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    "Geld ist auf gewisse Weise der Sinn unseres Lebens": Das FILMSTARTS-Interview mit "Money Monster"-Regisseurin Jodie Foster

    Wir haben per Skype mit Oscarpreisträgerin Jodie Foster über ihre vierte Kino-Regiearbeit gesprochen, in der George Clooney einen TV-Finanzexperten spielt, der in seiner Sendung von einem verzweifelten Vater und Kleinanleger als Geisel genommen wird.

    FILMSTARTS: Du hast schon immer gesellschaftlich relevante Themen in deinen Filmen angerissen. Was hat dich an diesem Projekt besonders gereizt?

    Jodie Foster: Für mich ist es vor allem ein Thriller. Es ist aufregend und rasant und wahrscheinlich nicht nur der temporeichste Film, den ich je gemacht habe, sondern sogar der temporeichste, den ich je gesehen habe. Er bringt all diese Leute mit ihren unterschiedlichen Agenden und Motivationen zusammen, die aber trotzdem alle einer Frage nachgehen: Geld – wie es unser Leben bestimmt und wie wir uns darüber definieren…

    FILMSTARTS: Der von Jack O’Connell gespielte Kyle Budwell hat eine Menge Fragen, die er notfalls auch mit Gewalt in einer Live-TV-Show beantwortet haben will. Steht er damit stellvertretend für uns, die wir alle Fragen zur Krise haben? Und was möchtest du verändern, indem du auf das Thema aufmerksam machst?

    Sony Pictures

    Jodie Foster: Die Finanzwelt ist eigentlich nur der Rahmen des Films, der es uns ermöglicht, über große menschliche Fragen zu reden. Eines der faszinierendsten Themen in diesem Film und im Leben generell ist für mich das Scheitern und wie wir damit umgehen, wie wir alle durch dieses Gefühl des Versagens angetrieben werden. Dem gegenüber steht die Finanzwelt von heute mit ihren hochentwickelten Computern, in der das Handeln nicht mehr in menschlichen Händen liegt. Man setzt also das persönliche Versagen der Menschen dieser völlig unpersönlichen technisierten Welt gegenüber – das finde ich extrem faszinierend.

    FILMSTARTS: Welche Rolle hat Geld im Film, ist es der Feind?

    Jodie Foster: Die Figuren im Film denken ganz sicher nicht, dass Geld der Feind ist. Mit Geld können wir zeigen, was für uns von Wert ist. Obwohl viele von uns gar nicht wissen, was für sie Wert hat. Geld kann auch verstörend sein, denn es stiftet Identität, es definiert, ob wir uns als erfolgreiche oder gescheiterte Existenzen sehen. Geld ist das Werkzeug, mit dem man das misst. Das Problem ist also, dass man sich über Geld misst. Es ist also gar nicht das Geld selbst, sondern dass es auf gewisse Weise der Sinn unseres Lebens ist, wir unseren eigenen Wert daraus ableiten. Mein Film ist keine Verteufelung der Finanzwelt im Allgemeinen und sagt nicht, dass Kapitalismus schlimm ist. Stattdessen interessiert mich der menschliche Antrieb und wie wir uns selbst über Geld ausdrücken.

    FILMSTARTS: Wie war das Arbeiten mit George Clooney und Julia Roberts?

    Jodie Foster: Sie sind zwei der beliebtesten Filmstars Hollywoods. Mit ihnen macht es wirklich Spaß. Sie sind entspannt und professionell. Es ist immer einfacher mit Leuten zu arbeiten, die so viel Erfahrung und so viel Talent mitbringen. Das haben George und Julia gemeinsam. Sie lieben es zu arbeiten, aber sie lieben es auch zu lachen und es einfach zu halten. Außerdem produziert George den Film, was wie ein Geschenk des Himmels für mich ist. Es ist toll, einen so erfahrenen und talentierten Filmemacher an seiner Seite zu haben.

    FILMSTARTS: Wie kamst du auf Newcomer Jack O’Connell?

