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    Top Secret!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Top Secret!
    Von Jonas Reinartz

    Die Buchstaben ZAZ stehen freilich zunächst einmal für das aus dem Geschwisterpaar David und Jerry Zucker und Jim Abrahams bestehende Regie- und Drehbuchtrio, doch eigentlich signalisieren die Initialen für jeden, der einmal einem ihrer Humor-Frontalangriffe ausgesetzt war, vor allem eines: blühenden Nonsens. Ihr Aufstieg begann Ende der 1960er mit dem von ihnen gegründeten Kentucky Fried Theatre, das vor bald ausverkauftem Haus vor Zoten nur so strotzende Sketche zeigte. 1977 realisierte (Horror-)Komödien-Spezialist John Landis („American Werwolf“, Blues Brothers, Masters of Horror: Deer Woman) eine Kinovariante unter dem einzig folgerichtigen Titel „Kentucky Fried Movie”. Obgleich dort nicht jede Episode als geglückt bezeichnet werden kann, insbesondere die Bruce-Lee-Persiflage „A Fistful Of Yen“ ist schlicht zu lang geraten, war es ein bemerkenswerter Einstieg ins Filmbusiness. Mit ihrer ersten Regiearbeit „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ erfanden ZAZ drei Jahre darauf dann gleich ihr eigenes Subgenre, den movie spoof. Bei „Top Secret“ aus dem Jahre 1984 handelt es sich um kein absolutes Highlight der seit „Scary Movie“(zumindest kommerziell) wieder erfolgreichen Gattung, da die Gagdichte desöfteren zu wünschen übrig lässt, Val Kilmer nicht wirklich überzeugen kann und sich gewisse Längen einschleichen, doch insbesondere die bewusst klischeehafte Darstellung der Deutschen durch die wohlbemerkt jüdischen Regisseure und die sagenhaft komische Rolle von Omar Sharif (!) bereiten über weite Strecken großen Spaß.

    Nick Rivers (Val Kilmer) ist einer der Superstars nicht nur der amerikanischen Musikszene. Mit seinem Rock-’n’-Roll-Retro-Sound, einem Mix aus Elvis, Buddy Holly und den Beach Boys, dominiert er lässig die Charts und lässt die Herzen seiner weiblichen Fans stetig schneller schlagen. Derweil schmiedet der sinistre Geheimdienst der Deutschen Demokratischen Republik finstere Pläne. Er hat den genialen Tüftler Dr. Paul Flemmond (Michael Gough) entführen und einsperren lassen, um seine Erfindungen für das Streben nach Weltherrschaft zu nutzen. Folglich darf nicht der geringste Verdacht aufkommen und so wird zwecks Ablenkung ein internationales Musikfestival anberaumt, zu dem überraschend auch Nick eingeladen wird. Bereits im Zug muss er erfahren, dass mit den ostdeutschen Behörden nicht zu spaßen ist. Geringfügige Vergehen werden erbarmungslos vergolten. Ebenfalls im Lande befindet sich der ungeschickte Geheimagent Cedric (Omar Sharif), der zu Recht eine Verschwörung höherer Kreise wittert und sich aufmacht, Beweise aufzuspüren. Unterdessen wird Nick mitten in die verworrenen Geschehnisse verstrickt, als er der Tochter des Entführten, Hillary Flammond (Lucy Gutteridge), die sich, wie auch ihr Komplize Cedric, in eine sehr gefährliche Lage manövriert hat, behilflich sein will.

