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    Lady Vengeance
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Lady Vengeance
    Von Björn Becher

    Nach dem grandiosen Sympathy For Mr. Vengeance und dem weltweit gefeierten Oldboy lässt Chan-wook Park nun den finalen dritten Teil seiner Rache-Trilogie auf den Zuschauer los. Im Mittelpunkt von "Sympathy For Lady Vengeance" steht wieder ein getriebener, gepeinigter Charakter. Nach den Männern in den Vorgängern, ist diesmal eine Frau an der Reihe. Das ist nicht der einzige Unterschied zu den beiden Vorgängern, gewinnt Chan-wook doch dem Thema ein weiteres Mal viele neue Facetten ab. Neben dem Grundmotiv "Rache" eint die Filme aber auch etwas: Die durchgehend hohe Qualität, hier macht "Sympathy For Lady Vengeance" keinen Abstriche...

    13 Jahre saß Geum-ja Lee (Yeong-ae Lee) im Gefängnis. Sie soll im Alter von neunzehn Jahren einen kleinen Jungen ermordet haben. Sie hat die Tat gestanden. Noch geschockter als über die grausame Tat war die Öffentlichkeit damals über die Täterin. Wie konnte ein so junges, wunderhübsches, schier engelsgleiches Mädchen ein solches Verbrechen begehen? Im Gefängnis scheint Geum-ja sich nun gewandelt zu haben. Ein Priester ist überzeugt, dass er den Engel in ihr nach vorne gebracht und die Hexe vertrieben hat. Sie ist angesehen als freundliches und hilfsbereites Mädchen. Doch das alles ist nur Schein. Vom Tag ihrer Einlieferung ins Gefängnis hat Geum-ja an einem Plan gearbeitet – einem mörderischen Plan. Alles ist genauestens vorbereitet, ehemalige Mithäftlinge werden als Helfer eingesponnen und alles dient nur einem Ziel: Rache an Mr. Beak (Min-sik Choi)!

    Mit "Sympathy For Lady Vengeance" gelingt es Chan-wook Park wieder einmal, den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute in seinen Bann zu ziehen. Worum es geht, um Rache, ist schnell klar. Doch warum Geum-ja nach Rache dürstet, bleibt in seinen Einzelheiten erst einmal unklar. Hier erinnert der Film teilweise sogar an ein Suspense-Movie a la Hitchcock, dem Chan-wook Park im Film mit einer kurzen Reminiszenz an Die Vögel sogar huldigt.

    Vor allem ist Geum-ja in den ersten Minuten undurchschaubar. Waren ihre Vorgänger in Sympathy For Mr. Vengeance und Oldboy schnell als Opfer zu klassifizieren, die sich nun für die erlittenen Qualen revanchieren, sieht hier das Bild erst einmal anders aus... Der Charakter von Geum-ja ist nur schwer einzuordnen. Sie wirkt eiskalt und wild entschlossen, scheint ihr engelsgleiches Aussehen nur zu gebrauchen, um Leute zu täuschen und zu manipulieren und hat im Gefängnis gemordet. Man traut ihr den Mord zu, für den sie im Gefängnis saß. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern scheint man hier kein unschuldiges Opfer vor sich zu haben.

    Das ist aber nicht der wichtigste Unterschied zu den Vorgängern. Chan-wook hat es glücklicherweise vermieden, sich selbst zu kopieren und stattdessen dem Film einen anderen Anstrich als seinen vorangegangenen Filmen verpasst. "Sympathy For Lady Vengeance" ist zum Beispiel nicht annähernd so wild wie "Oldboy". Der Film ist ein sehr ruhiges, schönes, teilweise poetisches Werk. Begleitet von Orchesterklängen entblättern sich vor den Augen des Zuschauers vor allem in der ersten Hälfte strahlend helle Bilder, die vor Schönheit strotzen würden, wenn es nicht die brutale Geschichte gäbe, welche sie erzählen. Park Chan-wook nimmt sich Zeit um die Welt seiner Protagonisten zu beleuchten. Er zeigt das Gefängnisleben, zeigt Episoden aus dem Leben ihrer Mitinsassinnen, die nun zu wichtigen Rädchen in der großen Rachemaschinerie werden.

