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    Frost/Nixon
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Frost/Nixon
    Von Carsten Baumgardt

    Am 20. Januar 2009 wurde Barack Obama der 44. Präsident der Vereinigten Staaten und somit mächtigster Mann der Welt. Ein größeres Maß an Verantwortung birgt wohl kaum eine andere Jobbeschreibung. Doch die Bürde des Amtes wirkt bisweilen auch erdrückend. Niemand bekam dies so deutlich zu spüren wie Richard Nixon, der von 1969 bis 1974 als 37. Präsident im Amt weilte. Neben George W. Bush (2001 bis 2009) und Harry S. Truman (1945 bis 1953) war Nixon der unbeliebteste US-Staatschef überhaupt. Außerdem ist er der einzige, der von seinem Amt frühzeitig zurücktreten musste. „Tricky Dick“ stolperte 1974 über die Watergate-Affäre (siehe auch Die Unbestechlichen). Nur ein einziges Mal hat sich Nixon vor einer Fernsehkamera für seine Schandtaten verantwortet: 1977 in einer Interview-Reihe mit dem britischen TV-Journalisten David Frost. Regisseur Ron Howard nutzt dieses TV-Ereignis der Siebzigerjahre in „Frost/Nixon“ für ein elektrisierendes Polit-Drama, das unterhaltsam die Mechanismen der Medien vorführt.

    Frost: „Es kann nur einer von uns gewinnen.”

    Nixon: „Und ich werde Ihr schärfster Gegner sein. Ich komme zu Ihnen mit allem, was ich habe. Denn nur einer von uns beiden kann im Scheinwerferlicht stehen. Für den anderen bleibt die Wildnis. Einsamkeit mit nichts als den Stimmen, die in unseren Köpfen klingen.“

    Der Stern des britischen Talkmasters David Frost (Michael Sheen) sinkt. Nach seinen Anfängen als Satiriker erlangte er mit einer Promi-Talkshow Berühmtheit, doch die Sendung wird abgesetzt. Eine kühne Idee bringt ihn jedoch noch näher an den Abgrund: Der in der Branche als „Leichtgewicht“ bekannte Frost will den ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon (Frank Langella) interviewen. Doch die Anfrage verhallt vorerst unbeantwortet. Erst 1977, als der öffentliche Druck zu groß wird, entschließt sich der durch das Watergate-Debakel gebrandmarkte Ex-Präsident, die Herausforderung anzunehmen und sich den Fehlern seiner Amtszeit zu stellen. Die Zusage an Frost überrascht, ist aber von Nixon und seinen Beratern wohl überlegt. Nixon ist zwar unbeliebt, aber intelligent und ein brillanter Redner. Deshalb geht er sicher davon aus, dass er den Entertainer-Filou Frost in Grund und Boden argumentieren wird. Bei den amerikanischen TV-Sendern beißt Frost, der von dem gestandenen Reporter Bob Zelnick (Oliver Platt) und dem radikalen Buchautor James Reston (Sam Rockwell) beraten wird, auf Granit. Er kann sein teuer selbst vorfinanziertes Programm nicht an den Mann bringen, weil ihm niemand zutraut, Nixon zu knacken und ein Geständnis aus ihm herauszuholen. Das ehrgeizige Projekt droht in ein journalistisches Himmelfahrtskommando auszuarten...

    Erst im Nachhinein avancierten die TV-Duelle zwischen David Frost und Richard Nixon zur Legende. Die Interviews, die in zwölf Sessions ab dem 23. März 1977 aufgezeichnet wurden, gingen wenig später in vier 90-minütigen Folgen über den Sender. Die finale Episode sahen 45 Millionen Amerikaner - die bis heute höchste Einschaltquote für ein politisches Programm und ein Meilenstein der TV-Geschichte, weil „Underdog“ Frost den gewandten Rhetoriker Nixon auf der Zielgeraden doch noch spektakulär zu Fall brachte. Autor Peter Morgan (Die Queen, Der letzte König von Schottland, Die Schwester der Königin) reanimierte den Stoff 2006 für ein Londoner Theater, wo Regisseur Michael Grandage das Tony-Award-prämierte Zwei-Personen-Stück mit Frank Langella (Good Night, And Good Luck, Die neun Pforten) und Michael Sheen (Blood Diamond, Laws Of Attraction,) mit großem Erfolg inszenierte. Hollywood-Regisseur Ron Howard (A Beautiful Mind, Apollo 13, The Da Vinci Code, Kopfgeld) beweist bei seiner Verfilmung Konsequenz und verpflichtete mit Langella und Sheen die Hauptdarsteller der ursprünglichen Theaterfassung. Da Howard jedoch kein Mann für intime Kammerspiele ist, erweiterte der Amerikaner das Zwei-Mann-Stück zu einer groß angelegten Kinoproduktion – allerdings ohne dabei den Fokus von den Duellanten Frost und Nixon zu nehmen.