    Die Parodie (griechisch: „Gegengesang“) ist per Definition eine in „allen Künsten beheimatete Form des satirischen Spotts auf das Althergebrachte und stereotypisierte Inhalte in der Geschichte der Künste, aber auch anderer Kommunikationsformen […].“ [1] Da gerade die traditionell aktionsbetonten Genres wie Abenteuer-, Horror - oder Westernfilm sich aus aneinander gereihten Standardsituationen zusammensetzen und stark schematische Figurenkonstellationen aufweisen, man denke etwa an die frühen Western, in denen ein weiß gekleideter Heroe einem schwarz gewandeten Antagonisten übersteht, boten sich diese bevorzugt der Parodierung an. Bereits in der Frühzeit des Kinos war dies der Fall und es entstand eine langlebige Tradition. Als einige sehenswerte Beispiele seien Buster Keatons „Der Cowboy“, „Die Marx Brothers im Wilden Westen“, Roman Polanskis Tanz der Vampire oder Mel Brooks „Höhenkoller“ genannt. Die besten Vertreter verstanden es, in einer geschickten Melange aus ätzendem Spott und liebevoller Referenz, die durch die detailgetreue Nachstellung von Dekors, Kostümen und Masken dem Publikum ein Gefühl der Vertrautheit zu geben und die zugleich die Filmgeschichte und darin enthaltene konservative Mechanismen zu entzaubern bzw. offenzulegen und auf eben die unverdächtigste, die humorvolle Art zu kritisieren.

    Wollte man die Neuerung, die das ZAZ-Team hineinbrachte, festmachen, so ist es zweifellos die Wahllosigkeit der Persiflage ausgelieferten Vorbilder. Dies zeigte sich bereits in ihrer ersten eigenen Produktion, der erwähnten „Airport“-Parodie. War die Grundlage des Plots zwar die immergleichen Katastrophenszenarien der vor Stars nur so strotzenden Universal-Reihe, so konnte auf einen Stewardess-Gag eine von John Travoltas „Nur Samstag Nacht“-Auftritt inspirierte Tanzszene mit anschließender Kneipenschlägerei folgen. Die hohe Gagdichte, bei der zwar nicht alle Gags zündeten, jedoch pro Minute immer noch ausreichend viele, führte folglich auch zu einem episodenhaften Charakter, der angesichts der ohnehin recht handlungsarmen Vorbilder und der detailverliebten Inszenierung, etwa bei sight gags – bei der sich im Vordergrund eine ernsthafte Handlung oder ein Gespräch vollzieht, während im Hintergrund etwas unvorhergesehen Komisches passiert, oft in der Unschärfe – machten in der Frühphase dieses Manko wieder wett. Auf dem absoluten Höhepunkt war diese Masche 1988 in Die nackte Kanone mit dem ausrangierten B-Movie-Darsteller Leslie Nielsen („Alarm in Weltall“, Poseidon Inferno), dessen Besetzung sich als genialer Einfall erwies.

    Spätestens im dritten Teil zeigten sich Ermüdungserscheinungen, zumal auch dort nicht mehr das bewährte Team Regie führte und nun mehr Filmzitate zu beliebig ausgewählt wurden, was auch auf die „Hot Shots“-Reihe von Jim Abrahams und Nielsens Solo-Ausflüge („Die römische Kanone“, „Agent 00 – Mit der Lizenz zum Totlachen“) zutrifft. Zu Anfang des neuen Jahrtausends kombinierte dann Dimension Films, ihres Zeichens auf den Mainstream ausgerichtete Schwesterfirma von Miramax, den Teeniehumor der American Pie-Reihe mit jenem der Filmparodie und fuhr an den Kinokassen mit den ersten beiden Teilen von „Scary Movie“ an den Kinokassen große Erfolge ein. Die amüsante political incorrectness der Vorgänger wurde nun zum enervierenden Selbstzweck. Ausgerechnet David Zucker führte die Reihe zwei Mal fort, zwar weniger vulgär, doch nicht gerade inspiriert. In regelmäßigen Abständen erscheinen derzeit Parodien auf die letzten Kinoerfolge, meistens von erschreckender Qualität, wie etwa Meine Frau, die Spartaner und ich, Fantastic Movie oder Date Movie. Angesichts dieser filmischen Totalausfälle erscheinen insbesondere auch die weniger gelungenen, älteren Vertreter in einem besseren Licht.

