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    Homosexualität im Fußball: Es ist wichtig, dass "Ted Lasso" dieses Thema nach Mental Health endlich auch aufgreift
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Schaut Serien am liebsten bei Streaming-Diensten wie Netflix, AppleTV+, Disney+ oder Prime Video. Seine besten Serien 2023 sind "The Bear", "Shrinking" und "Star Wars: The Bad Batch".

    Dass sich schwule Fußballer immer noch verstecken müssen, ist für FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher ein Thema, welches „Ted Lasso“ unbedingt erzählen musste. Umso glücklicher ist er, dass es nun passiert.

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    Achtung: Es folgen kleinere SPOILER zur aktuellen dritten Episode von „Ted Lasso“!

    Als ich vor der Ausstrahlung der aktuellen dritten Staffel von „Ted Lasso“ zu Interviews mit einigen der Beteiligten eingeladen war, stand eine Frage dick auf meinem Zettel. Ich wollte mit den Machern und den Stars darüber reden, warum bislang das Thema „Homosexualität im Fußball“ ausgespart wird, wo gerade diese Serie doch der ideale Ort ist, um zu zeigen, was im modernen Männerfußball totgeschwiegen wird: Dass es natürlich reihenweise Kicker geben dürfte, die schwul sind, das aber aus Angst vor Anfeindungen verheimlichen.

    Erst 2021 hat sich schließlich mit dem australischen Mittelfeldspieler Josh Cavallo das erste Mal ein noch aktiver Profi geoutet. Als im Februar 2023 der tschechische Nationalspieler Jakub Jankto im Alter von 27 Jahren an die Öffentlichkeit ging, machte er dabei auch deutlich, wie sehr ihn das Leben im Geheimen belastet habe: „Ich möchte mich nicht länger verstecken!“, sagte Janko so und machte klar, endlich ein Leben in Freiheit führen zu wollen.

    Wenige Stunden vor dem geplanten Interviewtermin wurde mir dann aber die dritte Episode der dritten Staffel zur Vorabansicht geschickt – und diese beginnt mit einem Blick ins Privatleben von Colin Hughes (Billy Harris), der mit seinem Partner zusammenlebt. Doch beim Teamabend am Ende der Episode gibt er den als Kumpel aus, sogar als seinen Wingman bei Fraueneroberungen. Wenig später sieht Ex-Journalist und nun AFC-Richmond-Beobachter Trent Crimm (James Lance) beide beim Kuss – der Cliffhanger, mit welchem die Episode endet.

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    Damit wird klar, dass Colins versteckte Sexualität ein großes Thema dieser Staffel wird. Ich weiß nicht, wie es umgesetzt wird. Ich weiß nicht, wie seine Mannschaftskollegen reagieren werden, wenn er sich selbst outet oder vielleicht gegen seinen Willen geoutet wird. Ich habe keine Ahnung, ob die Konkurrenz wie Nate (Nick Mohammed) es für abscheuliche Angriffe nutzen wird oder Fans des AFC Richmond Colin zu einem Sündenbock machen, wenn schon zwangsläufig die aktuelle Überraschungserfolgsserie irgendwann zu Ende geht. Ich habe auch nur die drei bisherigen Episoden vorab gesehen.

    Aber ich habe bei den Interviews natürlich meine eigentlich geplante Frage in die Tonne geworfen und mit den Verantwortlichen ganz spoilerfrei darüber geredet, warum es so wichtig ist, dass „Ted Lasso“ nach dem ebenfalls im modernen Fußball tabuisierten Thema „Mental Health“ in der zweiten Staffel nun auch endlich dieses Thema angeht.

