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    Mitternachtsspitzen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Mitternachtsspitzen
    Von Ulrich Behrens

    „Pillow talk, pillow talk. Another night of hearin' myself talk, talk, talk, talk. Wonder how it would be to have someone to pillow talk with me. I wonder how. I wonder who. Pillow talk, pillow talk. Another night of bein' alone with pillow talk. When it's all said and done, two heads together can be better than one. That's what they say. They always say.” (1)

    Doris Day wurde am 3. April 80 Jahre alt. Seit 1968 war die Schauspielerin nicht mehr im Kino zu sehen, zog sich in ihr Privatleben zurück und gründete eine Stiftung, die Doris Day Animal League in Carmel, California. „Americas Sweetheart” der 50er und 60er Jahre hätte höchstwahrscheinlich nach 1968 auch nur wenig Erfolg im Kino gehabt, denn die Zeiten hatten sich geändert und auch das Kino. Mit Filmen wie „Bettgeflüster” (1959) an der Seite von Rock Hudson, aus dem der gleichnamige Schlager stammt, „Das Teufelsweib von Texas” (1967), „Eine zu viel im Bett” (1963), „Bitte nicht stören!” (1965), aber auch dem Hitchcock-Thriller „Der Mann, der zu viel wusste” (1956) – an der Seite von James Stewart – begründete die Aktrice ihren Ruf als ... – ja, als was eigentlich? In den 70er Jahren war es schick, Doris Day als Protagonistin eines kleinbürgerlich-konservativen Amerikas zu titulieren. Und tatsächlich erschien sie in ihren Filmen nicht gerade als Rebellin wider die Zeiten. Bei genauerem Hinsehen allerdings waren ihre Rollen der Zeit leicht voraus, denn sie verkörperte zwar eine Frau, die oberflächlich betrachtet stets ihren Film-Männern ergeben war. Doch gerade in „Der Mann, der zu viel wusste”, in der Jimmy Stewart seine Film-Frau des öfteren als „Kindchen” bezeichnete, erwies sich ihre Rolle als die einer Frau, die ihrem Partner an Intelligenz, Gespür für andere Menschen und für Situationen weit voraus war. Doris Day repräsentierte auch in den zahlreichen Liebeskomödien schon eher die – wenn auch leicht „verdeckte” – emanzipierte Frau des kommenden Jahrzehnts, die allerdings an den Grundfesten des american way of life nicht rütteln wollte – also auf eine ganz andere Art und Weise als etwa Katherine Hepburn.

    „All I do is talk to my pillow. Talk to my pillow, talk to my pillow. All I do is talk to my pillow. Talk about the boy I'm gonna marry someday. Somehow, some way, sometime. Pillow talk, pillow talk. Another night of gettin' my fill of pillow talk. You and I both agree there must be a boy, must be a pillow. Must be a pillow-talkin' boy for me. I hope I'm right. I'd better be right.” (1)

    In dem von David Miller (2) 1960 inszenierten und den Hitchcock-Thrillern nachempfundenen Film „Mitternachtsspitzen” spielt Doris Day die aus reichem Haus stammende Amerikanerin Kit Preston, die seit drei Monaten mit dem britischen Geschäftsmann Anthony Preston (Rex Harrison) verheiratet ist – und im siebten Himmel schwebt. Man lebt in London, die Hochzeitsreise nach Venedig ist geplant.

    Als Kit eines Nachts durch den nebligen Park nach Hause geht, ertönt die verstellte Stimme eines Mannes, der ihr droht, sie innerhalb eines Monats zu ermorden. Zunächst versucht Tony, seine Frau zu beruhigen; es gebe Leute, die mit solch makabren Scherzen ihr Unwesen treiben würden. Doch schon bald meldet sich der Unbekannte erneut, diesmal am Telefon, und droht Kit wiederum mit Mord. Inspektor Byrnes (John Williams) von Scotland Yard, den die Prestons um Hilfe bitten, bleibt zunächst misstrauisch. Er habe schon oft erlebt, dass sich von ihren Männern vernachlässigte Ehefrauen alles mögliche ausdenken, um die Aufmerksamkeit ihrer Partner zu gewinnen.