    „Top Secret“ hat dies allerdings nicht nötig. Bereits die einleitende Montage zu Nick Rivers Musik bietet eine perfekte Verballhornung der unzählbaren, weitestgehend sinnfreien Elvis-Verhikel der 50er Jahre („Blue Hawaii“, „Girls! Girls! Girls!“). Auch über Amerika fällt hier ein hartes Urteil, es wird als oberflächliches und komplett naives Land gezeigt, dessen perfekter Vertreter nun einmal Rivers ist, den außer seiner Musik nichts zu interessieren scheint. Gemäß ihrer Devise, sich mit allen Fraktionen anzulegen, laufen die beiden Zuckers und Abrahams in ihrer Darstellung der DDR zu ganz großer Form auf. Sämtliche Schergen der Stasi tragen schwarze SS-Uniformen, auf denen die berüchtigten Runen nur leicht modifiziert worden sind und erinnern nicht von ungefähr an Wolfgang Kielings unfreiwillig komischen Auftritt in Alfred Hitchcocks einzigem Fehltritt „Der zerrissene Vorhang“, in dem Ostdeutschland als ein aus minderwertigen Rückprojektionen von Aufnahmen zerbombter Städte zusammengesetztes, vor wie Nazischergen aussehenden Geheimdienstleuten nur so wimmelndes Retro-WWII-Kunstprodukt erschien. Somit werden die arg simplifizierenden Muster klassischer Geheimdienstfilme bloßgelegt. Konsequent ist dann freilich, ein Segment einzufügen, in dem ein dem „Dreckigen Dutzend“ ähnelndes Himmelfahrtskommando vorgestellt wird, bestehend aus Mitgliedern mit wahrhaft furchterregenden Namen wie „Chocolate Mousse“ oder „Déjà Vu“. Dass deren Gegner wie Wehrmachtssoldaten ausschauen, dürfte niemanden überraschen.

    Nimmt man witzige Details wie die deutschen Schäferhunde, von muskulösen Männern dargestellte Schwimmerinnen oder lebensbedrohlichen „Wein des Volkes“, hinzu, so muss man gerade als Deutscher mindestens schmunzeln. Hinzu kommt, dass das kreative Team auch vor ihrer eigenen Herkunft nicht zurückschreckt, wie der Name des Hotels „Gey Schluffen“, der sich über das Jiddische lustig macht, beweist. Val Kilmer setzt kein Glanzlicht, auch wenn seine Steifheit ausnahmsweise einmal zu seiner Rolle passt. Ein Highlight hingegen ist Omar Sharif (Lawrence von Arabien, Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran), der würdevoll und mit erfrischender Selbstironie abgestandenen Holzhammer-Slapstick zu einem kleinen Kunststück werden lässt. Passend dazu wurde der seit dem „Lara“-Thema aus „Doktor Schiwago“ global bekannte Komponist Maurice Jarre engagiert, der das Geschehen mit einem Augenzwinkern dramatisch untermalt. Man spürt zwar das Bemühen, eine einigermaßen zusammenhängende Geschichte zu konstruieren, doch daraus resultieren einige Längen, wo lieber einige absurde Witze mehr besser am Platze gewesen wären. Von diesen gibt es allerdings ausreichend, um für einen vergnüglichen Filmabend zu sorgen. Besonders macht sich erneut der Sinn von ZAZ für komplett abstruse Albernheiten, die mitunter an den kreativen Humor der Simpsons erinnern, bemerkbar und sorgt schlicht für gute Stimmung.

    „Top Secret“ kann nicht an ein Komödienglanzlicht wie „Die nackte Kanone“ heranreichen, bietet aber dennoch gutes Timing, viele mit Liebe zum Detail aufbereitete Klischees und einige wunderbare bizarre Einfälle. Hauptdarsteller Val Kilmer bleibt ein wenig blass, ein Veteran wie Omar Sharif, den man hier am wenigsten erwartet hätte, hinterlässt durch seine Leinwandpräsenz bei seinen kurzen, rar gesäten Auftritten einen bleibenden Eindruck. Für Fans des Genres, die sich ein wenig für dessen Geschichte interessieren, lohnt sich das Ansehen doppelt, handelt es doch hier um einen weniger bekannten und populären Vertreter, der auf vieles vorausweist, was noch kommen sollte.

    [1] Marschall, Susanne: Parodie. In: Sachlexikon des Films. Hrsg. von Thomas Koebner. Ditzingen: Reclam 2002, S. 439-440, hier: S. 440.

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