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    Am Set von "Mute": Das FILMSTARTS-Interview mit Alexander Skarsgard und Paul Rudd

    In Duncan Jones‘ Sci-Fi-Thriller „Mute“ spielt Alexander Skarsgard die stumme Hauptfigur. Während unseres Besuchs am Set freute sich der Darsteller derweil über ein Pläuschchen und stand uns ebenso wie Kollege Paul Rudd Rede und Antwort.

    Netflix

    FILMSTARTS: Alex, ist es merkwürdig, eine stumme Figur zu spielen?

    Alexander Skarsgard: Ja, total.

    FILMSTARTS: Wie packt man so eine Rolle an?

    Alexander Skarsgard: Nach mittlerweile zwei Monaten Dreh habe ich immer noch keine Ahnung. Es ist wirklich faszinierend. Ich bin ein großer Fan von „Moon“, daher war ich wegen der Aussicht, mit Duncan zu arbeiten, schon aus dem Häuschen, bevor ich überhaupt das Drehbuch gelesen habe. Als ich es dann gelesen hatte, hatte ich keine Ahnung, wie ich die Sache angehen sollte. Es war etwas beängstigend, weil ich Seyneb [Saleh], die meine Freundin im Film spielt, erst drei Wochen vor Drehbeginn das erste Mal getroffen habe. Ich hatte davor eine Handvoll Szenen geprobt und dachte, dass ich die Figur ganz gut im Griff hätte. Aber als wir dann testweise zusammen improvisiert haben, war es fürchterlich. Es fiel mir extrem schwer, meinen Instinkt, sprechen zu wollen, zu unterdrücken. Oft war ich dann komplett raus aus der Szene. Das war ziemlich schwierig. 

    FILMSTARTS: Kann deine Figur überhaupt Laute von sich geben?

    Alexander Skarsgard: Nein. Ich habe mich mit einem Facharzt unterhalten, weil ich mich gefragt habe, welche Art von Geräuschen ich machen kann. Aber wenn deine Stimmbänder durchtrennt sind, gibt es nichts – sogar wenn man hustet, werden die Stimmbänder verwendet. Und wenn die durchtrennt sind, ist es nur Luft. Hinzu kommt, dass Leo, meine Figur mit vielen Leuten interagiert, die ihn nicht kennen. Es gibt keine gemeinsame Vergangenheit. Er streift durch Berlin, sucht seine Freundin und interagiert vor allem mit Fremden.

    FILMSTARTS: Paul, wie war es für dich, das zu beobachten?

    Paul Rudd: Meine erste Reaktion war, was für ein glücklicher Typ – er muss sich überhaupt keinen Text merken… Doch Stummheit ist eine ganz eigene Herausforderung, die jede Menge Arbeit kostet. 

    FILMSTARTS: Kannst du uns etwas über die Chirurgen verraten?

    Paul Rudd: Sie sind gute Freunde. Sie haben sich in Berlin ein Leben eingerichtet. Meine Figur ist ein wenig rastloser als Justins [Theroux'], die mehr das Donald-Sutherland-ähnliche Gegenstück zu mir ist. Man findet mich zu Beginn des Films an einem Punkt, an dem ich versuche, meine Situation zu verändern und erwäge, die Stadt zu verlassen, was sich allerdings schwieriger als gedacht herausstellt.

    FILMSTARTS: Alex, wie sieht es mit den körperlichen Anforderungen im Vergleich etwa zu „Tarzan“ aus?

    Alexander Skarsgard: Es ist eine sehr körperliche Rolle – aber in Schüben. Er ist zwar generell ein sehr passiver Typ, aber wenn er mal ausrastet, dann wird er gewalttätig.

    FILMSTARTS: Du scheint tendenziell eher Rollen zu wählen, die mehr von einem abverlangen als einfach nur den Text auswendig zu lernen. Wirst du als Schauspieler gerne gefordert?

    Alexander Skarsgard: Es macht Spaß, wenn man vor einer Herausforderung steht. Und es ist auch gut, wenn man ein bisschen ängstlich ist. Bei Tarzan hatte ich schon eine Menge Respekt vor der Rolle und habe mich gefragt, wie ich das bewerkstelligen soll. Und hier ist es ähnlich: Wie kann es 100 Minuten interessant sein, wenn es keinen Dialog gibt, nicht einmal Zeichensprache? Wie trage ich das? Es macht also immer Spaß, wenn man den Bereich betritt, der etwas beängstigend ist.