    Zu allem Überfluss wird Kit dann auch noch fast von einem Stahlträger getroffen. Der umsichtigen Bauleiter Brian Younger (John Gavin) kann Kit gerade noch retten. Younger arbeitet auf einer Baustelle direkt neben dem Haus der Prestons. Als Kit im Fahrstuhl ihres Hauses stecken bleibt, bekommt sie Panik. Younger kann die inzwischen völlig verstörte und ängstliche Frau auch dieses Mal retten. Die mit den Prestons befreundete Nachbarin Peggy (Natasha Parry), Tony und die zu Besuch kommende Tante Kits, Bea (Myrna Loy) versuchen alles, um Kit zu beruhigen. Niemand außer Kit hat bisher den Unbekannten am Telefon gehört. Und Kit beschleicht zunehmend der Verdacht, man glaube ihr nicht.

    Zudem fühlt sich Kit durch den Sohn ihrer Haushälterin Nora (Doris Lloyd), Malcolm (Roddy McDowall), belästigt, der seine Mutter ständig um Geld erleichtert und jetzt auch noch Kit anbettelt. Tony verdächtigt ihn wegen der Telefonanrufe. Und dann muss Tony zu allem Überfluss die Reise nach Venedig verschieben. Denn in seiner Firma hat jemand eine Million Dollar in Form von Aktien unterschlagen, offenbar um einen Geschäftspartner (Rhys Williams) zu schädigen.

    Als schließlich ein Unbekannter bei Kit in der Wohnung erscheint, gerät sie in panische Angst. Younger und seine Leute können den Mann jedoch nicht finden. Kein Mensch scheint Kit zu glauben, dass sie tatsächlich belästigt wird – außer Younger, der den geheimnisvollen Fremden in einer Kneipe zu sehen glaubt ...

    „Oh, there must be a pillow-talkin' boy for me. (We hope she's right, she'd better be right, there must be a boy). There must be a boy. There must be a boy. There must be a boy. There MUST be a boy!! There MUST!!” (1)

    „Pillow Talk” – nein, davon ist in diesem Thriller wenig zu spüren. Die Mitternachtsspitzen, bezogen auf ein kleines Schwarzes für die Nacht, erweisen sich als gefährliche Nadelstiche eines offenbar psychopathisch veranlagten Unbekannten, der Kit in Angst und Schrecken versetzt. Er scheint es auch gewesen zu sein, der Kit vor einen Bus gestoßen hat. Schon bald wird klar, dass Kit nicht an krankhafter Einbildung leidet, sondern dass handfeste Absicht hinter den Anrufen stecken muss. Man beginnt auch bald zu ahnen, wer hinter den mysteriösen Vorkommnissen stecken kann. Offen bleibt allerdings bis zum Schluss, was der Verdächtige genau plant und wer an dem Komplott möglicherweise beteiligt sein könnte: Malcolm, der Tunichtgut? Oder vielleicht Younger, der Kit erzählt, er habe unter einem Trauma zu leiden, weil er einmal in einem brennenden Tank eingeschlossen war? Charles Manning (Herbert Marshall), der im Aufsichtsrat von Prestons Firma sitzt und möglicherweise für das Verschwinden des Geldes verantwortlich ist? Oder gar Kits eigener Mann?

    „Midnight Lace” ist ganz im Stil des Masters of Suspense, Alfred Hitchcock, gedreht und kann mit einigen Überraschungen aufwarten, insbesondere dann auch im Finale. Doris Day – ganz im Mittelpunkt des Geschehens – spielt überzeugend eine Frau, die obwohl dem psychischen Zusammenbruch nahe, im richtigen Moment richtig handelt. Rex Harrison kann als smarter, von Vernunft und Verstand geleiteter, offenbar treu sorgender Ehemann ebenso überzeugen wie die unterstützende Crew mit Myrna Loy als lebenslustiger und herzlicher Tante Bea, John Gavin als sympathischer Bauleiter und Natasha Perry als Freundin der Prestons.

    David Miller verzichtete auf jegliche Effekthascherei und konzentrierte sich auf die psychologische Entwicklung der bedrohlichen Situation für Kit und ein spannendes Finale.

    (1) „Pillow Talk”, von Doris gesungen in „Bettgeflüster” (1959).

    (2) Miller inszenierte u.a.: „Billy the Kid” (1941) mit Robert Taylor; „Die Marx-Brothers im Theater” (1950); „Ehegeheimnisse” (1959) mit David Niven und Mitzi Gaynor; „Unternehmen Staatsgewalt” (1973) mit Burt Lancaster.

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