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    2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen
    Von Carsten Baumgardt

    Die Mission, die Peter Hyams 1984 in Angriff nahm, war schon vor dem Start gnadenlos zum Scheitern verurteilt. Dem Vergleich mit Stanley Kubricks Meilenstein des Science-Fiction-Genres schlechthin, 2001 - Odyssee im Weltraum, konnte der Regisseur und Drehbuchautor mit seinem Sequel „2010 - Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen“ gar nicht standhalten – selbst wenn er sich ebenfalls auf die Romanvorlage von Arthur C. Clarke stützt. Doch lässt man diesen Gedanken einmal nonchalant beiseite, so überzeugt „2010“ als gradliniges, hochspannendes und griffiges Sci-Fi-Drama, das zumindest eigenständig - ohne den großen Schatten im Nacken - überzeugen kann.

    „Something wonderful is about to happen“ (Commander Dave Bowman kurz vor seinem Verschwinden auf der 2001-Mission)

    Date... 2010.

    Personell... Joint venture with american and soviet scientists mission. To rendezvous with abandoned U.S. spaceship Discovery to make contact with black monolith orbiting in space composition unknown.

    Age – uncertain

    Purpose – undetermined

    Objectives…solve mystery of Discovery’s stable and intelligent computer HAL – had he gone insane and had he killed the crew?

    Possible outcome… discovery of life beyond the stars and a change in the future of mankind.

    2010, mitten im Kalten Krieg, der immer noch anhält, sich vielmehr noch weiter verschärft hat und die Menschheit an den Rand einer atomaren Katastrophe drängt, sind die USA und die Sowjetunion dennoch aufeinander angewiesen. Der Jupitermond Io weist eine äußerst ungewöhnliche Abweichung auf seiner Umlaufbahn um den Planeten auf. 2001 verloren die Amerikaner die „Discovery“ und deren komplette Crew auf ungeklärte Weise. Die Sowjets haben mit der „Aleksei Leonov“ ein Raumschiff, das die Reise antreten kann, die Amerikaner das Wissen, um was es bei der Mission der havarierten „Discovery“ überhaupt ging. Entgegen der weltpolitischen Stimmung gelingt es, ein Team von Amerikanern an Bord des sowjetischen Schiffs zu bekommen. Dr. Heywood Floyd (Roy Scheider) leitete die 2001er Mission verantwortlich, mit ihm dabei sind HAL-Konstrukteur Dr. R. Chandra (Bob Balaban) und der Ingenieur Dr. Walter Curnow (John Lithgow). Doch das Trio ist nur zu Gast, das Kommando führt die Kosmonautin Tanya Kirbuk (Helen Mirren). Beim Jupiter angekommen, macht die Crew ganz erstaunliche Entdeckungen. Die „Discovery“ und ihr Supercomputer HAL lassen sich zwar reaktivieren, aber von der Mannschaft fehlt weiterhin jede Spur... und auf Io geht etwas extrem Sonderbares vor sich...

    Vom Sinn oder Unsinn ein originäres, stilbildendes Meisterwerk wie „2001 – Odyssee im Weltraum“ fortzusetzen, soll an dieser Stelle ausdrücklich keine Rede mehr sein. „2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnahmen“ birgt für sich betrachtet genügend Qualität, um eigenständig zu funktionieren. In einer Beziehung ist die Fortsetzung dem Original sogar überlegen: Das Sequel ist weit zugänglicher als Kubricks philosophisches Mysterium, bei dem jeder Zuschauer gezwungen ist, es für sich selbst deuten zu müssen – was aber natürlich auch einen großen Teil der Faszination dieses Werks ausmacht. Hyams (A Sound Of Thunder, End Of Days, „Unternehmen Capricorn”, „Presidio”) interessiert das alles nicht. Für diese Art der Interpretation des Stoffes ist der solide Regie-Handwerker dennoch der richtige Mann - technisch versiert und durch „Outland - Planet der Verdammten“ (1981) bereits Jupiter-erfahren. Über die konventionelle Erzählweise und die Besetzung seiner Crew kommt er an das Publikum heran. So fällt auch die Schlüsselfigur des Dr. Heywood Floyd wesentlich positiver aus als bei Kubrick, wo der Wissenschaftler für das Versagen die Verantwortung tragen musste, was bei „2010“ zumindest in Frage gestellt wird. Roy Scheider (Der weiße Hai, French Connection) bietet genügend Charisma auf, um ihm zu folgen.

