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    e-m@il für dich
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    e-m@il für dich
    Von Andreas R. Becker

    Virtuelle Romanzen sind keine Erfindung des Internetzeitalters, worüber unter anderem auch unzählige Briefromane oder etwas jüngere Telefonbeziehungen Zeugnis ablegen. Worte und Stimme können seit jeher nicht nur Brücken über große Entfernungen schlagen, sondern auch geographisch getrennte Herzen verbinden. Mit Tom Hanks und Meg Ryan als charmantestem Filmpaar der 90er belegte Nora Ephron mit Schlaflos in Seattle noch einmal eindrucksvoll die Macht des Geistes über die Liebe (Dass beide auch noch äußerlich attraktiv sind, ist selbstredend nur angenehmes Beiwerk.). So eindrucksvoll war dieser Beleg, dass, auch nach einer außerordentlich erfolgreichen Videoauswertung, fünf Jahre später der Nachfolger ins Haus stand. Statt Seattle und Baltimore diente diesmal das ewige Faszinosum New York als vielseitige und zauberhaft fotografierte Kulisse; statt Post und Telefon halfen E-Mail und Instant Messaging Amor auf die Sprünge. Zwar fehlt hier der letzte Schliff, der „Schlaflos in Seattle“ zum jungen Klassiker machte. Dennoch tragen wie schon zuvor die Ausstrahlung der beiden Hauptdarsteller und ein famoser Soundtrack den Großteil des Films, der nicht nur nah am Wasser gebauten Freunden des Vorgängers ein kleines Freudentränchen entlocken dürfte.

    Joe Fox (Tom Hanks, Der Soldat James Ryan) und Kathleen Kelly (Meg Ryan, Kate & Leopold) arbeiten in derselben Stadt in derselben Branche, nur am je anderen Ende der Business-Größenskala. Während Joe die Geschäfte seines Vaters in Form der großen Buchhandlungskette „Fox Books“ fortführt, ist Kathleen die Inhaberin einer kleinen Buchhandlung um die Ecke mit dem unwahrscheinlichen Namen „The Shop Around The Corner“, den sie von ihrer Mutter übernommen hat. Durch Zufall lernen sich die beiden, AOL sei dank, im Netz kennen und verlieben sich in ihre anonymen Alter Egos „Shopgirl“ und „NY152“. Obwohl beide schon liiert sind, wird, wie im Falle romantischer Komödien üblich, die an Monogamie geknüpfte moralische Problematik geschickt umgangen: Es braucht nicht lang, um zu erkennen, dass sowohl Joes Freundin Patricia (Parker Posey, Superman Returns, Scream 3) als auch Kathleens bessere Hälfte Frank (Greg Kinnear, Little Miss Sunshine, Fast Food Nation) nicht das große Los sein können. Was sind schon eine hysterische Ziege (Joe: „Patricia makes coffee nervous.“) und ein mit seiner Schreibmaschine verheirateter Journalist (Frank: „I could never be with someone who doesn’t take politics as seriously as I do.“) gegen die seit „Schlaflos in Seattle“ nicht zu überbietende Traumkombination Ryan/Hanks?

    Bevor es jedoch zum Unvermeidlichen kommt, steht vor allem ein großes Hindernis im Weg. Und das hat diesmal nichts einer vermeintlich unüberbrückbaren Entfernung, sondern mit den ökonomischen Verhältnissen und dem resultierenden Verhältnissen des potentiellen Traumpaars zu tun. Denn Joe und Kathleen kennen und verachten sich, eröffnet ersterer doch in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kathleens kleinem Charaktergeschäft eine neue, riesige Filiale. Während sich Shopgirl und NY152 immer weiter annähern, treibt das wirtschaftliche Konkurrieren einen immer größeren Keil zwischen Kathleen und Joe, die sich einige bissige Schlagabtausche liefern. Solange, bis Joe eines Tages herausfindet, dass Shopgirl und Kathleen ein und dieselbe Person sind. Ohne seine eigene Identität preiszugeben, hofft er nun, das Herz der ihn Verachtenden erobern zu können...

    Wie auch schon beim Vorgänger „Schlaflos in Seattle“ stand Nora Ephron auch hier ein anderer kultureller Text Pate. Lieh sie für „Schlaflos in Seattle“ einige Elemente aus „Die große Liebe meines Lebens“ mit Cary Grant und Deborah Kerr, gaben diesmal ein 1937 geschriebenes Bühnenstück („Die Parfümerie“ von Miklós László) und ihre Verfilmungen die grobe Richtung vor. Dazu gehören „In The Good Old Summertime“, vor allem aber Ernst Lubitschs „The Shop Around The Corner“, dem Meg Ryans Charakter wohl auch den Namen ihres Buchladens zu verdanken hat. Was in den 40er Jahren noch nicht mit E-Mail und Chat zu vollbringen war, leisteten hier die erwähnten Briefromanzen. Während sich Brötchengeber und Angestellte in der Parfümerie gegenseitig das Leben schwer machen, haben sie sich auf dem Papier längst ihre Liebe gestanden und sich zu einem Rendezvous verabredet. Wie aber schon beim ersten Aufeinandertreffen von Hanks und Ryan unter Ephrons Regie, kann aber auch bei „e-m@il für Dich“ nicht schlussendlich von einem Remake die Rede sein. Vielmehr handelt es sich um eine locker angelegte Hommage, die sich einiger Elemente der ursprünglichen Vorlagen bedient. Auch bei anderen Filmen wie Der Pate wurden Anleihen gemacht, sogar bei „Schlaflos in Seattle“ selbst: Ist es doch ein weiteres Mal der Partner von Meg Ryan, der sie mit gentlemanhafter Größe widerstandslos in die Freiheit entlässt, als sie ihm berichtetet, dass sie in den „Traum“ von einem anderen verliebt ist. Spricht hier die Erfahrung oder doch nur der Wunschtraum der Regisseurin...?

    Letztlich sind es Kleinigkeiten, die aus dem Nachfolger eine Sache machen, die weniger rund ist als die fünf Jahre zuvor gelungene. Am erneut grandiosen, von Ephron zusammengestellten Soundtrack liegt es sicher ebenso wenig wie an den Darstellungen Hanks und Ryans. Beide haben nichts von ihrem ursprünglichen Charme verloren, sondern wirken eher auf eine subtile Weise reifer und attraktiver als zuvor. Auch wenn die Bank der Nebendarsteller wieder gut besetzt wurde, bieten sie aber nicht die gleiche Unterstützung, wie es vor allem auch Hanks’ kesser Sohn Jonah (Ross Malinger) in „Schlaflos in Seattle“ und Rosie O’Donnell als abgeklärte Becky leisteten. Und letztlich fehlt E-Mail- und Chat-Konversationen einfach doch das entscheidende Quäntchen romantischer Nostalgie, das in einem zerknüllten Brief und selbst einer im Radio transportierten Stimme noch mitschwingen. Insgesamt ist der Vorgänger einfach weniger „modern“, was der Sache im direkten Vergleich zuträglich gewesen zu sein scheint.

    Wenngleich es also einen leichten Abzug in der B-Note gibt, macht auch der Nachfolger aus genannten Gründen noch eine gute Figur. Wer kein Interesse am filmhistorisch interessanten Doppelpack „Die große Liebe meines Lebens“ und „Schlaflos in Seattle“ hat, kann deshalb seinen Schnulzenabend ohne Frage auch mit der moderneren Alternative verlängern und Tom Hanks und Meg Ryan auf ihrem Trip „Somewhere Over The Rainbow“ beglückt und gedankenverloren begleiten.

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