    Howard ist kein Intellektueller. Aber sein Gespür für Kinobilder und seine Fähigkeit, hochwertige Einzelteile zu einem homogenen Ganzen zusammenzufügen, zeichnen ihn aus. Und diese Talente kommen auch bei „Frost/Nixon“ wieder voll zum Tragen. Der Film glänzt auf gleich mehreren Ebenen. Optisch ist das Polit-Drama ein elegantes Period Piece, das den Geist der Siebzigerjahre einfängt. Doch das allein macht noch keinen guten Film. Howard war clever genug, um die brillant geschliffenen Dialoge der Theatervorlage beizubehalten und Peter Morgan auch für die Drehbuch-Adaption seines Stückes zu verpflichten.

    Michael Sheen, der schon als britischer Premierminister Tony Blair in Die Queen begeisterte, gelingt dies auch als David Frost. Er zeigt die ganze Verzweiflung, die Frost umgibt. Keiner, nicht einmal seine engsten Mitarbeiter, traut ihm etwas derart Großes zu. Am Ende bleibt Frost nur noch Zweckoptimismus und die Hoffnung auf einen Lucky Punch – zu überlegen ist das weltmännische Schwergewicht Richard Nixon. Übertroffen wird Sheens herausragende Leistung nur noch von Frank Langella. Seine Darstellung des Richard Nixon ist Oscar-verdächtig. Besonders effektiv für die Dramaturgie erweist sich der Schachzug, Nixon nicht als reaktionäres Polit-Monster zu zeigen, sondern ihm zu einem gewissen Grad Sympathien zukommen zu lassen. Langella gibt seinen „Tricky Dick“ als verbitterten Mann, der sich völlig falsch verstanden fühlt, aber trotzdem eine fatalistische Gelassenheit ausstrahlt (siehe auch Oliver Stones Nixon).

    60 Prozent der Entscheidungen des Ex-Präsidenten waren richtig, 30 Prozent falsch, aber im richtigen Glauben getroffen, und nur zehn Prozent vorsätzlich schlecht, referiert Nixons Stabschef Colonel Jack Brennan (Kevin Bacon, Mystic River, Apollo 13) an einer Stelle. Die öffentliche Wahrnehmung reflektiere aber nur den letzten Teil, beklagt er. Der pure Hass der Vietnamkriegs-Generation potenzierte sich auf Nixon, der bei jüngsten geschichtlichen Neubetrachtungen zwar nicht von Schuld freigesprochen wird, aber dessen außenpolitische Entscheidungen zumindest teilweise posthum versöhnlicher bewertet werden.

    In Sachen Zynismus nehmen sich Frost und Nixon nicht viel, was einige knochentrockene Sprüche in Oneliner-Manier mit sich bringt. Nixon war dem Geld nicht abgeneigt und wollte sein desaströses Bild in der Öffentlichkeit bereinigen. Er galt zwar als bieder bis zur Bräsigkeit, aber auch als sehr gefährlich. Auf der Gegenseite legte Frost alles daran, Nixon ein Eingeständnis seiner Schuld und eine Entschuldigung für seine Fehlleistungen abzuringen. Wie zwei Boxer belauern sich die beiden – ohne dabei je den Respekt voreinander zu verlieren. Exemplarisch führt „Frost/Nixon“ eine frühe Phase der Veränderung des Präsidentenamtes durch den (Ein)-Druck der neuen Medien vor: 1960 verlor Nixon, der zuvor als geschliffener Redner Erfolge en masse verbuchen konnte, ein Fernsehduell gegen John F. Kennedy, das ihn die Präsidentschaft kostete. Er begann fürchterlich zu schwitzen und sein Make-up verlief, während Kennedy souverän mit den Fallstricken des Fernsehens umging. Aus dieser bitteren Niederlage wollte Nixon lernen und seinen offensichtlich unterlegenen Kontrahenten rhetorisch dem Erdboden gleichmachen. Welch eine Ironie des Schicksals, dass Nixon auf den letzten Metern von Frost beim Thema Watergate gekreuzigt wurde und der gefallene Präsident dem amerikanischen Volk eingestehen musste, dass er es betrogen und verraten hatte.

    Fazit: Regisseur Ron Howard hat sich eine Sternstunde des Fernsehens herausgepickt, die den perfekten Stoff fürs Kino liefert. Optik, Dialoge, Dramaturgie, Schauspiel: Hier stimmt einfach alles. Howard wendet sich mit seinem Thriller-ähnlichen Polit-Drama eindeutig an die breite Masse und nicht nur an Politinteressierte. Deshalb macht er den einen oder anderen Punkt vielleicht auch etwas zu deutlich, was ihm angesichts der herausragenden Qualitäten seines Films aber gerne zu verzeihen ist.

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