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    Freche Mädchen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Freche Mädchen
    Von Jan Hamm

    Jugendromane sind der Inbegriff zielgruppenorientierter Literatur. Möglichst präzise soll dem jungen Publikum auf den Mund geschaut werden, möglichst authentisch soll das alles klingen. Und natürlich darf es dabei auch immer ein bisschen pädagogisch zugehen, denn die Leser sollen sich verstanden und gelegentlich auch bestätigt fühlen. Das ist anspruchsvolles Handwerk, und viele scheitern daran. Nicht so Bianka Minte-König, die mit ihren Beiträgen zur Mädchenbuchreihe „Freche Mädchen – freche Bücher“ eine merchandise-trächtige Bestseller-Serie etablieren konnte. Jetzt wird die Produktpalette um die obligatorische Verfilmung ergänzt. Und damit die auch ganz sicher ein Erfolg wird, sind allerlei bekannte Gesichter dabei. Eines davon, Teenie-Star Wilson Gonzalez Ochsenknecht, sorgt allerdings eher für Skepsis: Sommer, der jüngste Film seines Bruders Jimi Blue, war ein uninspiriertes und allzu offensichtliches Star-Vehikel. Glücklicherweise geht „Freche Mädchen“ einen anderen Weg und bietet trotz deutlicher Schwächen humorvolles und leichtfüßiges Unterhaltungskino.

    Über ernsthafte Probleme kann die 14-jährige Mila (Emilia Schüle) wirklich nicht klagen. Zu kämpfen hat sie höchstens mit ihrer Legasthenie und ihrer chaotischen Mutter (Anke Engelke). Gemeinsam mit ihren besten Freundinnen Hanna (Selina Shirin Müller) und Kati (Henriette Nagel) nimmt sie sich vor, die einsame Deutschlehrerin (Anna Böttcher) mit ihrem Musikkollegen (Piet Klocke) zu verkuppeln. Die Folgen dieser gutgemeinten Tat bringen dem Trio allerdings ganz eigene Liebesprobleme und die ein oder andere Bewährungsprobe ihrer Freundschaft ein. Zugleich fasziniert und verängstigt stellt sich Mila den neuen, rätselhaften Gefühlen – und muss nach ersten Gehversuchen beim charmanten Referendar Pit Winter (David Rott) erst einmal herausfinden, an wen sich diese überhaupt richten sollen...

    Milas Weg zur ersten großen Liebe führt durch zahlreiche kleine Episoden, die viele Nebencharaktere mit sich bringen. Eine der Stärken von „Freche Mädchen“ ist, dass mit dieser Vielzahl souverän hantiert wird. Obgleich alle Figuren ihre Momente eingeräumt bekommen und die Erfahrungen von Hanna und Kati aufmerksam mitverfolgt werden, passiert das stets aus Milas Blickwinkel, was sie als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte etabliert. Dass das gut funktioniert, liegt vor allem daran, dass die Identifikation leicht fällt. Milas Innenleben wird nicht nur durch ein „Voice over“, sondern auch durch ausgesprochen amüsante Tagträume kommentiert, deren Inszenierung klar an die Comedy-Serie „Scrubs“ angelehnt ist. Ob es sich um explodierende Schulen oder strippende Lehrer handelt, stets sorgen die Träumereien für Tempo und halten das Publikum bei Laune. Zudem ist Emilia Schüle in ihrer ersten Hauptrolle gut aufgehoben und hätte den Film notfalls auch ohne die Hilfe der restlichen, hochkarätigen Besetzung tragen können.

    Der Erwachsenen-Cast wirkt hingegen austauschbar. Natürlich sind Armin Rohde, Anke Engelke und Piet Klocke unverwechselbare Darsteller, die ihr Können nicht erst unter Beweis stellen müssen. Das scheinen sie zu wissen, denn nuanciertes Schauspiel sucht man hier vergebens. Stattdessen wird hemmungslos geklotzt. Der Spaß am Overacting ist den Großen zwar anzumerken, trotzdem verkommen ihre Charaktere damit zu eindimensionalen Klischees. Sicher, „Freche Mädchen“ versucht sich erst gar nicht an pointiertem Humor à la Juno, dennoch wäre hier weniger deutlich mehr gewesen. So ist zum Beispiel jeder Lehrer peinlichst darauf bedacht, sein Fach als ultimativen Schlüssel zum Weltverständnis darzustellen, zur Not auch durch hysterisches Gekeife. Und bei Engelkes Auslegung von Milas verwirrter Mutter fragt man sich ernsthaft, wie diese überhaupt alltagsfähig – geschweige denn in der Lage, ein Kind großzuziehen - sein kann. Wie man es besser macht, zeigte zuletzt Vivian Naefe mit ihren Cornelia-Funke-Verfilmungen Die wilden Hühner und Die wilden Hühner und die Liebe: In diesen wurden die Probleme der erwachsenen Charaktere mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie die der jugendlichen Protagonisten angegangen.

    Der Mangel an Ernsthaftigkeit wird auch in den Momenten ersichtlich, die sich mit dem Liebeskummer der Mädchen befassen. Eine Szene zelebriert etwa genüsslich, wie sich das Trio gegenseitig Trost spenden will, dann aber in einen kollektiven Heulkrampf verfällt. Das wirkt eher quengelig als gequält. An entscheidenden Stellen fehlt dann wiederum die dringend notwendige Selbstironie. Wilson Gonzalez Ochsenknecht (Die wilden Kerle 3) ist zwar kein hervorhebenswerter Schauspieler, dass er seine Coolness als Mädchenschwarm-Stereotyp aber unnötig über die Maßen forciert, liegt auch daran, dass seine Rolle kaum mehr hergibt. Und wenn Mila im Finale endlich den Richtigen küssen darf, treibt die ikonographische Darstellung ihrer Silhouetten samt knallrotem Sonnenuntergang den ironiefreien Kitschfaktor in unangenehme Höhen.

    Aber wie Jugendromane müssen natürlich auch Jugendfilme vor allem beim Zielpublikum ankommen. Und was der Film dafür wirklich braucht, das hat er: eine durchgehend sympathische Hauptfigur, der man gerne durch die locker-leichte Geschichte folgt. Besonders frech sind die Mädchen allerdings nicht und zu einer echten Auseinandersetzung mit der komplizierten Situation eines pubertierenden Teenagers kommt es auch nur selten. Hier hätten eine bessere Ausbalancierung der Humorelemente und ein paar mehr nachdenkliche Momente viel bewirken können. Ein unterhaltsamer, sympathischer und größtenteils sauber inszenierter Film ist „Freche Mädchen“ aber trotzdem geworden.

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