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    Terrorismus-Thriller "7 Tage in Entebbe": Unser Interview mit Rosamund Pike und Daniel Brühl

    Der brisante Historien-Polit-Thriller von „Robocop“-Regisseur und „Narcos“-Schöpfer José Padilha hat seine Weltpremiere im Februar 2018 bei der Berlinale gefeiert – und dort haben wir auch die Hauptdarsteller zum persönlichen Interview getroffen.

    2018 eOne Germany

    1976 haben deutsche und palästinensische Terroristen eine Air France Maschine ins ugandische Entebbe entführt. Es folgte eine siebentägige Geiselnahme in einem der Flughafenterminals, bevor das israelische Militär der Aktion mit einer Stürmung ein Ende setzte. In „7 Tage in Entebbe“ werden die historischen Geschehnisse nun aus den verschiedenen Perspektiven (Terroristen, Geiseln, israelische Politiker und Soldaten) beleuchtet, ohne dabei ein simples Gut-gegen-Böse-Schemata zu bedienen. Gespielt werden die deutschen Terroristen Brigitte Kuhlmann und Wilfried Böse von Rosamund Pike („Gone Girl“) und Daniel Brühl („The First Avenger: Civil War“). Dabei überrascht natürlich vor allem die Besetzung der Britin Pike – aber obwohl sie kein Deutsch versteht, hat sie es am Set trotzdem – und zwar nahezu perfekt – gesprochen. Dafür musste sie ihre Dialoge allerdings allesamt Laut für Laut auswendig lernen.

    FILMSTARTS: Rosamund, wir haben von eurem Regisseur bereits erfahren, dass du am Set wohl besser Deutsch gesprochen hast als Daniel.

    Rosamund Pike: Ich danke Gott für Daniel! Ohne ihn hätte ich mich niemals getraut, es zu tun. Eigentlich bin ich auch davon ausgegangen, dass er die Idee, dass ich im Film Deutsch spreche, für grauenvoll halten würde. Aber er hat das voll unterstützt. Es ist jedenfalls eine ziemlich kühne Unternehmung, so zu tun, als wäre man Deutsche. Allerdings bekam ich so auch einen viel besseren Zugang zu Brigitte Kuhlmann, denn nachdem ich die deutschen Dialogzeilen erst einmal gelernt hatte, fielen mir die Szenen viel leichter als wenn wir auf Englisch gedreht hätten.

    Daniel Brühl: Ich fand es spannend, dass wir in der Lage waren, mit Rosamund auf Deutsch zu drehen. Dass sie auf einmal mit mir in meiner Sprache redet, habe ich bisher noch nie bei englischsprachigen Kollegen oder Kolleginnen erlebt. Normalerweise müssen wir Deutsche ja auf Englisch sprechen, damit man uns versteht. Ich fand es mutig von ihr, es so machen zu wollen. Respekt! Und ich war neben ihrem Dialekt-Coach ihr zweiter Deutschlehrer, das kommt auch nicht alle Tage vor. Da musste ich aufpassen, dass sie nicht plötzlich mit einem kölschen Dialekt spricht. Verschiedene Sprachen haben andere Stärken und das Deutsche hat eine gewisse Kraft - und es hat die Szenen auf jeden Fall verändert. Wir haben eine Zeit lang nicht gewusst, ob wir das wirklich so machen können, also wurde jede der betreffenden Szenen auch auf Englisch gedreht. Aber schon beim ersten Mal haben Rosamund und ich gesagt: Deutsch fühlt sich einfach besser an.

    7 Tage in Entebbe

    FILMSTARTS: Wie habt ihr euch eigentlich auf eure jeweiligen Rollen vorbereitet? Sowohl über Brigitte Kuhlmann als auch über Wilfried Böse ist ja bei Weitem nicht so viel bekannt wie über andere deutsche Terroristen jener Zeit.

    Rosamund Pike: Es wurde tatsächlich nur sehr wenig über Brigitte geschrieben. Es gibt die Berichte der Geiseln, in denen sie überwiegend sagen, dass sie sehr gewalttätig, rücksichtslos und kalt war. Über ihre Rolle innerhalb der Revolutionären Zellen ist ebenfalls nur wenig bekannt. Man weiß, dass sie eigentlich keine Schlüsselfigur war, sondern eher Dinge vorbereitet oder geheime Unterkünfte organisiert hat. Und sie hat sich selbst die Schuld für die Verhaftung von Ulrike Meinhof gegeben, denn einer der Unterschlüpfe, die Kuhlmann organisiert hatte, war aufgeflogen. Ich glaube, dass Entebbe für sie ein Weg zur Wiedergutmachung war, weil sie so die Freilassung von Meinhof und anderen Mitstreitern fordern konnte.

