Optisch herausragend, aber mit einer etwas wirren Story am Ende
Hayao Miyazaki hatte in den 90ern und auch Anfang der 2000er Ghibli nicht nur geprägt, sondern auch quasi zum Leben erweckt. Sein Film von 2004, „Das wandelnde Schloss“, hat seine Fans, aber ich war etwas enttäuscht von der doch sehr komplizierten und verworrenen Story. Dieses Problem hatte ich auch mit seinem neusten Werk „Der Junge und der Reiher“ und irgendwie scheint es eine Macke bei ihm zu sein. Seine älteren Filme waren oftmals deutlich stringenter und geradliniger, wie etwa „Kikis kleiner Lieferservice“ oder „Prinzessin Mononoke“. Selbst der atemberaubende „Chihiros Reise ins Zauberland“, mit seinen vielen Figuren und wilden Handlungssträngen, hat einen roten Faden, der das Ganze wunderschön zusammenhält.
2006 erschien mit „Die Chroniken der Erdsee“ der erste richtig schwache Ghibli-Film von Miyazakis Sohn Gorō. Sogar der Vater war enttäuscht ud machte daraus auch kein Geheimnis. Zwei Jahre später, 2008, sollte der Papa es nun vormachen, wie es richtig geht. Sein damaliges Werk hieß „Ponyo“ und basierte vage auf „Die kleine Meerjungfrau“, hatte aber auch viele andere Einflüsse, wie etwa ein japanisches Kinderbuch über eine Tagesstätte. „Ponyo“ war zwar nicht mehr so erfolgreich wie andere Ghibli-Klassiker, konnte sich aber besonders über die Jahre eine große Fangemeinde aufbauen. Anders als andere Ghibli-Filme, orientiert sich „Ponyo“ an einer deutlich jüngeren Zielgruppe, ist aber natürlich auch von allen Altersklassen zu genießen. Doch wie gut ist „Ponyo“?
Die Geschichte startet zunächst sehr einfach: Der Zauberer, Fujimoto, achtet auf die Unterwasserwelt und sammelt viele Meereskreaturen. Darunter auch das Goldfisch-Mädchen Ponyo. Die schafft es aber eines Tages auszubüchsen und trifft an der Wasseroberfläche den kleinen Jungen Sōsuke.Beide freunden sich schnell an und erleben wunderbare Abenteuer. Doch Ponyo hat mit ihrem Leben an Land da Gleichgewicht der See und auch der ganzen Welt aus den Fugen gebracht. Die Folge sind große Orkane und Tsunamis…
Und noch viel wilder ist der tatsächliche Film. So simple und intim die Geschichte beginnt, so gigantisch wird das Ganze im Verlaufe. Und wieder muss ich leider sagen, dass mich das etwas stört. Denn „Ponyo“ ist in der ersten Hälfte ein wundervoller, märchenhafter Anime, der vor allem Kindern ein großartiges Abenteuer bietet. In typischer Miyazaki-Ghibli-Magie erleben wir ein harmonisches und ruhiges Leben der Hauptfiguren, in welches ein Funke Magie und Chaos kommt (in Form der kleinen Ponyo).
Dann aber überschlagen sich die Ereignisse und plötzlich steht die Zerstörung der ganzen Welt im Raum. Tsunami-Wellen und ein Mond, der auf die Erde zu krachen droht. Miyazaki hat wie immer unfassbar schöne Ideen und Figuren in seinem Film und auch die Story ist zunächst herrlich unaufgeregt, selbst wenn es actionreich wird. Doch irgendwann kommt der Punkt, wo das Ganze etwas zu wirr und zu konfus wird. Das Tempo wird immer schneller und wilder und man kommt als Zuschauer immer schlechter hinterher, zumindest geht es mir so. Ich wünschte der Film hätte ein oder zwei Twists am Ende einfach weggelassen. Auch sind mir hier die Expositions-Dialoge vom Zauberer Fujimoto sehr stark aufgefallen und haben mich genervt. Ein bisschen weniger Erklärungs-Texte hätte dem Film ganz gut getan.
Trotzdem ist „Ponyo“ (wie auch „Das wandelnde Schloss“ und „Der Junge und der Reiher“) ein Film, der bei mehrmaligem Sehen vielleicht etwas mehr Sinn ergibt. Ich habe schon das Gefühl, dass sich hier eine große und spannende Geschichte verbirgt, die man beim zweiten oder dritten Schauen vielleicht besser begreift.
„Ponyo“ hinterlässt dennoch einen positiven Eindruck. Vor allem optisch unterscheidet sich der Film von anderen Ghibli-Werken. Die Figuren und gerade die Hintergründe sind deutlich simpler gezeichnet und erinnern an eine Art Kinderbuch, was ich wundervoll finde. Der Film sieht umwerfend aus, vor allem in seinen abstrakteren Momenten, aber das ist ja keine große Überraschung.
Auch die Musik von Joa Hisaishi ist imposanter als alle seine anderen Ghibli-Scores. Mit großen Chören hat „Ponyo“ einen wirklich epischen Touch, ist aber ansonsten auch voll von zauberhafter Musik. Ein weiterer, großartiger Soundtrack!
Fazit: „Ponyo“ ist nicht der beste Ghibli-Film und hätte mehr von der Weisheit „Weniger ist Mehr“ vertragen, bietet aber bahnbrechende Bilder, großartige Musik und eine süße Geschichte über eine Freundschaft, die die Grenzen von Wasser und Erde sprengt.