    Obwohl Arthur C. Clarke, der ebenso wie Stanley Kubrick (als sowjetischer Premierminister auf dem Cover des Time Magazines) ein Cameo hat, seinen ersten Roman auf dem Saturn ansiedelte (und Kubrick bei der Verfilmung aus Kostengründen auf Jupiter umschwenkte), setzt er in der literarischen Fortsetzung auf dem Jupiter an. Das führt zwar innerhalb der Romane zu einem Bruch, lässt die Filme aber den richtigen Anschluss finden. Etwas kurios wirkt aus heutiger Sicht der Umstand, dass 2010 der Kalte Krieg schärfer als zu seinen Hochzeiten geführt wird und in Dimensionen zurückfällt wie 1962 während der Kubakrise (in Thirteen Days brillant von Roger Donaldson verfilmt), doch da es sich ohnehin um Science-Fiction handelt, spielt das keine große Rolle, sorgt vielmehr für ein Schmunzeln. Das Klima an Bord der „Aleksei Leonov“ ist ähnlich unterkühlt, wie die politische Lage. Selbst im Lager der drei Amerikaner herrscht enormes Misstrauen untereinander. Auch die Aussage des Films gedeiht auf eben diesem Nährboden der globalen Spannungen und beantwortet diese auf die ganz eigene Weise.

    Technik und Set-Design sind auf der Höhe der damaligen Zeit, ohne selbstverständlich solch revolutionäre Maßstäbe zu setzen wie das Original. Der Lohn dafür waren fünf Oscarnominierungen in den Kategorien Spezial-Effekte, Ton, Ausstattung, Kostüme und Make-up. Selbst wenn die Filme stilistisch wie Licht und Schatten voneinander abweichen, knüpft Hyams wenigstens musikalisch dezent an und bringt das mächtige „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss sowie Györy Ligetis phantastisches „Lux Aeterna“ (teilweise mit Walgesang unterlegt) wieder ein. Dazu taucht Commander Bowman (Keir Dullea) in beängstigend-gruseligen Fragmenten wieder auf.

    Was „2010“ gegenüber „2001“ abgeht, ist eine eigenständige Bildsprache, die findet Peter Hyams nicht bzw. versucht es erst gar nicht und baut vielmehr auf klare Strukturen und Konturen, die eine leichtere Zugänglichkeit gewährleisten. Am Ende sind alle Mysterien enträtselt und die Geschichte in sich abgeschlossen. Das ist neben dem mittelmäßigen Abschneiden an der US-Kinokasse sicherlich auch ein Grund, warum Arthur C. Clarkes Geschichte nicht auch auf der Leinwand fortgesetzt wurde, wie im Roman „2061: Odyssee III“. Das Buch ist in einer Zeit nach einem atomaren Krieg angesiedelt, in der die Menschheit das Weltall kolonisiert, aber auf eine allumfassende Katastrophe zusteuert.

    Fazit: „2010“ ist schlicht und einfach ein starker, interessanter und technisch ansprechend produzierter Science-Fiction-Film. Für Genrefans gehört das Werk zum Pflichtprogramm, wenn auch lange nicht in der Dimension von „2001“. Denn Kubricks Film muss jeder gesehen haben, der sich für Kino interessiert. Daran führt kein Weg vorbei.

    „Oh my god. It is full of stars.” (Commander Dave Bowman)

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