    FILMSTARTS: Wie viel könnt ihr uns über Leos Mission und seine Beziehung zu den Chirurgen erzählen – ohne zu viel zu verraten?

    Alexander Skarsgard: Er sucht seine Freundin. Die beiden sind ungefähr seit vier Monaten zusammen und eines Morgens ist sie dann verschwunden und er versucht herauszufinden, was mit ihr passiert ist. Sie war in der Nacht davor ziemlich emotional und hat über viele Dinge gesprochen, auch darüber, Berlin zu verlassen. Es ist also nicht hundertprozentig heldenhaft, sondern geht auch um die Frage: Hat sie mit mir Schluss gemacht? Hat sie sich einfach aus dem Staub gemacht, ohne sich zu verabschieden? Er durchlebt Momente des Zweifels und auf seinem Weg trifft er dann auch auf diese beiden amerikanischen Ex-Militärärzte, Chirurgen, die in Kandahar im Krieg gedient haben. Nachdem sie Afghanistan verlassen haben, sind sie nun in Berlin. Ich kann nicht ins Detail gehen. Die Beziehung würde zu viel verraten, aber es gibt eine starke Verbindung.

    Paul Rudd: Ja, es ist kompliziert, und du weißt nicht wirklich, wie die Beziehung zwischen den Figuren aussieht, es wird nach und nach enthüllt, aber das ist genau die Natur des Films. Wer ist mit wem befreundet, wer ist gut und wer ist böse? Und was geht hier eigentlich vor? Es dauert eine Weile, bis man versteht, was passiert...

    FILMSTARTS: Hilft es, dass du Justin gut kennst und bereits mit ihm zusammengearbeitet hast?

    Paul Rudd: Ja, absolut. Es ist großartig, denn unsere Figuren haben eine gemeinsame Vergangenheit und kennen sich schon seit geraumer Zeit und der Umstand, dass Justin und ich das ebenfalls tun, macht es einfacher. Wir verstehen uns sehr gut und die Tatsache, dass Justin und ich auch schon gemeinsam an Drehbüchern gearbeitet haben, hat sich ebenfalls als nützlich erwiesen. 

    FILMSTARTS: Macht es einen Unterschied, ob ihr an einem richtigen Set seid oder vor einem Green Screen filmt?

    Alexander Skarsgard: Es hilft schon, wenn man an einem realen Set ist. Bei „Tarzan“ haben wir ziemlich viele Green-Screen-Aufnahmen gemacht und da hat man sich manchmal schon etwas lächerlich gefühlt. Aber da ist man wieder bei den Herausforderungen – es war schon merkwürdig, eine emotionale Verbindung zu einem Tennisball zu haben, aber eben auch sehr interessant dann sechs Monate später zu sehen, wie er zu einem wunderschönen Elefanten animiert wurde. Wenn man den Prozess kennt, ist das schon sehr spannend. Aber natürlich ist es toll, an einer richtigen Location zu drehen  – wie heute in dieser erstaunlichen Lagerhalle.

    Paul Rudd: In einem gewissen Umfang hilft es gewiss. Es ist immer interessant und cool, an Orten zu drehen, die man nicht kennt. Ich war schon ein paar Mal in Berlin, aber habe hier nie besonders viel Zeit verbracht und überall, wo man arbeitet, bekommt man Orte zu sehen, die man sonst nie sehen würde. Ich wäre niemals in diesem Gebäude, in dem wir jetzt filmen und man kann nicht anders, als einen Teil der Geschichte in dieser Stadt zu spüren.

    FILMSTARTS: Man unterscheidet aus Gewohnheit zwischen TV-Film und Kinofilm, aber seitdem Dienste wie Amazon und Netflix so viele Mittel und Talente ins Feld werfen, ist die Unterscheidung eigentlich hinfällig geworden, oder?