    Jahrzehnte später hat dann ein ehemaliger Freund von ihr ein Bild von ihr bei Facebook gepostet. Es ist eines der ganz wenigen Fotos von ihr, das sie als junge Frau in ihren 20ern zeigt. Sie sah liebenswürdig aus und ihr Freund schrieb auch dazu, dass man sich für immer an sie erinnern werde als die süße und liebe Person, die sie war. Das war der einzige Hinweis darauf, dass es auch diese andere Seite an ihrer Persönlichkeit gab. Ich denke, dass das einer der Aspekte war, auf die José [Padilha, Regisseur des Films, Anm. d. Red.] immer bei dem Film hinauswollte: Er wollte auch solche Grauzonen bei den Personen zulassen und war ehrlich interessiert an ihren Selbstzweifeln.

    Geheime Dokumente zur Vorbereitung

    Daniel Brühl:Es war wirklich hilfreich, dass das Projekt in Händen von Leuten war, die sich wirklich für die Thematik interessieren und nicht einfach nur einen Actionfilm drehen wollten. Die Produzentin Kate Solomon und der Drehbuchautor Gregory Burke haben sich jahrelang mit Linksextremismus beschäftigt und für Rosamund und mich war es deshalb echt gut, dass wir auch mit brisanten und interessanten Materialien versorgt wurden, die man nicht einfach in einer Buchhandlung kriegt – Audio-Interviews von Zeitzeugen, geheimes Film- und Textmaterial, Bücher über die Revolutionären Zellen. All das hat uns einen sehr guten Einblick vermittelt.

    Böse war wohl ein geselliger Mann, der gerne ein Weinchen getrunken hat, Verleger war und sich dann radikalisiert hat. Diesen Schritt finde ich auch so spannend, weil sie wussten, worauf sie sich einlassen und sie konnten davon ausgehen, dass sie womöglich ihr Leben lassen werden. Für die Ideale so weit zu gehen, finde ich immer sehr beeindruckend, wobei sich immer die Frage nach dem „Warum?“ aufdrängt. Diese Diskussion haben wir ja heute auch mit dem Terrorismus, wobei sie heute noch viel extremer ist. Bei Böse kann ich zumindest den moralischen Antrieb und diesen Hass auf das eigene Land verstehen. Dabei behilflich war der Umstand, dass mir meine Eltern viel über die 70er Jahre erzählt haben und was da damals allgemein vor sich ging.

    Von Entebbe zu Osama bin Laden

    FILMSTARTS: In früheren Verfilmungen des Stoffes haben unter anderem schon Klaus Kinski in „Operation Thunderbolt“ und Horst Buchholz in „… die keine Gnade kennen“ den Terroristen Wilfried Böse verkörpert. Hast du dir deren Interpretationen ebenfalls als Referenz angeschaut?

    Daniel Brühl: Ich habe den Film mit Buchholz [„…die keine Gnade kennen“ von 1977, Anm. d. Red.] tatsächlich gesehen, allerdings ist das schon lange her. Ich kann anderen Schauspielern einfach nicht dabei zusehen, wie sie dieselbe Rolle wie ich spielen. Das würde mich zu sehr einengen.

    FILMSTARTS: Zumal Kinski in „Operation Thunderbolt“ ohnehin eine ganz andere Figur gespielt hat – der war nämlich einfach nur Kinski…

    Daniel Brühl: Ja, das stimmt wohl. Unser Ansatz war jedenfalls, die Menschen hinter den Terroristen-Fassaden zu sehen und zu zeigen. Ich bin selbst ein großer Geschichtsfan und ich habe mit der Zeit verstanden, dass es nicht die eine Geschichtsschreibung gibt, sondern viele Perspektiven - und deswegen finde ich Projekte wie dieses hier so spannend, weil sie das Geschehen von verschiedenen Seiten beleuchten und keine simple Gut-und-Böse-Geschichte erzählen. Dieser Umgang mit Geschichte hilft mir dabei zu kapieren, wer ich heute bin und in welcher Zeit wir leben. Es ist leider frustrierend zu sehen, dass wir im Nahostkonflikt nicht sehr weit gekommen sind.

    Rosamund Pike: Ich denke schon, dass Entebbe so einiges verändert hat. Viele Länder waren anschließend der Überzeugung, dass eine solch militärische Intervention möglich ist und als rationale Option angesehen werden kann. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir zum Beispiel die Tötung von Osama bin Laden erlebt – und auch der lag die Vorstellung zugrunde, dass man auf fremdem Boden eine solche Operation organisieren und durchführen kann. All das hat seinen Ursprung in Entebbe.

    „7 Tage in Entebbe“ mit Daniel Brühl und Rosamund Pike in den Hauptrollen läuft seit dem 3. Mai 2018 in den Kinos.

     

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