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    Das Mädchen aus dem Wasser
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Das Mädchen aus dem Wasser
    Von Carsten Baumgardt

    Wer in der Welt ist in der privilegierten Position, seinen Kindern eine 75 Millionen Dollar teure, selbsterdachte Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen? Steven Spielberg wäre ein potenzieller Kandidat, aber der schwor dieser Art von Filmen mittlerweile ab. Nein, es ist M. Night Shyamalan, der mit dem Mystery-Märchen „Das Mädchen aus dem Wasser“ zum beispiellosen Egotrip ansetzt und dem weltweiten Publikum seine persönliche Bedtime Story zum Konsum vorsetzt. Das Problem: Bei der Erschaffung einer eigenständigen Mythologie langweilt Shyamalan seine Jünger über weite Strecken. Der meisterhafte Erzähler hat sich mit „Das Mädchen aus dem Wasser“ schwer verhoben.

    Cleveland Heep (Paul Giamatti) führt ein zurückhaltendes Leben als Hausmeister eines Apartment-Komplexes in der Vorstadt von Philadelphia. Möglichst nicht auffallen, lautet seine Devise. Doch das beschauliche Leben mit gesenktem Haupt hat ein Ende, als die mysteriöse Story (Bryce Dallas Howard) eines Nachts aus dem Pool entsteigt und Heep nach einem fatalen Ausrutscher vor dem Ertrinken rettet. Die nixenartige junge Frau gibt dem verdutzten Hausmeister Rätsel auf. Mit Hilfe der Nachbarin Mrs. Choi (June Kyoko Lu) und ihrer Tochter Young-Soon (Cindy Cheung) findet er heraus, dass sie eigentlich ein „Narf“ ist, unter dem Pool haust und plötzlich in die Welt der Menschen getreten ist. Sie möchte zurückkehren, doch hyänenartige, finstere Kreaturen bekämpfen sie und wollen ihre Rückkehr mit allen Mitteln verhindern. Heep und Story müssen eine Codeserie entschlüsseln, um sie wieder in ihr Reich befördern zu können. Doch das Zeitfenster ist nicht sehr groß. Die Bewohner des Apartment-Hauses „The Cove“ sind eng mit dem Schicksal Storys verknüpft und Heep muss sie an der Spitze führen, um die Mission erfolgreich abzuschließen...

    Nachdem seine ersten beiden Regiearbeiten „Praying With Anger“ (1992) und „Wild Awake“ (1998) von der Filmwelt nicht zur Kenntnis genommen wurden, katapultierte sich der in Indien geborene, aber in einem Vorort von Philadelphia aufgewachsene M. Night Shyamalan mit dem Mystery-Thriller The Sixth Sense aus dem Nichts in die Riege der bedeutenden Regisseure Hollywoods. Der Film wurde nicht nur ein Monster-Erfolg, sondern versetzte das Publikum mit einem der grandiosesten Filmenden der Geschichte in Ekstase. Mit seinen Nachfolge-Werken Unbreakable, Signs und The Village kopierte Shyamalan dieses Konzept, das mit zunehmender Dauer immer größere Abnutzungserscheinungen aufweist. Der Hammerschlag von einem Story-Twist am Ende ist zu Shyamalans Markenzeichen geworden. Doch bereits beim vierten Kaninchen-aus-dem-Hut-Trick wollte ein Teil der Fans nicht mehr mitmachen und begann bei „The Village“ zu murren.

    Für „Das Mädchen aus dem Wasser“ verzichtete der Regisseur auf ein überraschendes Ende. Kurios: Obwohl es angenehm ist, dass sich Shyamalan einmal nicht selbst wiederholt, wartet man lange Zeit einfach darauf, dass der Meister dem Geschehen mit einem Donnerschlag einen Sinn gibt. Doch der bleibt aus. Der Film entstand aus einer improvisierten Gute-Nacht-Geschichte, die er seinen Kindern erzählte. „Wenn ich meinen Kids etwas erzähle, schere ich mich nicht um Formfragen – was mir gerade einfällt, sprudelt einfach so aus mir heraus“, berichtet Shyamalan über seine Motivation. Aus dem Satz „Wisst ihr eigentlich, dass jemand unter unserem Pool wohnt?“, sponn der Filmemacher eine Art Odyssee, wie er es selbst nennt. Allerdings fällt es schwer, ihm zu folgen. Die Gesetze der Logik müssen bei einem Mystery-Märchen nicht in Kraft sein, aber selbst dem inneren Rhythmus hinterher zu hecheln, fällt nicht leicht. Das Problem dabei: „Das Mädchen aus dem Wasser“ gelingt es nicht, zu fesseln. Die Spannungskurve pendelt sich auf zu niedrigem Niveau ein.

