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    Zähl bis drei und bete
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Zähl bis drei und bete
    Von Björn Becher

    Western-Klassiker gibt es viele. Kein Wunder, war dieses Genre doch lange das wichtigste und profitabelste, nicht nur in den USA, sondern später auch in Europa (die Spaghetti-Western-Welle), so dass die Stars vor und hinter der Kamera oft in Western mitspielten. Heute gibt es kaum neue Filme in dieser fast toten Gattung. Doch James Mangold (Identität, Walk The Line) hat sich wieder an ein solches Werk gewagt. Als Vorlage für seinen Todeszug nach Yuma nahm er sich Delmer Daves „Zähl bis drei und bete“ und trifft damit eine vorzügliche Wahl, die auch nachvollziehbar ist. Denn Daves Film ist trotz üblicher Elemente weit entfernt vom klassischen Western. Ein mit seiner erstklassigen Charakterzeichnung überzeugendes Duell zweier Männer, das völlig unabhängig von seinem Genre funktioniert, womit beide Filme etwas gemeinsam haben. Eine zweite Gemeinsamkeit der Werke, die im Original jeweils „3:10 To Yuma“ heißen, ist ein reißerischer, aber unpassender, deutscher Titel.

    Sein Hochmut und eine schöne Frau kosten dem Banditen Ben Wade (Glenn Ford) die Freiheit. Nach einem Überfall auf eine Postkutsche lässt er es sich nicht nehmen, diesen bei den überalterten und betrunkenen Behörden im nächsten Ort selbst zur Anzeige zu bringen und so die Verfolger in die falsche Richtung zu schicken. Doch weil er in der Einöde auch noch die schöne Emmy (Felicia Farr) entdeckt, beschließt Wade, im Ort zu verweilen und schickt seine Männer schon einmal weg. Da die Verfolger bei ihrer Suche auf den Farmer Dan Evans (Van Heflin) treffen, der den Überfall hilflos mit ansehen musste, wird ihnen ihr Irrtum bewusst. Mit einer List und durch die Hilfe von Evans gelingt den Gesetzesmännern die Verhaftung des Räubers. Weil die anderen Verbrecher aber bald zurückkehren werden, muss Wade auf einem unorthodoxen Weg weggeschafft werden. Man legt eine falsche Fährte für die Banditen und bringt deren Anführer erst auf die Farm von Evans und versteckt ihn dann in einem Hotelzimmer. Da für die Bewachung 200 Dollar ausgelobt werden und der verschuldete Evans genau diese Summe benötigt, meldet er sich freiwillig. Ihm zur Seite gesellen sich noch der rheumakranke Trunkenbold Alex Potter (Henry Jones) und Postkutscheneigentümer Butterfield (Robert Emhardt).

    „He`ll come back with the others and I’ll go free. And you’ll get shot.” (Wade zu Evans)

    Elmore Leonard gilt zu Recht als einer der interessantesten Thrillerautoren unserer Zeit. Einige seiner sich deutlich von den üblichen Regularien des Genres abhebenden Werke fanden auch den Weg auf die Kinoleinwand, so zum Beispiel Jackie Brown, Be Cool, Killshot und Out Of Sight). Doch kaum jemand erinnert sich daran, dass Leonard zu Beginn seiner Schriftstellerkarriere hauptsächlich Westerngeschichten schrieb, von denen ebenfalls einige verfilmt wurden. Den Anfang machten 1957 „Um Kopf und Kragen“ von Budd Boetticher sowie „Zähl bis drei und bete“. In beiden Filmen geht es im Wesentlichen um die Auseinandersetzung eines Farmers mit einem gefährlichen Banditen.