    "Sympathy For Lady Vengeance" ist in diesen Szenen vor allem ein hervorragendes und sehr intensives Drama, das die Rachestory erst einmal ein wenig zur Seite drängt. Diese gewinnt erst nach und nach mehr an Gewicht bis sie im Finale schließlich in brutaler Weise das Geschehen bestimmt. Hier setzt der Regisseur seinem hervorragenden Film das I-Tüpfelchen auf. Ohne Stellung zu beziehen, beleuchtet er noch einmal das Thema Selbstjustiz und fordert dabei den Zuschauer auf, sich selbst Gedanken zu machen. Nicht Racheengel Geum-ja steht plötzlich im Mittelpunkt, sondern einfache Bürger, die sich fragen müssen, ob sie aus Rache töten und Selbstjustiz üben wollen. Jeder könnte vor dieser Entscheidung stehen, scheint der Regisseur sagen zu wollen. Chan-wook geht hierbei ähnlich zu Werke, wie Clint Eastwood in Million Dollar Baby. Beiden Filmen ist gemein, dass im Finale Menschen vor einer schwierigen Entscheidung stehen (Sterbehilfe bzw. Selbstjustiz). Beide Regisseure lassen ihre Figuren sich für einen Weg entscheiden, vermeiden es dabei aber gekonnt, dem Zuschauer diesen Weg als die Lösung anzubieten oder sogar aufzudrängen. Der Zuschauer soll sich seine eigenen Gedanken zum Thema machen, was bei beiden Filmen hervorragend funktioniert.

    Man kann "Sympathy For Lady Vengeance" als den erwachsensten Film der Rachetrilogie bezeichnen. Er ist nicht mehr so hip und wild wie die Vorgänger, wird damit sicherlich gerade Fans von Oldboy auch ein bisschen vor den Kopf stoßen, eventuell sogar enttäuschen. Chan-wook Parks neuster Streich ist tiefgründiger als die beiden Vorgänger und vor allem langsamer, aber in seiner Gesamtheit nicht weniger intensiv.

    Die zauberhafte Yeong-ae Lee (für Chan-wook Park schon in Joint Security Area aktiv) erweist sich als Idealbesetzung für die Hauptrolle. Die Mischung aus Unschulds- und Racheengel, einmal mit Heiligenschein, einmal mit großer Kanone, wird von ihr erstklassig verkörpert. Auch das übrige Darstellerensemble vermag rundum zu überzeugen. Besonders erwähnenswert noch Min-sik Choi, der nach dem Gepeinigten in Oldboy nun als Peiniger auf der anderen Seite steht und in den wenigen Szenen, die er nur zur Verfügung hat, das Abgründige seines Charakters dem Zuschauer nahe bringt.

    "Sympathy For Lady Vengeance" ist einer der formal perfektesten Filme, die in jüngere Vergangenheit gedreht wurden. Wie es Chan-wook Park schafft, seine Bilder zu arrangieren, dabei leichtfüßig Rückblenden unterschiebt und mit den Bildern spielt, ist für sich schon bemerkenswert. Dazu kommt dann noch die famose Musikuntermalung durch das Moho Baroque Ensemble. Chan-wook Park stellt die formalen Spielereinen dabei aber nie über die eigentliche Story. Sie alimentieren diese nur. Chan-wook Park liefert nach den beiden anderen Rache-Filmen, dem sehenswerten Politthriller Joint Security Area sowie den harten Psychothriller „Cut", Teil des Kurzfilmprokets „Three...Extremes", einen weiteren eindrucksvollen Beweis seines Könnens ab. Dieser Film ist ein unbedingtes Muss!

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