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    "Ein Beinahe-Desaster" und "nicht kritisch genug" - Enttäuschung nach der Venedig-Premiere von Fatih Akins "The Cut"

    Es hört sich nicht gut an, was aus Venedig über Fatih Akins Historien-Drama "The Cut" zu vernehmen ist: Der Film über den Völkermord an Armeniern in der Türkei 1915 sei nicht bissig genug und Akin scheitere an seinen Ambitionen.

    Pandora Film

    Eigentlich sollte "The Cut", der nach "Gegen die Wand" und "Auf der anderen Seite" das Endstück von Fatih Akins Trilogie über Liebe, Tod und Teufel markiert, bereits im Mai 2014 in Cannes Premiere feiern, doch der Regisseur zog den Film aus persönlichen Gründen zurück. Am 30. August 2014 wurde das Historien-Drama nun bei den Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt - und die ersten Reaktionen der Kritiker sind ernüchternd bis enttäuschend.

    In "The Cut" geht es um den Völkermord an in der Türkei lebenden Armeniern im Jahre 1915, der in der Türkei von vielen Seiten als solcher dementiert wird. Der Zuschauer folgt dem Schicksal eines Überlebenden (Tahar Rahim), der bis nach Amerika reist, um seine während des Massakers vertriebenen Zwillingstöchter zu suchen. Mit dem brisanten Stoff sorgte Akin im Vorfeld für große Schlagzeilen und erhielt zahlreiche Morddrohungen von radikalen, türkisch-nationalistischen Gruppierungen. Der armenisch-stämmige, amerikanische Drehbuchautor Mardik Martin, der schon an Martin Scorseses "Hexenkessel" beteiligt war, schrieb gemeinsam mit Akin das Skript.

    Nach der Premiere in Venedig hagelte es von vielen Publikationen Kritik. Akin wolle vielleicht zuviel auf einmal, schreibt zum Beispiel die Berliner Zeitung. Zudem lasse die darstellerische Leistung zu wünschen übrig und Hauptdarsteller Tahar Rahim schaffe es nicht, seinem unfassbaren Leid Ausdruck zu verleihen. Im Branchenmagazin Variety wird "The Cut" abschätzig als "Grundschul-Geschichts-Stunde" bezeichnet. An der facettenreichen Handlung stört besonders die Neue Zürcher Zeitung, dass zu wenig auf den eigentlichen Völkermord eingegangen wird. Der Film sei nicht kritisch genug und benutze die Geschehnisse "lediglich als Auslöser für eine melodramatische Geschichte, die beinahe ebensogut vor jedem anderen Hintergrund spielen könnte".

    Die Kollegen von The Playlist bemängeln an Akins erstem englischsprachigen Werk zudem die Entscheidung, die Armenier als einzige in ihrer eigenen Sprache reden zu lassen, während der Rest englisch mit unterschiedlichen Akzenten spreche. "The Cut" wird von ihnen so gleich zum "Beinahe-Desaster"erklärt.

    Peter Bradshaw von The Guardian schreibt, dass "The Cut" den Bedeutungsreichtum und Intellekt Akins früherer Filme vermissen lasse. Dennoch schließt der britische Kritiker damit, dass der Film stark präsentiert und dadurch sehenswert sei und die Ernsthaftigkeit des Stoffes das Fehlen von Akins üblichem Witz erkläre.

    Auch von deutscher Seite gibt es Zuspruch. So lobt der Spiegel die Anspielungen auf die Traumfabrik, Charlie Chaplin und den klassischen Western. Aber auch dort wird die Ausdrucksschwäche des Titelhelden und die Diskrepanz zwischen thematischer Brisanz und fehlender Dramatik auf der Leinwand kritisiert. Positiv wird dagegen hervorgehoben,, dass man im Film an vielen Stellen "das große Herz des Kinoverrückten Fatih Akin schlagen sieht." Auch Christiane Peitz vom Tagesspiegel lobt Akin als den "vielleicht größten Melodramatiker des deutschen Kinos", was allein schon daran zu erkennen sei, mit wievielen "Gutmenschen" er seinen Film bevölkere.

    "The Cut" startet am 16. Oktober 2014 in den deutschen Kinos. Hier gibt es den Trailer:

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