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    Gefährliche Liebschaften
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Gefährliche Liebschaften
    Von Ulrich Behrens

    1988 drehte Stephen Frears das, was manche als „Kostümfilm“ bezeichnen würden, aber alles andere als ein solcher ist. Das Historien-Drama „Gefährliche Liebschaften“ basiert auf einem berühmten Briefroman von Pierre Ambros François Choderlos de Laclos aus dem Jahre 1782 sowie auf dem Bühnenerfolg von Christopher Hamptons „Les Liaisons Dangereuses“. Frears hatte u.a. zuvor Erfolge mit „Mein wunderbarer Waschsalon“ (1985) und „Sammy und Rosie tun es“ (1987). Später drehte er u.a. „Grifters“ (1990, mit Anjelica Huston und John Cusack) und „Ein ganz normaler Held“ (1992, mit Dustin Hoffman, Andy Garcia, Joan Cusack und Geena Davis). Der Film sowie die beiden Romanvorlagen handeln von der Dekadenz in den Reihen des französischen Hochadels am Vorabend der Französischen Revolution. Gleichzeitig arbeitete auch Milos Forman an der Romanvorlage. Sein Film „Valmont“ kam 1989 in die Kinos, in den Hauptrollen Colin Firth, Annette Bening, Meg Tilly und Fairuza Balk.

    Die Marquise de Merteuil (Glenn Close) hat eines in ihrem Leben gelernt: Wie man intrigiert, ja geradezu ein Netzwerk von Intrigen spinnen kann, um sich, teils aus Langeweile, teils um ihre Überlegenheit anderen gegenüber zu demonstrieren, ihr Leben zu versüßen. Als Madame de Volanges (Swoosie Kurtz) ihre Tochter Cécile (Uma Thurman) mit dem Conte de Gercourt verheiraten will, sinnt die Marquise auf Rache. Denn der Conte war ihr Liebhaber und hat sie vor kurzem erst verlassen. Sie hat keine Mühe, das Vertrauen der jungen Cécile zu gewinnen und diese dazu zu überreden, an ihren Musiklehrer, den Chevalier Danceny (Keanu Reeves), Liebesbriefe zu schreiben, der mehr als ein Auge auf die junge Cécile geworfen hat. Allerdings sorgt die Marquise dafür, dass Madame de Volanges diese Briefe findet, während sie selbst den jungen Danceny verführt. Schließlich bringt sie ihren ehemaligen Geliebten, den Vicomte de Valmont (John Malkovich), dazu, Cécile zu entjungfern. Der Vicomte ist ein ebensolcher Intrigant und hält sich – Frauen gegenüber – für unwiderstehlich. Seine Absichten machen auch vor der 22-jährigen verheirateten Madame de Tourvel (Michelle Pfeiffer) nicht halt, die allerdings durch Madame de Volanges vor Valmont gewarnt wurde und auf der Hut ist. Der jedoch zieht alle Register seines Könnens, um Madame de Tourvel von seiner Liebe zu überzeugen.

    Nein, einen „Kostümfilm“ drehte Stephen Frears mit „Gefährliche Liebschaften“ nicht. Kostüme, Make-up und Umgebung stehen eher für die Fassade, hinter der sich nicht nur die Dekadenz einer herrschenden Klasse offenbart, die dem Untergang geweiht ist, sondern auch für eine spezielle Form des Krieges und seiner Schlachten. Nicht Feuerwaffen, Säbel, Kanonendonner bestimmen diesen Krieg. Kleine, fast unscheinbare Gesten, ein Augenzwinkern, eine leichte Änderung des Gesichtsausdrucks künden von einer Änderung der Schlachtpläne, der Kriegstaktik oder der Einfädelung einer neuen intriganten Strategie. Die Schachzüge der Marquise oder Valmonts werden durch ausgefeilte und wohl überlegte Worte vorbereitet. Sie – die Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont – sind es, die den Krieg gegeneinander führen.

    Sex, Liebe, Hass, Wut, aber auch Eifersucht, Neid oder Rache sind nur Mittel zum Zweck eines Krieges, in dem beide Kontrahenten nur ein Ziel kennen: siegen. Nur daran können beide Vergnügen finden. Während der Vicomte auf seine vermeintlich unbezwingbare Unwiderstehlichkeit als beste Kriegswaffe setzt, lässt sich die Marquise von ihrem ebenso unbeugsamen Willen leiten, ihren Einfluss auszudehnen, zu herrschen. Sex und Liebe, Zuneigung und Nähe sind für beide nur taktische Instrumente im Krieg. Die Grenzen zwischen wirklicher Zuneigung und Liebe als Mittel zum Zweck scheinen ab und an zu verschwimmen. Aber gerade in der Gestalt der jungen Madame de Tourvel und des Chevalier Danceny haben die Marquise und der Vicomte ihre geeigneten Opfer, ihre „Soldaten“ gefunden, die noch nicht einmal davon wissen, was ihnen geschieht. Der Krieg scheint zu einem Spiel auf dem Schlachtfeld zu werden.

    Die kriegerischen Dialoge zwischen Glenn Close und John Malkovich, der verbale und intrigante Kampf zwischen beiden gehören zum Besten, was ein Film je zu bieten hatte. Close spielt eine überlegene, mit allen Wassern der Kunst der Intrige gewaschene Frau, so perfekt wie Malkovich einen von seiner Unwiderstehlichkeit vollständig überzeugten und skrupellosen Mann, dem in jeder Situation eine Kriegslist einzufallen scheint. Als er eine Kurtisane, auf deren nacktem Körper er Liebesbriefe an Madame de Tourvel schrieb und sich dabei köstlich amüsierte, wieder einmal bezahlt und Madame de Tourvel entsetzt über deren Anwesenheit bei ihm erscheint, erzählt er ihr eine herzergreifende, von vorne bis hinten erlogene Story: Emilie (Laura Benson), die Kurtisane, käme ab und zu vorbei, um Geld für soziale Zwecke zu sammeln.

    Michelle Pfeiffer ist großartig als betrogene, hinters Licht geführte, zunächst alle Register des Widerstands gegen den Vicomte ziehende, dann wirklich liebende und später völlig verzweifelte und an ihrer tiefen Enttäuschung zugrunde gehende Frau, die an wirkliche Zuneigung geglaubt hatte. Uma Thurman und vor allem Keanu Reeves fallen in ihren Rollen etwas zurück, da das Drehbuch ihnen keine sonderlich wichtige Position zugeteilt hatte.

    „Gefährliche Liebschaften“ ist ein immer mal wieder gern gesehener Film, der scheinbar nur von einer Epoche des Untergangs handelt und doch so viel zu sagen hat über Macht, Sex und Geld, über die Funktionalisierung von Menschen und die Tragik, die sich aus solchen skrupellosen Ränkespielen entwickelt oder entwickeln kann. Die Allmachts-Phantasien, die der Vicomte und die Marquise Realität werden lassen, ziehen beide zuletzt selbst in den Untergang, aber wie viele andere mussten dafür vorher zugrunde gehen?

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