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    Paper Moon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Paper Moon
    Von Björn Becher

    “Say, its only a paper moon

    Sailing over a cardboard sea

    But it wouldn't be make-believe

    If you believed in me”

    (Refrain von Harold Arlens Song “It’s only a Paper Moon”)

    „Paper Moon“ ist der letzte große Film eines der genialsten Duos, das Hollywood kannte. Den beiden Kinofanatikern Peter Bogdanovich und Polly Platt gelang Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger einfach alles. Bogdanovich führte Regie und Polly Platt war offiziell zwar nur Set-Designerin, doch sie versorgte ihren Mann immer wieder mit guten Ideen. Ihre Filme wurden von der Kritik bejubelt und die Anfang der Siebziger erschienen Die letzte Vorstellung (1971), Is´ was, Doc (1972) und „Paper Moon“ (1973) waren große Kassenerfolge. Nach „Paper Moon“ trennte sich das Paar. Die Ehe bestand schon während der Dreharbeiten nur noch auf dem Papier, denn Bogdanovich hatte mit der Schauspielerin Cybill Shepherd (Taxi Driver), die er während „Die letzte Vorstellung“ kennen gelernt hatte, ein Verhältnis angefangen. Nach der Trennung sollte dem hoffnungsvollsten (und nach Meinung vieler Kollegen talentiertesten) Regisseur seiner Zeit (einer Epoche, in der Regisseure wie Spielberg, Scorsese, Coppola, Friedkin, Lucas, u.v.a. bekannt wurden) fast kein Film mehr gelingen, der bei Kritikern oder dem Publikum ein Erfolg wurde (seltene Ausnahme: „Mask“ mit Cher und Sam Elliott, 1985).

    Bogdanovich erzählt in dem auf dem Buch „Addie Pray“ von Joe David Brown basierenden Film die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. Da ist der Betrüger Moses Pray (Ryan O’Neal). Er sucht Frauen auf, die gerade ihren Mann verloren haben, und behauptet ihr Mann habe für sie eine Bibel bestellt: die Luxusausgabe mit dem Namen in Gold geprägt. Gerührt über die letzte Tat des Ehemanns, findet er eigentlich immer willige Abnehmer und ist um ein paar Dollar reicher. Aus einem unerfindlichen Grund sucht jener Betrüger eines Tages eine der Beerdigungen auf, von denen er in der Zeitung gelesen hat. Eine Frau wird beerdigt, Trauergäste gibt es nicht viele. Die Nachbarinnen der Verstorbenen halten den unbekannten Gast für einen Freund der Verstorbenen, was Pray auch bestätigt. Hinter vorgehaltener Hand wird sogar getuschelt, ob er nicht der Vater der kleinen, neunjährigen Addie (Tatum O’Neal) ist, hat er doch das gleiche Kinn wie sie. Obwohl Pray Kinder nicht mag, lässt er sich breitschlagen, die kleine Addie mitzunehmen, um sie zur ihrer letzten Verwandten zu bringen, die weit weg wohnt.

    Prays Motiv ist natürlich nicht die Nächstenliebe, er wittert Geld und soll schon recht schnell welches verdienen. Mit dem Schicksal von Addies Mutter, nämlich deren Unfalltod, kann Pray beim Bruder des Unglücksfahrers, 200 Dollar erpressen. Jetzt will er Addie nur noch mit einem Zugticket am Bahnhof stehen lassen und hat einen großen Verdienst gemacht. Doch so einfach geht das nicht. Das aufgeweckte Mädchen hat mitbekommen, dass Pray 200 Dollar bekommen hat, ihre 200 Dollar. Sie verlangt sie von ihm, doch Pray hat das Geld schon in eine Verschönerung seines Autos investiert. So muss er es „abarbeiten“ und Addie wiederwillig auf seine Streifzüge durch die kleinen Städte mitnehmen. Dort wirbelt die gewitzte Addie seine Geschäfte ganz schön durcheinander....

