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    Mit „Die Schöne und das Biest“ ist Disney ganz schön spät dran: Die wirklich ersten „schwulen Momente“ in Film, Fernsehen und Superhelden-Comics

    Die Realverfilmung von „Die Schöne und das Biest“ ist die erste Disney-Kinoproduktion mit einer offen schwulen Figur, was überall diskutiert wird, obwohl es nicht mal einen Kuss gibt. Die wahren ersten Male sind allerdings schon ein wenig länger her.

    Walt Disney Pictures

    Wegen eines „schwulen Moments“ liegt der Kinostart von Disneys „Die Schöne und das Biestin Malaysia aktuell auf Eis, in Russland ist der Märchenfilm wegen „schwuler Propaganda“ erst ab 16 Jahre freigegeben. Dabei gefällt uns an dem Film sehr, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit die angedeutete schwule Liebesgeschichte erzählt wird – wobei wir jetzt Disney auch nicht über den Klee loben wollen, mit seiner ersten schwulen Kinofigur Le Fou ist das Studio im Jahr 2017 ja trotzdem eher spät dran.

    Wobei: So lange, wie man vielleicht glauben könnte, sind die ersten schwulen Küsse im Kino, im Fernsehen und in Superhelden-Comics noch gar nicht her – das ist wie mit dem Frauenwahlrecht in der Schweiz, bei dem wundert man sich auch jedes Mal wieder, dass es verstörenderweise erst 1971 eingeführt wurde.

    William A. Wellmans Kriegsdrama „Flügel aus Stahl“ war 1927 der erste Spielfilm, der ein solches Lippenbekenntnis zwischen zwei Männern zeigte – und zugleich der erste, der bei den Oscars als Bester Film ausgezeichnet wurde. Allerdings begehren die Protagonisten hier nicht einander, vielmehr buhlen sie zunächst um dieselbe Frau. Es stehen sich Rivalen gegenüber, die im Laufe der Handlung zu besten Freunden werden. Zwar mag die Szene am Sterbebett – nicht zuletzt aufgrund der wehmütigen Musikuntermalung – für heutige Sehgewohnheiten etwas schwülstig wirken, die Liebe der beiden erweist sich jedoch als platonisch und der zu sehende Kuss zielt zudem eher auf die Wange. Nichtsdestotrotz strahlt der Ausschnitt eine große Innigkeit aus.

    Der erste leidenschaftliche schwule Gefühlsausbruch auf der Leinwand folgte erst ein halbes Jahrhundert später. Regisseur John Schlesinger (selbst schwul) lässt 1971 in „Sunday Bloody Sunday“ definitiv keine Missverständnisse zu, denn die Kamera klebt im entscheidenden Moment des Kusses nahezu an den Protagonisten. In Schlesingers Heimat Großbritannien rief das etliche Moralapostel auf den Plan, auch wegen des erheblichen Altersunterschieds von 30 Jahren zwischen den Darstellern Peter Finch und Murray Head. Der Regisseur („Asphalt-Cowboy“) weigerte sich jedoch strikt, das Verhalten seiner Figuren zu verdammen oder auch nur zu erklären. Vor allem deshalb gilt „Sunday Bloody Sunday“ heute als Meilenstein des gay cinema - das vermeintlich Sonderbare ist hier mit geradezu resoluter Selbstverständlichkeit inszeniert.

    In einer TV-Serie geschah der erste homosexuelle Kuss zwischen zwei Frauen – allerdings erst im Jahr 1991: Obwohl der zärtliche Moment aus „L.A. Law“ recht harmlos ausfällt, war er für es für einige Werbungtreibende zu viel des Guten und so zogen sie ihre Spots von dem ausstrahlenden Kanal ab. Zu einer lesbischen Romanze kam es in den folgenden Episoden nicht mehr, die Autoren ließen das Thema stattdessen einfach fallen: Eine der Figuren (CJ) verschwindet kurz darauf von der Bildfläche, die andere (Abby) landet am Ende in den Armen eines Mannes. Schauspielerin Michele Greene äußerte später, die geschichtsträchtige Szene sei bloß ein Publicity-Gag gewesen und es hätte nie ernsthafte Pläne gegeben, die Beziehung weiter zu vertiefen. Letztlich entpuppte sich das kurze Knistern auf dem Bildschirm also als bloße Nebelkerze – schade!

    Bis sich im US-Fernsehen zwei Männer küssten, zogen weitere neun Jahre ins Land. Es war 2000 schließlich das Finale der dritten Staffel von „Dawson’s Creek“, das dem Vorabendpublikum einen historischen TV-Augenblick bescherte. Jack (Kerr Smith) und Ethans (Adam Kaufman) körperliche Annäherung in der Folge „True Love“ erwuchs schnell zur popkulturellen Referenz und leistete sicher ihren Anteil zu einer steigenden Aufgeschlossenheit der Senderketten in den 2000ern. Formate wie „Glee“, „How To Get Away With Murder“ oder „Modern Family“ hatten es auch wegen „Dawson’s Creeks“ Vorreiterrolle leichter, weitere (serielle) Geschichten über gleichgeschlechtliche Liebe zu etablieren.

    Im Comic-Universum fiel Peter Mulligans surreale Mini-Serie „Enigma“ 1993 durch einen sehr freizügigen und vorurteilsfreien Umgang mit Homosexualität auf - beispielsweise sieht man die Figuren nach dem Geschlechtsverkehr nebeneinanderliegend. Die Story endet mit einem Kuss zwischen dem titelgebenden Superhelden und einem anderen Hauptcharakter – der erste schwule Kuss in einem Superhelden-Comic. Herausgebracht wurde die Edition vom DC-Ableger Vertigo. Marvel zog übrigens erst 2009 mit „X-Factor“ (#45) nach.

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