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    Von "Wonder Woman" bis "Birds Of Prey": Warum es problematisch ist, dass Frauen nur Frauen inszenieren

    Ein Beispiel für „gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“ ist nach Meinung von FILMSTARTS-Redakteurin Annemarie Havran der aktuelle Trend, einen Big-Budget-Film mit weiblicher Hauptrolle am besten gleich von möglichst vielen Frauen machen zu lassen.

    Warner Bros.

    Gleichheit von Männern und Frauen erzielen, indem man sie möglichst voneinander trennt – hab ich bei diesem seltsamen Vorgehen irgendwas nicht mitbekommen? Anlass dieses Meinungsartikels, der übrigens von einer Frau geschrieben wird, ist die aktuelle Nachricht, dass DCs „Birds Of Prey“ eine rein weibliche (Haupt-)Crew bekommen soll - ein Film über eine Gruppe Super- oder auch Antiheldinnen, gemacht von einer Gruppe von Filmemacherinnen. Doch in meinen Augen wird hier ein löbliches Vorhaben, nämlich mehr Frauen in Hollywood-Blockbustern vor und hinter der Kamera zu etablieren, fragwürdig umgesetzt.

    „Birds Of Prey“ ist der vorläufige Höhepunkt einer Tendenz, geschützte Projektblasen für Frauen zu schaffen, in denen sie sich dann netterweise mal austoben dürfen. Traut man ihnen das in einem gemischtgeschlechtlichen Rahmen nicht zu? Oder warum sonst sind den Frauen allzu oft nur Stoffe mit weiblichen Hauptfiguren vorbehalten (die es dank der hier stellvertretend für Big-Budget-Produktionen gescholtenen Comic-Adaptionen zum Glück nun häufiger gibt)? Patty Jenkins machte „Wonder Woman“ und die Fortsetzung gleich hinterher, für „Captain Marvel“ holte man neben Ryan Fleck auch Anna Boden an Bord, bei „Birds Of Prey“ sitzt Cathy Yan auf dem Regiestuhl - zuvor wurde aber kein einziger Film im MCU und DCEU von einer Frau inszeniert: Muss jetzt jeder Film über eine Superheldin ums Verrecken von einer Regisseurin realisiert werden – die Männer bleiben aber Männersache? Geschlechtergleichheit bei Geschlechtertrennung?

    Marketingschachzug statt Frauen-Power?

    Das Phänomen setzt sich auch auf dem kleinen Bildschirm fort: Die drei Serien über die männlichen Defenders von Marvel – „Luke Cage“, „Iron Fist“, „Daredevil“ – haben jeweils einen männlichen Serienschöpfer, bei „Jessica Jones“ bekleidet eine Frau, nämlich Melissa Rosenberg, diesen Posten. Die zweite Staffel von „Jessica Jones“ legte man dann sogar vollständig in die Hände von Regisseurinnen und Autorinnen. Natürlich kann es interessant sein, einen Film oder eine Serie zu sehen, der/die nur von Frauen gemacht wurde – aus reiner Männerhand gibt es sie ja schon zur Genüge. Dass das jetzt aber „der nächste heiße Scheiß“ in Hollywood zu sein scheint und vor allem dass die Protagonisten dieser Projekte ebenfalls immer Frauen sind, fühlt sich eher wie ein Marketingschachzug an als wie das ehrliche Anerkennen der beruflichen Leistung filmschaffender Frauen.

    Und außerdem: Was habe ich als Zuschauerin davon, wenn ausgerechnet „Birds Of Prey“ hauptsächlich von Frauen betreut wird? Können sie mir besser verständlich machen, wie die Protagonistinnen ticken? Oder sorgen sie gar dafür, dass sich am Set alle ganz besonders wohlfühlen – im Stuhlkreis miteinander reden und Duftkerzen anzünden? Stellen Männer sich das so vor? Und warum werden die beteiligten Frauen nicht für all die anderen Comicadaptionen bei DC und Marvel eingesetzt, inszenieren das nächste „Suicide Squad“, setzen „Guardians Of The Galaxy 3“ in Szene oder helfen der „Justice League“ aus dem Jammertal?

