den ersten Lohn für seine Wachtätigkeit einlösen will und der Wachmann der Bank ihm den Zutritt mit dem Hund verwehrt. Die Situation kehrt sich schlagartig um, als der Bankdirektor, ein Hundenarr, Juan und seine Dogge auf seinem Weg in das Gebäude bemerkt und die beiden direkt in sein Arbeitszimmer führt, während er eine Angestellte mit der Einlösung des Schecks beauftragt.

    Carlos Sorin knüpft mit seinem Film ganz bewusst an den gegenwärtigen Independent-Trend zum Grenzbereich zwischen Dokumentation und Spielfilm an. Die Arbeit mit Laiendarstellern hat sich für ihn in diesem Zusammenhang als ideale Vorgehensweise für eine Erzählform erwiesen, bei der die auftretenden Figuren „zum größten Teil ,sind‘, statt dass sie ,zu sein vorgeben‘.“ So ist der Hauptdarsteller Juan Villegas beispielsweise auch im wirklichen Leben Mechaniker und betreibt eine eigene Autowerkstatt. „Die Darsteller“, so Sorin, „sollten gar nicht erst versuchen, sich als Schauspieler zu gerieren – die meisten wären ohnehin schlechte Darsteller –, es sei denn, sie täten dies als Akteure ihrer selbst.“ Tatsächlich geht diese Rechnung auf, denn gerade der gestische und mimische Ausdruck Villegas‘ passen oftmals so perfekt zur jeweiligen Erzählsituation, dass sich mit professionellen Schauspielern kaum ein höherer Authentizitätsgrad erreichen ließe. Nicht nur deshalb bietet „Bombón – El Perro“ auch einen interessanten Einblick in das tägliche Leben der Einwohner Patagoniens, dessen karge Schönheit in zahlreichen Kameraeinstellungen zu bewundern ist.

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