    Wie mir Coach-Beard-Darsteller und Mit-Serien-Erfinder Brendan Hunt dabei verriet, stand es schon lange fest, dass Colin schwul ist. Es gebe so bereits einige Andeutungen und ursprünglich sollte dies sogar bereits in der zweiten Staffel enthüllt werden: „Wir haben uns dann aber entschieden, noch ein Jahr zu warten. Denn das zeigt noch besser, wie lange Colin schon verstecken muss, wer er wirklich ist.“ Meiner Ansicht nach ist das auch eine gute Entscheidung, weil ein solcher Storystrang neben Teds Auseinandersetzung mit seiner Gesundheit in der zweiten Season womöglich nur ein Schattendasein gefristet hätte.

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    Colin mit Coach Beard.

    Laut Hunt sei das Thema aber nicht ausgewählt worden, um unbedingt auch „Homosexualität im Fußball“ zu erzählen: „Uns geht es nicht so sehr darum, Tabu-Themen zu finden und sie dann umzusetzen. Wir starten eher organisch. Wir versuchen, die Figuren so realistisch wie möglich darzustellen und uns dabei vorzustellen, was sie durchleben.“ Man folge so der Geschichte und „wenn ein Thema auftaucht, werden wir uns nicht scheuen, darüber zu sprechen.“

    Auch Hannah Waddingham, die Team-Besitzerin Rebecca spielt, erklärte mir so, dass es gerade eine Stärke von „Ted Lasso“ sei, dass die Serie „jeden Teil des Lebens annimmt, den es gibt“.

    "Ted Lasso" kann wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung leisten

    Doch trotzdem ist es natürlich ein Statement, dass „Ted Lasso“ mit dem Publikumserfolg im Rücken sowie Auszeichnungen mit Emmys und Golden Globes diverse Themen anpackt, über die zu wenig geredet wird. Denn es trägt meiner Ansicht nach dazu bei, dass es irgendwann vielleicht kein besonderes Sujet mehr ist, sondern so ganz selbstverständlich Teil des Lebens, dass es auch ganz selbstverständlich Teil einer Fußballserie ist.

    In dieses Horn bläst auch Roy-Kent-Darsteller Brett Goldstein im Interview mit mir: Es müsse besprochen und dadurch „normalisiert“ werden: „Ich denke, je mehr darüber gesprochen wird, desto besser. Ich denke, je mehr solche Themen auch gezeigt und geteilt werden, desto weniger wird es etwas sein, das man verstecken muss.“

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    Wie Brendan Hunt deutlich macht, kann „Ted Lasso“ nur einen kleinen Beitrag leisten. Am Ende liegt es natürlich am echten Fußball, das Homosexualität kein Tabu-Thema bleibt. Es sollte völlig egal sein, welche Sexualität der Lieblingskicker hat (im Frauenfußball ist das Problem übrigens deutlich kleiner). Doch aktuell ist es das nicht, weil – wie die Episode schön bereits im Kleinen andeutet – ein schwuler Fußballspieler nicht einfach sein Leben leben kann, sondern nur die Wahl zwischen Versteckspiel und mutigem Coming-out hat. Dass sich das ändert, hofft auch Hunt. Er hoffe, dass „mit jedem neuen Spieler, der sich outet wie zuletzt in Tschechien, Australien oder den USA oder natürlich einem Herrn Hitzlsperger bei euch in Deutschland“ dies etwas weniger ein Tabu sei.

    Ted Lasso“ läuft exklusiv auf AppleTV+. Dort wird aktuell die dritte und wahrscheinlich finale Staffel ausgestrahlt. Jeden Mittwoch gibt es eine neue Episode. Von mir gibt es unbedingte Empfehlung. Für mich ist „Ted Lasso“ die aktuell beste Serie – und zwar nicht, weil man dort solche Themen anpackt, sondern weil man reihenweise fesselnde Geschichten rund um vielfältige und interessante Figuren mit ganz viel Herz und einer Menge Humor erzählt. Nach dem Anschauen von „Ted Lasso“ fühle ich mich jedes Mal einfach nur pudelwohl – selbst nach traurigen Folgen.

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