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    Gangs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Gangs
    Von Lars-Christian Daniels

    Mädchen-Schwärmereien sind etwas ganz Spezielles und für die ältere Generation (oder auch für die Jungs) nicht immer leicht nachzuvollziehen. So werden unzählige 10- und 12-jährige Mädels in Rainer Matsutanis Teenie-Drama „Gangs“ strömen, um ihr Idol Jimi Blue Ochsenknecht auf der Leinwand zu bewundern, das auch entsprechend wirkungsvoll in Szene gesetzt wird. Auch wenn sich diese Faszination nicht allen erschließt, ist sie doch das einzig Erwähnenswerte an diesem Film, der mit teilweise peinlichen darstellerischen Leistungen, vor Klischees triefenden Charakteren und einem Drehbuch, das jede zweitklassige TV-Produktion unterbietet, aufwartet.

    Die Geschichte des Films ist schnell erzählt und ließe sich problemlos in eine BRAVO-Foto-Love-Story verwandeln. Da gibt es Flo (Jimi Blue Ochsenknecht, „Die Wilden Kerle 1-5“, Sommer), Mitglied der „ROX“, einer Gang, die mit ihren Enduros die Straßen Berlins unsicher macht und krumme Dinger dreht. Flo ist der Bruder von Anführer Chris (Wilson Gonzalez Ochsenknecht, „Die Wilden Kerle 1-4“, Freche Mädchen), der frisch aus dem Knast kommt und nichts Besseres zu tun hat, als sofort den nächsten Raubüberfall zu planen. Flo ist da eher der sensible Typ und weiß gar nicht so recht, warum er sich in die Gang verirrt hat. Er schwärmt für Sonnenuntergänge und für die schöne Sofie (Emilia Schüle, „Freche Mädchen“). Die ist klug, hat steinreiche Eltern und möchte wie die Mama (Marie-Lou Sellem) mal Ballett-Star werden. Flo und Sofie verlieben sich natürlich ineinander. Dumm nur, dass Chris dringend Geld braucht, um Schulden beim brutalen Rico (Christian Blümel, Der Baader Meinhof Komplex) zu begleichen, und von seinem Bruder verlangt, bei Sofies Eltern auf Beutezug zu gehen…

    „Gangs“ ist eines jener Produkte, bei denen immer schon fünf Minuten vorher klar ist, was als nächstes passieren wird und in denen keine einzige originelle Figur auftaucht. Die Mutter, die ihre nie verwirklichten Ballett-Träume über ihr Kind ausleben will; die Tochter, die das irgendwann merkt und endlich ihr eigenes Leben führen will; die beste Freundin mit den guten Ratschlägen und natürlich der Bad Guy, dem seine große Liebe die Augen öffnet. Die Aufzählung könnte noch länger fortgeführt werden. Dies alles verblasst allerdings angesichts der kaum anders als lächerlich zu bezeichnenden Darstellung der „ROX“-Clique mitsamt Kampfhund „Eisen“. Die Kindergarten-Ausgabe der „Hells Angels“ fährt zwar Motorrad, sprayt bei helllichtem Tag an Hauptverkehrsstraßen und verprügelt breit gebaute Erwachsene, aber wenn der coole Chris mal auf die Fresse kriegt und blutend nach Hause kommt, dann wird geflennt. Das Selbstverständnis der Gang bleibt genauso unklar wie der Realitätsbezug des ganzen Films.

    „Wir sind halt die ROX.“

    Die „ROX“ – der Name legt es nahe – tragen hautenge Jeans, Schnürstiefel und schwarze Lederjacken. Wie Rocker eben. Zugleich lassen sie sich aber auf jeder Hinterhof-Party von schweren Hip-Hop-Bässen bewummern. ROX sehen aus wie 15, kriegen aber in jeder Bar die Kurzen eingeschenkt, und ROX geraten immer wieder mit der chinesischen Gang aus dem Nachbarviertel aneinander. Wer die sind? Auch egal, Hauptsache, sie gucken böse.

    Dass Jimi Blue Ochsenknecht und sein Bruder Wilson Gonzalez die Schauspielkunst nicht erfunden haben, ist an sich nicht weiter schlimm. Wie Jimi Blue sich von seiner Filmpartnerin Emilia Schüle nach allen Regeln der Kunst an die Wand spielen lässt, fällt allerdings doch unangenehm auf. Im Gegensatz zum Teenie-Schwarm weiß diese nämlich durchaus zu überzeugen. Wilson Gonzalez hat es etwas leichter als der überforderte Bruder: Er braucht nur hin und wieder grimmig dreinzublicken und im schmutzigen Muskelshirt durch die Gegend zu laufen. Dass er und seine Kollegen kaum das Motorrad gerade halten können, sei ihnen verziehen. Sie sind halt die „ROX“.

    Wenn sich der softe Flo vom Saufgelage mit den Kumpels in die Ecke verkrümelt, weil er lieber im Buch seiner Freundin schmökern will, ist dies einer der zweifelhaften Höhepunkte einer unerbittlichen Holzhammer-Dramaturgie. Den passenden Schlusspunkt setzt eine nach Schema F dargebrachte Moral von der Geschicht‘. Gerade die eingefleischten Fans haben mehr verdient.

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