    Das Besondere an „Zähl bis drei und bete“, was Delmer Daves (Die schwarze Natter, „Der gebrochene Pfeil“) in seiner Umsetzung hervorragend einfängt, ist dabei das psychologische Duell zwischen den Widersachern sowie der Dauersuspensezustand. Ein Großteil des Films spielt in einem Hotelzimmer, in welchem Bewacher Evans und der Gefangene Wade darauf warten, dass im nahe gelegenen Bahnhof ein Zug einfährt, der Wade schließlich ins Gefängnis nach Yuma bringen soll. Zwischen dem intelligenten Verbrecher und dem ehrlichen, aber armen Farmer entwickelt sich dabei ein exzellentes Psychospiel. Wade ist trotz der Fesseln der Überlegene, er kocht den Farmer langsam mürbe, während dieser sich immer mehr an seine Ehrlichkeit und den Willen seiner Frau zu beweisen, dass er kein Feigling ist, klammern muss. Evans kommt immer mehr ins Schwitzen und von Minute zu Minute schwindet die Zuversicht, den Gefangenen wirklich in den Zug verfrachten zu könnten, ist sich dieser immerzu sicher, aus seiner Lage herauszukommen. Im Gegensatz zu Mangold in seinem glücklicherweise sehr eigenständigen und nicht nur das Original repetierenden Remake gilt Daves’ Konzentration völlig den beiden Protagonisten. Die anderen Charaktere sind nur Randfiguren, die nur ganz selten eingesetzt werden, um dem Handlungsverlauf eine kleine Richtungsänderung oder einen kurzen Geschwindigkeitskick zu versetzen.

    Das Kalkül, die komplette Last des Films auf die beiden Protagonisten zu schultern, geht nur Dank zweier hervorragender Darsteller und eines exzellenten Schachzugs der Casting-Abteilung auf. Van Heflin und Glenn Ford spielen genau die entgegen gesetzten Rollen, die man erwarten würde. Trotz einiger eindrucksvoller Darstellungen im Western-Genre, zum Beispiel in „Shane“ oder als paranoider Goldsucher in der hoch spannenden „Der Schatz der Sierra Madre“-Variante „Das Gold von Sam Cooper“ fehlte Heflin immer das Charisma zum Star. Auch hier geht ihm das völlig ab und so erstaunlich das klingen mag, das ist auch gut so. Das Spiel gewinnt seinen besonderen Reiz, weil der eigentlich Aufrichtige und Gute so ein steifer, unsympathischer Langweiler ist und ihm gegenüber ein charismatischer und sympathischer Bösewicht steht. Glenn Ford (Superman, Gilda) spielte meist die Helden-Rollen, manchmal auch tiefe Klischee-Figuren, die dem Bösen heroenhaft entgegentreten. In der Rolle des Banditen Wade kann er seinen natürlichen Charme, der ihm die Herzen der Frauen zufliegen ließ, voll einbringen. Ford sagte in Interviews immer wieder, er spiele bei jeder Figur einfach nur sich selbst. Das hat kein anderer Autor besser zu nutzen gewusst als Halsted Welles hier. Dass ein stetiges Augenzwinkern seine Darstellung begleitet, ist das perfekte Bonbon.

    Regisseur Delmer Daves kleidet sein Duell in eine gekonnte Schwarz-Weiß-Bebilderung, die gerade gegenüber dem imposanten Stil vieler John-Ford-Western (Der Teufelshauptmann, Der schwarze Falke) sehr reduziert wirkt und dabei ein wenig an Fred Zinnemanns Meisterwerk 12 Uhr mittags erinnert. Dass sehr auf die Figuren konzentrierte Bild verstärkt aber die Spannung und sorgt mit den Schauspielern, der gelungenen Charakterisierung der Hauptfiguren und dem ironischen Ende dafür, dass „Zähl bis drei und bete“ zu den Western-Klassikern gehört, obwohl oder gerade, weil er kein so typischer Genre-Vertreter ist (der Film kommt zum Beispiel auch mit nur ganz wenigen Shootouts und fast keiner Action aus).

    „That's all right, I've broken out of Yuma before.” (Wade zu Evans)

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