    „Paper Moon“ lebt von seinen beiden Hauptdarstellern. Der großartige Ryan O’Neal überzeugt als gewitzter Betrüger mit Charme, aber auch etwas Naivität. Allein der Name für seine Rolle des betrügerischen Bibelverkäufers, Moses Pray, zeigt auch die schönen kleinen Spitzen des Drehbuchs. Übertroffen wird O’Neal aber von seiner Tochter Tatum, der zuzuschauen großen Spaß macht. Man merkt richtig, wie leicht dem Mädchen das Spiel vor der Kamera fällt und sie schafft es in einer wunderbaren Weise alle Stimmungen von fröhlich bis traurig zu vermitteln. Am besten ist sie aber sicherlich in den Szenen, in denen sie richtig bockig gegenüber ihrem Vater agieren kann.

    Tatum O’Neal bekam für ihre Performance bei ihrem Leinwanddebüt sogar einen Oscar und ist damit heute noch mit dem Alter von zehn Jahren die jüngste Oscarpreisträgerin in einer der Wettbewerbskategorien (die damals sechsjährige Shirley Temple bekam 1935 einen Ehrenoscar). Eigentlich ein Wunder, dass Tatum O’Neal trotz einiger weiterer Rollen nie eine große Filmkarriere machte. Verwunderlich ist übrigens auch, dass die Besetzung nicht den Weg nahm, den man sich eigentlich erwarten müsste. Bogdanovich besetzte zuerst die schauspielerisch noch unerfahrene Tatum O’Neal, bevor er es auch schaffte, ihren Vater Ryan O’Neal gegen den Willen des ursprünglichen Produzenten Robert Evans durchzusetzen. Evans wollte eigentlich Jack Nicholson oder Warren Beatty in der Hauptrolle haben, also einen jener beiden Stars, denen damals jede männliche Hauptrolle in einem größeren Film angeboten wurde. Man kann von Glück sagen, dass sich Bogdanovich (der am Ende dann auch den Film selbst produzierte) durchsetzte, denn es ist mehr als fraglich, ob das Spiel von Tatum O’Neal genauso großartig und natürlich gewesen wäre, wenn der Partner nicht ihr Vater gewesen wäre.

    „Paper Moon“ lebt aber nicht nur von dieser Freundschaft zwischen einem Betrüger und einem neunjährigen Mädchen, zwischen Vater und Tochter. Bogdanovichs Film muss man im Kontext seiner Zeit sehen, die immer eine feste Nebenrolle im Film hat. Amerika ist erschüttert von der größten Wirtschaftskrise der Geschichte. Für Moses Pray sind seine Betrügereien die Chance sich über Wasser zu halten. Ihm ist dabei egal, wen er betrügt. Wie ein soziales Gewissen ist dagegen Addie, die sieht, dass es anderen Menschen noch schlechter geht und schnell Prays „Firmenpolitik“ ändert. Da wird einer armen Familie auch mal eine Bibel geschenkt und im Gegenzug muss eine reiche Witwe das Vierfache der üblichen Summe berappen.

    Wahrscheinlich um auch die Trostlosigkeit dieser Epoche stärker zu verdeutlichen, hat Bogdanovich seinen Film in Schwarz-Weiß gedreht. Trotzdem hat es sein Stammkameramann Laszlo Kovacs (Easy Rider, Ghosbusters) geschafft, einige großartige Bilder einzufangen, die gemeinsam mit dem Titelsong von Harold Arlen „It’s only a Paper Moon“ sehr zum Gelingen des Films beitragen.

    Erwähnenswert ist auch die Leistung von Madeline Kahn (City Heat. Als Tänzerin und Prostituierte Trixie Delight hängt sie sich an den gutgläubigen Moses und versucht den Betrüger auf ihre Art auszunehmen. Zum Glück für Moses Pray gibt es die kleine Addie, die gemeinsam mit Trixie Delights „Sklavin“ Imogene (P.J. Johnson) eine List entsinnt und so die Sinne von Moses Pray vom Nebel der Liebe befreit. Madeline Kahn wurde für diese Rolle für den Oscar nominiert und hat so auch großen Anteil an dem sehr schönen, humorvollen und bisweilen auch etwas ernsteren Film.

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