    Eines ist Shyamalan natürlich nicht abzusprechen: Der Mann ist ein herausragender Geschichtenerzähler. Und selbst wenn „Das Mädchen aus dem Wasser“ sein bisher schwächster Großfilm ist, so ist das Werk trotzdem keine Katastrophe. Auch wenn die Hochspannung fehlt, kommt dennoch eine eigene Atmosphäre auf, die für das Geschick des Filmemachers spricht. Der Mut, seine eigene Vision konsequent zu verwirklichen, ist ebenso lobenswert, selbst wenn er damit gegen die Wand fährt. Das würde sich kaum jemand trauen. Doch weil Shyamalans Filme derart erfolgreich waren, hat selbst das Warner Studio ihn nicht stoppen wollen.

    Schauspielerisch darf der Mystery-Spezialist wie immer aus dem Vollen schöpfen. Sideways-Offenbarung Paul Giamatti (American Splendor, Das Comeback) sagte blind zu, mitzuspielen. Was der begnadete Giamatti allein mit der um eine winzige Nuance veränderten Stimmlage anstellen kann, ist schon außergewöhnlich. Diese leise Melancholie im Organ zog Shyamalan magisch an. Giamatti bringt dieses Talent auch in der Figur des Gefallenen Cleveland Heep ein, der nach schmerzlichem Verlust als stotternder Duckmäuser den aufrechten Gang wieder erlernen muss. Die fein ausbalancierte Performance ist eindeutig auf der Habenseite einzuordnen. Bryce Dallas Howard (The Village, Manderlay) hat als nymphenartige Story lediglich die Aufgabe, möglichst fragil zu wirken und den Beschützerinstinkt von Heep bzw. des Publikums zu wecken. Das gelingt der Tochter von Ron Howard (The Da Vinci Code - Sakrileg, A Beautiful Mind, Apollo 13) solide, mehr aber auch nicht. Darüber hinaus bleibt sie blass.

    Ansonsten tut sich noch Bob Balaban (Capote, Gosford Park) als Filmkritiker positiv hervor. Doch genau in dieser Figur ergibt sich eine weitere Ungereimtheit. Während Shyamalan seinen bewusst naiv kalkulierten Mythos weiter und weiter spinnt, bricht der ironische Charakter des Schreibers diesen Prozess jäh. Und das, obwohl die Szenen ganz allein für sich betrachtet, höchst amüsant sind, wenn Balaban Genre-Gesetze zitiert und seine Mitstreiter damit im Endeffekt aufs Glatteis führt. Die Stimmungen dieser Sequenzen harmonieren einfach nicht mit dem Rest des Films. Davor wurde Shyamalan übrigens von Disney gewarnt. Ebenso wie vor der Idee, diesmal über das eigene Cameo hinaus zu gehen und eine tragende Nebenrolle auszufüllen. Doch an dieser Stelle überrascht der Regisseur tatsächlich mit Talent und einem gewissen Charisma. Das Ende vom Lied: Shyamalan setzte seinen Kopf durch und verließ Disney, um mit seinem Projekt bei Warner unter zu kommen.

    „Das Mädchen aus dem Wasser“ erinnert stilistisch und im Ton ein wenig an Steven Spielbergs Vollendung der Stanley-Kubrick-Vision A.I. - Künstliche Intelligenz. Doch während Spielberg eine bemerkenswerte märchenhafte Sci-Fi-Parabel wie aus einem Guss vorlegte, wollen sich bei Shyamalan die Puzzlestücke nur stotternd zusammenfügen. Der Ursprung als improvisierte Gute-Nacht-Geschichte tut dem Gesamtwerk nicht gut. Der Humor gleitet gelegentlich ins Alberne ab, was sich besonders im Charakter der Mrs. Choi manifestiert. Die selbst eingeräumten Lücken hätte Shyamalan schließen müssen, da er nicht nur seine Kinder, sondern ein weltweites Publikum von seiner Mythologie überzeugen will. Solch fabelhafte Sequenzen, wie Heeps märchenhafte Unterwassererkundung von Storys Universum unter dem Pool ragen als Einzelstücke heraus, aber die verklausulierte Codeentschlüsselung, die von James Newton Howards furchtbar süßlichem Score zugekleistert wird, ist nicht packend genug. Zu beliebig werden die dem Personal zugedachten Schlüsselrollen gewechselt, als dass es am Ende noch interessieren würde, wer was ausfüllen soll.

    Mit „Das Mädchen aus dem Wasser“ wird sich offenbaren, wohin Shymalans Karriere führt. Ein kommerziell passables Startwochenende ergibt sich rein aus seiner Reputation. Doch sollte der selbstverliebte Shyamalan auch aus diesem Stoff einen fabulösen Box-Office-Hit machen, wird sich ihm in Zukunft auch kein Produzent in den Weg stellen, sollte er vorhaben, das Telefonbuch von Philadelphia prominent besetzt zu verfilmen...

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