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    State of Play - Stand der Dinge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    State of Play - Stand der Dinge
    Von Björn Helbig

    Kann eine sechsteilige englische Mini-Serie mit einem komplexen Polit-Plot ohne weiteres auf US-amerikanische Verhältnisse übertragen und darüber hinaus auf nur wenig mehr als zwei Stunden Laufzeit eingedampft werden? Ohne weiteres sicher nicht, doch wenn es die richtigen Leute in die Hand nehmen, hat so ein Vorhaben durchaus Potenzial. Nach der Vorlage der von David Yates (Harry Potter und der Orden des Phönix) inszenierten BBC-Serie „Mord auf Seite eins“ liefert Kevin Macdonald, der spätestens seit seinem oscarprämierten Drama Der letzte König von Schottland auch in Hollywood hoch gehandelt wird, mit „State Of Play“ einen vielschichtigen und packenden Polit-Thriller ab, in dem ein aufstrebender Parlamentsabgeordneter und ein erfahrener Journalist in einen Mordfall verwickelt werden.

    Ein schwarzer Kleinganove wird von einem Unbekannten erschossen. Als kurze Zeit später die Fachreferentin des politischen Hoffnungsträgers Stephen Collins (Ben Affleck) vor einen Zug gestoßen wird, gerät dieser in die Schlagzeilen. Einen Zusammenhang zwischen beiden Todesfällen vermutet niemand. Der Starreporter des Washington Globe, Cal McAffrey (Russell Crowe), wird von der Chefredakteurin Cameron Lynne (Helen Mirren) auf seinen alten Freund Collins angesetzt. Hin- und hergerissen zwischen der persönlichen Verbundenheit mit dem Politiker und mit dessen Frau Anne (Robin Wright Penn, Forrest Gump, Unbreakable) sowie seinem professionellen Wissensdurst macht sich McAffrey zusammen mit der Online-Journalistin Della Frye (Rachel McAdams) an die Recherche. Die Zusammenarbeit fällt den beiden Reportern zunächst nicht leicht. Doch ihre unterschiedliche Berufsauffassung ist bald ihr kleinstes Problem, denn sie finden heraus, dass der Fall viel größere Ausmaße hat als zunächst angenommen.

    Die Story erweist sich im Verlauf der Handlung als weitaus vielschichtiger als auf den ersten Blick zu sehen ist, und „State Of Play“ entpuppt sich als thematisch komplexer Thriller. Die Recherchen in einem scheinbar normalen Kriminalfall bringen immer deutlicher erst wirtschaftliche, dann politische Intrigen zu Tage. Dass am Ende ein infames Komplott steht, ist aber nur eine Seite der Medaille. Es sind vor allem die menschlichen Abgründe, die „State Of Play“ buchstäblich Tiefe geben, die dramatische Wirkung ist in erster Linie der Verbindung der großen Themen mit einer persönlichen Ebene zu verdanken. Und fast nebenbei wird zeitkritisch über die Verflechtungen von Politik, Wirtschaft und Journalismus reflektiert.

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    Die Entscheidung, den Schotten Macdonald („My Enemy's Enemy“, „Ein Tag im September“) für das Projekt zu engagieren, zeugt durchaus von Mut, schließlich hatte der Regisseur kaum Erfahrung mit Produktionen dieser Größenordnung. Das Risiko hat sich bezahlt gemacht. Macdonald erweist sich als der richtige Mann für den geforderten Spagat zwischen Realismus und Spannung. Der ehemalige Dokumentarfilmer, der 2006 mit dem Idi-Amin-Drama Der letzte König von Schottland einen gelungenen Spielfilmeinstand feierte, zieht alle Register der Inszenierungskunst. Alles passt zusammen: die düsteren Bilder von Kameramann Rodrigo Prieto (Babel, Brokeback Mountain), der flotte aber nie hektisch wirkende Schnitt von Justine Wright und die atmosphärische Musik von Alex Heffes. Mit letztgenannten hatte Macdonald schon bei „Der letzte König von Schottland“ und beim beeindruckenden Doku-Drama Sturz ins Leere erfolgreich zusammengearbeitet. Die grandiose Eröffnungssequenz, die den Tod des Kleinganoven zeigt, schlägt den Ton für die kommenden zwei Stunden an. Druckvoll treibt Macdonald seinen Film nach vorne, vernachlässigt dabei aber nicht die Details. Nie verliert er die Bodenhaftung und gibt dem Realismus zum Glück den Vorzug vor billigen Thrills. Nicht nur die wohldosierten Action-Szenen überzeugen, auch sonst entfaltet „State Of Play“ durch spannende Figurenkonstellationen und intelligent-pointierte Dialoge eine regelrechte Sogwirkung.

