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    Chanson D'Amour
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Chanson D'Amour
    Von Christoph Petersen

    Frankreichs Superstar Gérard Depardieu ist per se eine eindrucksvolle Erscheinung. Und meist wird er auch für ebensolche Rollen besetzt – egal ob als harter Mafioso in Bertrand Bliers Wie sehr liebst Du mich? oder als knuddeliger Teddybär-Obelix in den Asterix-Realverfilmungen, immer steht Depardieus einnehmender Charme im Vordergrund seines Spiels. Da ist es ebenso erfrischend wie aufschlussreich, wenn er in Xavier Giannolis humorvollen Drama „Chanson D´Amour“ mal einen Chanson-Sänger verkörpert, der sich in seiner eigenen charmanten Bühnenfassade verfangen hat. So geht Depardieu noch einen Schritt weiter als üblich, legt noch eine weitere Ebene seiner Figur und von sich selbst offen. Dabei gibt er seine gebrochene Figur mit viel Selbstironie, aber auch genug Ernsthaftigkeit und Wärme, so dass der Zuschauer auf ebenso unterhaltsame wie berührende Weise am Schicksal des großen kleinen Chansonniers teilhaben kann.

    Alain Moreau (Gérard Depardieu) ist zwar nicht glücklich, aber er hat sich in seinem Leben eingerichtet. Zwischen Discoabenden, von denen sein Rentner-Publikum auch schon mal mit einem Rasenmäher aus der Tombola nach Hause geht, und undankbaren Restaurant-Musikabenden fristet der Chansonniere sein unbefriedigendes Dasein. Zwar muss er nicht komplett ohne persönliche Beziehungen auskommen, immerhin ist seine Exfrau Michele (Christine Citti) noch immer seine Managerin und beste Freundin, aber sie wird bald Philippe (Alain Chanone) heiraten. Da stellt sein Freund Bruno (Mathieu Amalric) Alain die junge Immobilienmaklerin Marion (Cécile De France) vor – der Abend endet in einem One-Night-Stand, von dem sich Marion am nächsten Morgen heimlich davonschleicht. Aber Alain hat sich verliebt und versucht, Marion doch noch von einer gemeinsamen Zukunft zu überzeugen. Sogar ein Haus will er von ihr kaufen, um ihr weiterhin nahe sein zu können. Und während Alain Marion seine Lebensgeschichte erzählt, referiert diese routiniert über die vielen Vorzüge des modernen Badezimmers…

    Nach einigen Minuten könne man meinen, Giannoli ginge es vor allem darum, mit „Chanson D´Amour“ Kritik am unmenschlich harten Schlager-(Chanson)-Geschäft zu üben. Aber glücklicherweise bleibt es, auch wenn sich dieses interessante Thema immer nebenbei mit durch den Film schlängeln, nicht bloß dabei. Schnell beginnt eine kurze, zwar sehr intime, aber immer nur vorsichtig angedeutete Liebesgeschichte, deren flüssige – fast schwebende - Erzählweise durchaus in der Tradition der ganz großen französischen Filmemacher steht. Kurz vor Schluss stellt sich dann zwar noch zwischenzeitlich das Gefühl ein, die kleine Geschichte würde nun in zu große Bahnen abgleiten, aber sie fängt sich doch noch rechtzeitig und Giannoli lässt sie genauso gelungen intim ausklingen, wie er sie begonnen hat.

    Auch wenn Depardieu in seiner langen Karriere schon solch großen Rollen wie den Widerstandkämpfer Granger in Francois Truffauts „Die letzte Metro“ oder den Cyrano de Bergerac in der gleichnamigen Verfilmung von Jean-Paul Rappenau verkörpert hat, gehört die Figur des Chansonniers in „Chanson D´Amour“, gerade weil er hier nicht mit seiner schier übermenschlichen Präsenz, sondern im Gegenteil mit den ganz kleinen Gesten überzeugen muss, wohl zu seinen anspruchvollsten. Eine schwierige Aufgabe, die er aber einmal mehr mit absoluter Bravour meistert. Hinzu kommt natürlich auch noch, dass Depardieu bei den Auftritten seiner Figur selber singt – dabei ist seine Stimme zwar alles andere als Boygroup-tauglich, aber mit seiner tiefen, rauen Art gewinnt er selbst den oberflächlichsten Schnulzen noch eine einnehmende Nuance ab. Schon seit einigen Jahren gehört die mittlerweile 31-jährige Cécile De France (Ein perfekter Platz), die vor allem mit Cédric Klapischs Ensemblekomödie L´Auberge Espagnole und Alexandre Ajas Horrorschocker High Tension für erstes internationales Aufsehen sorgte, zu Frankreichs absoluten Shooting-Stars. Und wie sie in „Chanson D´Amour“ einmal mehr beweist, ist diese Stellung auch absolut berechtigt. Man kann ihr hier nämlich ohne jedes schlechte Gewissen eines der größten überhaupt denkbaren Komplimente machen – sie kann es bei ihren gemeinsamen Szenen mit Depardieu, auch wenn sie in ihren einsameren Momenten noch beeindruckender aufspielt, ohne weiteres durchaus mit dem Schauspiel-Urgestein aufnehmen.

    Regisseur Giannoli versucht nicht einmal, sich gegen Depardieu zu behaupten und sich so in den Vordergrund zu drängeln. Sobald Depardieu die Leinwand mit seinen beeindruckenden Auftritten in Beschlag nimmt, hält er meist nur noch stur drauf, lässt so die Kamera und damit auch den Zuschauer das große Schauspiel einfach nur genießen – erst im letzten Drittel traut er sich, auch Depardieu mit der einen oder anderen inszenatorischen Finesse zu unterstützen. Dafür trumpft Gianolli aber in den Depardieu-freien Szenen umso mehr mit seinen kleinen, aber wirkungsvollen Einfällen auf, mit denen er die verschiedenen Seiten der Persönlichkeit Alains noch einmal zusätzlich unterstreicht. So gibt es zum Beispiel eine hervorragende Sequenz, in der gleichzeitig ein stummer Rap-Videoclip über den Großbildfernseher flimmert, ein alter Chanson aus der Jukebox tönt und ein Ziegenbock durch das Wohnzimmer stromert – eine eindrucksvolle Metapher für Alains Situation: Seine alten Stücke, die langsam von immer neuen Moden verdrängt werden – dazu das Ziegenbock, der zum einen für die Absurdität dieser Figur, zum anderen aber auch für Alains kleine Verrücktheiten und seinen Willen, aus dieser Situation auszubrechen, steht. „Chanson D´Amour“ ist in erster Linie Depardieu – seine Gegner werden ihn hassen, seine Fans werden ihn lieben, und in dieser absoluten Hochform wird Depardieu mit Sicherheit auch die Herzen der meisten neutralen Zuschauer im Sturm für sich erobern können.

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