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    Mit einem der irrsten Kills der Filmgeschichte: Abgefahrener Sci-Fi-Horror des "Scream"-Machers neu im Heimkino
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Er findet Streaming zwar praktisch, eine echte Sammlung kann es für ihn aber nicht ersetzen: Was im eigenen Regal steht, ist sicher vor Internet-Blackouts, auslaufenden Lizenzverträgen und nachträglichen Schnitten.

    Ursprünglich wollte Wes Craven mit „Der tödliche Freund“ eine dramatisch-rührende Jugendgeschichte erzählen. Stattdessen wurde aus seinem kaum bekannten Projekt ein Sci-Fi-Horrorfilm mit einer unvergesslichen Splatterszene!

    Wenige hatten solch einen nachhaltigen Einfluss auf das Horror-Genre wie Wes Craven: Der Regisseur formte mit „Das letzte Haus links“ und „Hügel der blutigen Augen“ erst das Terror-Kino, dann erschuf er mit „Nightmare On Elm Street“ eine Hit-Reihe voller ikonischer Bilder. Und mit der „Scream“-Saga machte er das selbstironische, dennoch sauspannende Meta-Slasherkino populär.

    Allerdings lassen sich zwischen diesen Meilensteinen zahlreiche Regiearbeiten Cravens finden, die sträflich vernachlässigt werden. Manche von ihnen sind verkannte Kleinode, anderen ist anzumerken, wie Craven mit seinem Ruf haderte. Und dann gibt es einen WTF-Geheimtipp, der in ganz eigenen Sphären schwebt. Jetzt endlich bekommt er sein lang erwartetes, wohlverdientes Heimkino-Upgrade:Der tödliche Freund“ feiert diese Woche sein Blu-ray-Debüt – als limitierte Ausgabe!

    Außerdem enthält die Limited Edition im Mediabook zahlreiche Extras, den Film auf DVD, und ein 20-seitiges, informatives Booklet über die verworrene, stressige Entstehung von „Der tödliche Freund“. Die ist auch der Grund, dass Craven einen der stärksten, unvergesslichsten, dämlich-genialsten Kills der Sci-Fi- und Horror-Geschichte abliefert!

    "Der tödliche Freund": Craven kann seinem Horror-Talent nicht entkommen

    Paul (Matthew Laborteaux) ist noch minderjährig, aber bereits Gehirnspezialist und Vordenker in Robotik-Fragen. Als er mit seiner Mutter Jeannie (Anne Twomey) umzieht, findet er sogar recht zügig sozialen Anschluss: Er freundet sich mit dem Zeitungsjungen Tom (Michael Sharrett) an und entwickelt Gefühle für die Nachbarstochter Samantha (Kristy Swanson). Doch das Glück ist rein oberflächlich: Samantha leidet unter ihrem gewalttätigen Vater (Richard Marcus). Über dieses Leid kann selbst Pauls Schöpfung, der mitfühlende Roboter BB, nicht hinwegtäuschen...

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    Cravens Ruhm im Horror-Metier öffnete dem Regisseur zahlreiche Türen, hatte aber zugleich einen bitteren Nachgeschmack: Immer wieder versuchte er, der Filmwelt zu beweisen, dass er ebenso andere Tonalitäten beherrscht. Daher entwickelte er gemeinsam mit dem späteren „Jacob’s Ladder“-Drehbuchautor Bruce Joel Rubin eine Adaption des wenig bekannten Diana-Henstell-Romans „Friend“.

    Der Plan war eine jugendfreie Mischung aus Sci-Fi-Thriller und romantischem Coming-Of-Age-Drama, wie Hollywood sie fast nur in den 1980ern anging: Ihre Vision war es, von einem brillanten Teenager zu erzählen, der sich in seine traumatisierte Nachbarin verliebt – woraus sich eine tragisch-zärtliche Liebesgeschichte mit futuristischem Twist entwickelt.

    Doch Cravens Absichten wurden bereits während des Hauptdrehs torpediert: Das Studio drängte ihn dazu, blutige Albtraumsequenzen einzubauen, um den Thrill-Faktor zu erhöhen. Eine Testvorführung sollte sich daraufhin als dramatischer Wendepunkt herausstellen: Die Verantwortlichen luden hauptsächlich eingefleischte Craven-Fans ein, die es nicht abwarten konnten, den neusten Schocker ihres Meisters zu sehen.

    Dieses Publikum verriss die Arbeitsfassung von „Der tödliche Freund“ in der Luft – abgesehen von den Craven aufgeschwatzten Albträumen. Unmittelbar danach orderte Mark Canton, damaliger ausführender Vizepräsident von Warner, bei Craven Nachdrehs und bei Rubin eine Überarbeitung des Skripts – mit dem ausdrücklichen Wunsch nach schockierender Gewalt.

    Raubt ihr mir meinen Willen, so überreiz' ich Gewalt!

    Craven ließ Warner anschließend von der eigenen Medizin kosten: „Mein tödlicher Freund“ wurde zum tonal unberechenbaren Sci-Fi-Horror mit Gewaltspitzen, die von schaurig-rau bis zum komödiantischen, brutal übertreibenden Splatter reichen. Der Höhepunkt ist eine Szene, in der eine Frau einen Basketball gegen den Kopf geworfen bekommt – woraufhin er in Tausende Einzelteile zerspringt und literweise Blut und Glibber durch die Luft fliegen. Kurzum: Einer der irrsten, besten, sonderbarsten Kills der Kinogeschichte.

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    Als hätten Craven und Rubin die Lächerlichkeit der Studio-Wünsche unterstreichen wollen, handelt es sich bei dieser physikalisch unmöglichen Szene nicht etwa um einen weiteren Albtraum. Sie passiert so in der Realität des Films – und ist auch noch dermaßen brutal, dass „Der tödliche Freund“ Probleme hatte, sich den Segen des US-Jugendschutzes zu sichern. Das Endergebnis ist ein faszinierender, unvergleichlicher Film, der eine besondere Art von Guilty Pleasure darstellt:

    Ohne Vorwissen der Produktionsumstände ist es ein markanter, wilder Sci-Fi-Horror mit desaströser innerer Logik, fieser Atmosphäre und brillanten Kills. Mit Vorwissen wiederum ist es ein Jammer, überdeutlich zu sehen, wie einem meisterlichen Regisseur ein Herzensprojekt weggenommen wurde, mit dem er seine Vielseitigkeit beweisen wollte.

    Doch genauso sehr ist es ein diabolisches Vergnügen, noch deutlicher zu erkennen, wie sich Craven zu einem bockigen Scherzkeks verwandelte, der die Absichten des Studios durch total verrückte Einfälle genüsslich ad absurdum führte. Und: Nach diesem Film ist Basketball nie wieder dasselbe wie zuvor.

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