    Jodie Foster: Er ist großartig und hat eine außergewöhnliche Leistung abgeliefert. In „Money Ball“ ist ganz anders als die anderen Filme, in denen er bislang zu sehen war. [Anm. d. Redaktion: „Unbroken“, „‘71“] George, Julia und ich haben über sehr lange Zeit sehr viele Filme gemacht und damit bereichern wir den Film. Aber das ist kein Vergleich zu diesem überraschenden, jungen Schauspieler, der dich jedes Mal aufs Neue ins Staunen versetzt. Du hast keine Ahnung, was er als nächstes macht und er kommt immer so ehrlich und authentisch rüber. Ich bin so stolz auf ihn.

    FILMSTARTS: George ist bekannt dafür, ein Scherzvogel zu sein. Gab es am Set irgendwelche Streiche? Wie fest hältst du die Zügel in der Hand und ist es für dich wichtig, bei einem so intensiven und temporeichen Film trotzdem eine entspannte Stimmung am Set zu haben?

    Sony Pictures

    Jodie Foster: George hat uns nicht viele Streiche gespielt. Es war ein schwieriger Film für ihn. Es gab viel Dialog, viel Action und viele Sachen, die gleichzeitig getan werden mussten. Er musste rumlaufen, in die Kamera gucken und jede Menge Zeilen sprechen. Er hatte also viel, worüber er nachdenken musste. Dennoch war es eine sehr angenehme Erfahrung und so ist es immer bei meinen Filmen. Wenn du keinen Spaß hast, lieferst du auch nicht die beste Darstellung deines Lebens ab. Filme sind hart und sollen hart sein. Schauspieler müssen im Winter um 3 Uhr in der Früh aufstehen und bei fünf Grad unter Null im Bikini rumstehen. Da sollte man zumindest dafür sorgen, dass es ihnen Spaß machen, wenn sie sowas schon aushalten müssen.

    FILMSTARTS: Nach deiner Kino-Regiearbeit „Der Biber“ hast du Episoden von „Orange Is The New Black“ und „House Of Cards“ inszeniert. Das Tempo bei Fernsehproduktionen ist sehr viel schneller als bei Kinofilmen. Inwiefern hat dich diese Erfahrung vorangebracht?

    Jodie Foster: Ich habe Filme schon immer schnell gemacht - das musste so sein, weil ich nie genug Geld hatte. Für mich war das Fernsehen also kein großer Sprung. Ich bin sehr deutlich darin, wonach ich suche, und versuche das in möglichst wenigen Schritten zu realisieren. An Kinofilmen gefällt mir aber, dass man jede Einstellung und jedes Bild bedeutsam machen kann. Deswegen hoffe ich, dass solche persönlicheren Kinofilme wie dieser auch weiterhin abseits von großen Blockbustern existieren werden.

    FILMSTARTS: Für weibliche Regisseurinnen warst du in den 1990ern eine Vorreiterin und in letzter Zeit wurde viel über dieses Thema geredet. Hat sich seitdem etwas verändert?

    Jodie Foster: Die Welt verändert sich und es gibt mehr Filme von Frauen als früher. In der Blockbuster-Welt ist es damit noch nicht sehr weit her. Im Universum des Independent-Films passiert das alles viel schneller. Das ist die letzte Bastion, die sich die Frauen in Hollywood noch erobern müssen. Es gibt jetzt jede Menge weibliche Produzenten und Drehbuchautoren und Schauspielerinnen und Techniker. Als ich aufwuchs, gab es die nicht. Keiner von uns will, dass Frauen als Risiko-Faktor gesehen werden und dass man es für eine große Gefahr hält, wenn man eine Regisseurin engagiert. Denn es ist nicht riskanter, als jemand anderen anzuheuern - und das wird langsam auch den Studios klar.

    FILMSTARTS: Gibt es schon ein nächstes Projekt, über das du nachdenkst?

    Jodie Foster: Ich habe keine Ahnung, was als nächstes kommt. Mich interessieren immer Filme über Menschen. Dass ich eines Tages einen Landschaftsfilm mache, ist also eher unwahrscheinlich. Ich denke, in meinen Filmen wird es immer um Fragen gehen, die ich auch selbst habe, und um Leute, die einander zu verstehen zu versuchen. Das ist meine Obsession.

    Money Monster“ startet am 19. Mai 2016 in den deutschen Kinos.

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