    Eine Frauenquote für alle Projekte

    Wer ernsthaft daran interessiert ist, Frauen verstärkt in Schlüsselpositionen bei Filmproduktionen unterzubringen, der sollte bei ALLEN Projekten darauf achten, möglichst diverse Stellen mit Frauen zu besetzen. Ja, eine Frauenquote mag auch nicht unbedingt ideal sein, aber da vertrete ich die Meinung, dass sie zumindest fürs erste hilft, einen Wandel herbeizuführen. Auch Hollywood ist nun mal gesellschaftlich bedingt immer noch männerdominiert - und das Aufbrechen der alten Strukturen ist zwar immerhin im Gange, vollzieht sich aber weder von jetzt auf gleich noch durch Zauberhand.

    Aber diese gefühlte Selbstbeweihräucherung dafür, dass man nun diese Frauentruppen zusammenrottet, mutet für mich seltsam an und lenkt vom eigentlichen Problem ab. Warum sollte eine Frau eine Geschichte über eine Frau besser erzählen als über einen Mann? Und umgekehrt: Ich fühle mich auch nicht missverstanden, wenn ein männlicher Regisseur eine weibliche Hauptfigur in Szene setzt. Die Vielfalt macht es am Ende aus – aber die Vielfalt wie beim Beispiel „Birds Of Prey“ nun durch eine geschlechtlich homogene Zusammensetzung des Teams erreichen zu wollen, erscheint mir unlogisch.

    Frauen und Männer können gleich viel

    Versteht mich nicht falsch: Ich begrüße es sehr, dass Frauen in Hollywood nun viel öfter zeigen können, was sie drauf haben, und dies auch bewusst gefördert wird. Also nehme ich murrend auch lieber den Spatz in der Hand, nämlich solche seltsamen All-Female-Konglomerate, als dass es gar keine Bemühungen gäbe, Frauen mehr Jobs in der Filmindustrie zu geben. Gerade in den eher technischen Berufen sind sie nämlich noch immer sträflich unterrepräsentiert – und es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn Frauen per se Jobs verweigert werden, weil man(n) davon ausgeht, sie seien körperlich nicht zu deren Ausübung in der Lage. Ich kenne genug Kamerafrauen und Technikerinnen, um zu wissen, dass dem nicht so ist, dass sie aber bei sehr vielen Vorstellungsgesprächen genau mit diesen Vorurteilen zu kämpfen haben.

    Wenigstens auf Produzentenposten tummeln sich inzwischen auch immer mehr Frauen und setzen dort Signale für eine ausgewogenere Geschlechterverteilung auch in Blockbuster- und Mainstream-Filmen. Kathleen Kennedy beherrscht das Star-Wars-Imperium – und ich bin nicht mit jeder ihrer Entscheidungen einverstanden, nur weil sie und ich Frauen sind – und bei Marvel ist Victoria Alonso immerhin die Nummer zwei hinter Oberhoncho Kevin Feige, während im DCEU immer mal Deborah Snyder ihre Finger im Spiel hat.

    Hollywood tritt auf der Stelle

    Doch schaut man sich die Gesamtverteilung von Jobs hinter der Kamera amerikanischer Filme an, sind die Zahlen erschreckend ernüchternd: Laut der Studie „The Celluloid Ceiling: Behind-the-Scenes Employment of Women on the Top 100, 250, and 500 Films of 2017“ von Martha M. Lauzen hatten 2017 fast genauso wenig Frauen einen Job hinter der Kamera wie 1998 – nämlich 18 im Vergleich zu damals 17 Prozent. Eine nachhaltige Verbesserung dieser Zahlen erreicht man aber nicht, wenn man einen Film nun streberhaft mit Frauen vollstopft, in fast allen anderen aber weiter hauptsächlich auf Männer setzt.

    Liebes Hollywood, hör also auf, die „bedrohte Spezies Frau“ in wohlgemeinten Film-Reservaten mit thematisch begrenztem Horizont zusammenzutreiben und bereite den Filmemacherinnen doch lieber den gleichen Boden wie ihren männlichen Kollegen. Und das kann dann ruhig auch mal ein Film sein, der NICHT von einer weiblichen Figur handelt – Kathryn Bigelow hat’s vorgemacht. Ihre Protagonisten mussten nicht menstruieren, damit sie sie in „The Hurt Locker“ oder „Point Break“ hervorragend in Szene setzen konnte.

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