    Regisseur Macdonald profitiert von der Arbeit der erfahrenen Drehbuchautoren Matthew Michael Carnahan (Operation: Kingdom, Von Löwen und Lämmern), Billy Ray (Enttarnt, Flightplan) und Tony Gilroy (Das Bourne Ultimatum, Michael Clayton). Jeder der Beteiligten hat für sich genommen bereits wahnsinnig gute Arbeiten vorgelegt und kann auch in „State Of Play“ individuelle Akzente setzen. Die drei Autoren hatten unabhängig voneinander die anspruchsvolle Aufgabe, die Komplexität der von Paul Abbott geschriebenen BBC-Miniserie zu reduzieren, ohne dass dabei wesentliche Aspekte verloren gehen. Zumal Abbott, der bei der Neuverfilmung als Produzent fungierte, persönlich akribisch darauf achtete, dass sein Stoff durch die Verkürzungen nicht an Glaubwürdigkeit verlor. Letztlich waren radikale Veränderungen unumgänglich, damit die Geschichte auch im neuen Kontext trägt. „Man stellt fest, dass man von etwas so Gutem nicht einfach eine andere Version herstellen kann. Man muss es neu erfinden, und genau das haben wir versucht“, erläutert Macdonald seinen Ansatz.

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    Die Produktionsgeschichte von „State Of Play“ war äußerst bewegt und von Rückschlägen durchzogen, was sich nicht nur in den verschiedenen Drehbuchüberarbeitungen zeigt. Nach dem Autorenstreik 2007/2008 sprangen der als Collins vorgesehene Edward Norton und der potentielle McAffrey Brad Pitt ab und hinterließen eine schwer zu füllende Lücke. Der Blick auf den fertigen Film legt allerdings die Vermutung nahe, dass das Fight Club-Traumduo kaum bessere Arbeit hätte leisten können als Russell Crowe (Insider, American Gangster) und Ben Affleck (Good Will Hunting, Armageddon, Daredevil), die sowohl in ihrer schwierigen Freundschaft als auch in ihren jeweiligen Berufen absolut glaubhaft sind. Während Crowe erwartungsgemäß glänzt und die Rolle des arroganten, aber trotzdem sympathischen Brummbären gleichsam mit links meistert, überrascht Affleck mit seinem subtilen Spiel. So überzeugend hat man Jennifer Garners Ehemann zuletzt nur in Die Hollywood-Verschwörung gesehen. Ein großes Kompliment auch an die prominenten Nebendarsteller, die viel in ihre kleinen Rollen investieren und sie in plastische Figuren verwandeln. Rachel McAdams (Wie ein einziger Tag, Red Eye) macht als Crowes Sidekick eine gute Figur, Helen Mirren (Gosford Park, Die Queen) als kratzbürstige Chefredakteurin ebenso. Ebenfalls lobend erwähnt werden müssen Jason Bateman (Operation: Kingdom, Juno) als egogetunter PR-Mann und Jeff Daniels (Speed,Good Night, And Good Luck) als aalglattes Polittier.

    Echte Kritikpunkte lassen sich an diesem Film wenig ausmachen. Möglicherweise hätte sich der eine oder andere das Ende nicht nur überraschend, sondern noch eine Spur spektakulärer gewünscht. Doch das wäre mit der Glaubwürdigkeit der Geschichte erkauft worden. Und vielleicht mag manch einer die mehrmals eingestreute Gegenüberstellung zwischen Print- und Online-Journalismus für gezwungen halten, doch bei näherem Hinsehen spiegelt sie nicht nur gut die derzeitige Medien-Diskussion wider, sondern ist auch eng mit der Story des Films verknüpft. Dass es insgesamt der Reduktion bedurfte, versteht sich von selbst. Besser hätte ein Zwei-Stunden-Konzentrat aus der drei Mal so langen Vorlage indes kaum aussehen können.

    Fazit: Bei „State Of Play“ haben sich nach langer Anlaufzeit die Richtigen gefunden: Paul Abotts BBC-Serie ist eine großartige Vorlage, die drei unglaublich gute Autoren ihrerseits in ein starkes eigenständiges Script umgesetzt haben. Hinzu kommen ein Regisseur, der in der Lage war, der filmischen Vision eine Gestalt zu geben und das toll aufgelegte Ensemble. Den Polit-Thriller erfindet Kevin Macdonald mit „State Of Play“ nicht neu, doch präsentiert er uns einen äußerst spannenden Vertreter seiner Zunft und bietet darüber hinaus einen cleveren Kommentar zur aktuellen Situation in Politik, Wirtschaft und Medien.

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