    Alexander Skarsgard: Ja, ich denke da mittlerweile eigentlich überhaupt nicht mehr drüber nach. Ich habe im Frühling 2016 für HBO die Miniserie „Big Little Lies“ mit Jean-Marc Vallée gedreht und es hat sich so angefühlt, als würde man einen Kinofilm drehen. Das Pensum war nicht so wie beim Network-Fernsehen alter Schule, sondern man hatte etwa doppelt so viel Zeit, wir haben die Szenen richtig genossen und hatten Muße, sie zu entwickeln. Ähnlich war es bei „Generation Kill“ – wir hatten unglaubliche 20 Tage pro Episode! Und heute: Wenn man einfach nur mal die Talente im Regie und Drehbuchbereich betrachtet, die sich in Richtung Fernsehen begeben, ist das phänomenal, und als Schauspieler hält man ja genau nach diesen Ausschau – nach guten Autoren und Regisseuren, mit denen man arbeiten möchte und da macht es überhaupt keinen Unterschied, ob es für Netflix, TV oder Kino ist…

    FILMSTARTS: Wie sieht es bei der Arbeit am Set aus? Habt ihr das Gefühl, dass Netflix euch mehr freie Hand lässt?

    Paul Rudd: Meine Erfahrung mit Netflix war bisher immer Nichteinmischung; ich habe schon einige Projekte für sie gemacht. Aber bei den Studioproduktionen, die ich gemacht habe, war es ähnlich. Es hat sich nie so angefühlt, als ob ein Typ in einem Anzug über unsere Schulter schauen würde. Niemand hat uns gesagt, was wir machen und was wir nicht machen können. Ich glaube, ich befinde mich in einer sehr glücklichen Position, an Studiofilmen zu arbeiten, bei denen uns gewisse Freiheiten erlaubt sind – Freiheiten, die andere Produktionen nicht bekommen.

    FILMSTARTS: Sogar bei „Ant-Man“?

    Paul Rudd: Ja. Peyton Reed probiert gerne viele verschiedene Sachen aus und Marvel ermutigt und fördert das. Und da ich beim Skript ein Wort mitreden konnte, gab es immer Möglichkeiten, Dinge auszuprobieren, die ich machen wollte – und das alles hat sich sehr gemeinschaftlich angefühlt. Die Arbeit für Marvel war in kreativer Hinsicht eine sehr erfüllende Erfahrung für mich – mehr als ich gedacht hätte.

    FILMSTARTS: Könnt ihr etwas mehr über das Berlin der Zukunft im Film erzählen?

    Alexander Skarsgard: Es ist geschichtet – buchstäblich geschichtet. Die ärmeren Leute leben in den Straßen oder in den unteren Etagen. Und dann stapelt es sich nach oben, etwa so als ob Würfel oder Zylinder übereinander gestapelt werden. Reiche Leute leben in den Wolken – über dem ganzen Lärm und Dreck. Es ist wie eine dystopische Gesellschaft, in der große Konzerne… Ich habe gerade gemerkt, dass genau das ja schon die Realität ist. Es ist also im Grunde das, was in der Welt sowieso gerade geschieht und daher nicht wirklich dystopisch. Konzerne steuern alles. Es gibt im Film einen Konzern, der Volkea heißt und ein Hybrid von Volvo und Ikea ist. Du abonnierst einen „Träger“ – von Volkea oder einer anderen Firma – und dann versorgen sie dich rundum – vom Essen bis zur Medizin. Aber du musst auch loyal sein, denn ihre Leute sind draußen auf den Straßen, fast komplett in paramilitärische Outfits gekleidet. Es ist also ziemlich deprimierend. Aber wie gesagt, Duncan hat das vor 13 Jahren geschrieben und wir sind jetzt nicht mehr weit davon entfernt, wenn man sich anschaut, was in der Welt passiert.

    FILMSTARTS: Wie sieht es mit Humor im Film aus?

    Paul Rudd: Ja, den gibt es sicher. Eigentlich will man immer ein wenig Humor haben. Ich denke zwar nicht, dass der Film unbedingt ins Comedy-Genre fällt, aber er bewegt sich im gesamten Spektrum von Drama, Sci-Fi, Humor und Action, er ist anders als alles, was ich jemals gelesen habe oder an dem ich gearbeitet habe.

    Mute“ wird am 23. Februar 2018 auf Netflix veröffentlicht – unseren ausführlichen Bericht vom Set könnt ihr hier nachlesen.

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