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    Jetzt wie "Breaking Bad"? Unser Ersteindruck zur 4. Staffel "Better Call Saul"

    „Breaking Bad“ hatte fünf Staffeln, „Better Call Saul“ ist mittlerweile bereits in der vierten Season angekommen. Wir haben zwei Folgen gesehen und verraten, warum das Spin-off immer dann am besten ist, wenn es sich von der Mutterserie emanzipiert.

    Michele K. Short / AMC / Sony Pictures Television

    Serienschöpfer Vince Gilligan ließ seine Geschichte über einen krebskranken Chemielehrer, der Crystal-Meth-Koch wird, mit einer prägnanten Schlusseinstellung enden, in der er die komplette Serie zusammenfasst: Der tödlich verwundete Walter White (Bryan Cranston) erinnert sich in der letzten Szene von „Breaking Bad“ noch einmal an die schöne Zeit in der Drogenküche, nachdem er die Dinge für seine Familie und Freunde soweit geregelt hat, wie man das als polizeigesuchter Großkrimineller eben noch kann. Walter ist eine zerrissene Figur – er ähnelt darin dem Anwalt Jimmy McGill (Bob Odenkirk), der in „Breaking Bad“ als Walters Winkeladvokat Saul Goodman bekannt wurde und seit 2015 seine eigene Prequel-Serie „Better Call Saul“ hat. Sie geht am 6. August 2018 in den USA und am Folgetag dann auch schon hierzulande via Netflix in die vierte Staffel.

    Wir durften die ersten beiden der – wie üblich – zehn neuen Folgen bereits gucken und können euch nun einen ersten Eindruck davon schildern, wie Jimmys langsame Verwandlung zu Saul weitergeht. Achtung, Spoiler zum bisherigen Geschehen lassen sich da nicht vermeiden, zur vierten Staffel aber werden wir keine wesentlichen Dinge verraten. Kurz der Blick zurück: Jimmy hat ein Jahr lang Berufsverbot als Jurist, nachdem er Beweismittel, die sein Bruder Chuck (Michael McKean) gegen ihn hatte, zerstörte. Das gemeinsame Büro mit seiner Kollegin und Freundin Kim (Rhea Seehorn) muss aufgelöst werden, wegen Arbeitsstress hat sie dann einen Autounfall und verletzt sich am Arm.

    Trauer braucht Zeit

    Das Schlimmste: Chuck, der glaubt, an Elektrosensibilität zu leiden und dessen „Krankheit“ von Jimmy vor Gericht als psychische Störung bloßgestellt wurde, wird deswegen von seinem alten Partner Howard (Patrick Fabian) aus der Kanzlei gedrängt. Nachdem er zunächst deutlich stabiler scheint und seine Angst vor Elektrizität augenscheinlich im Griff hat, erleidet er schließlich einen Rückfall und stirbt am Ende des Staffelfinales bei einem Brand im eigenen Haus, den er selbst gelegt hat. In der ersten neuen Folge, passenderweise „Smoke“ betitelt, sind die Nachwirkungen des tragischen Todes zu spüren.

    Der Handlungsstrang um den trauernden Jimmy ist stark, weil hier alle Tugenden von „Better Call Saul“ voll ausgespielt werden. Das Verhältnis der Brüder McGill war ambivalent, es lag irgendwo zwischen Rivalität und Familienbande, zwischen Neid und gegenseitiger Bewunderung. Dass Jimmy also tief getroffen ist, als er in „Smoke“ von Chucks Tod erfährt, wurde über drei Staffeln hinweg aufgebaut – und ist nachvollziehbar, obwohl sich die McGills noch kurz zuvor so hart mit Worten verletzt haben, wie es nur Menschen können, die sich lieben.

    Twists gibt’s woanders

    Mit „Better Call Saul“ haben die Chefautoren Vince Gilligan und sein aus „Breaking Bad“-Zeiten bekannter Kollege Peter Gould außerdem eine Art Anti-Serie geschaffen, die streng gegen den Strich gebürstet ist: Statt von einem Twist zum nächsten zu hetzen, so wie andernorts üblich, lassen sie ihre Geschichte atmen. Jimmys Trauer ist kein Plotpunkt, der mal schnell abgehakt wird, sie ist ein Prozess, der naturgemäß nun mal dauert. In „Better Call Saul“ ist die Zeit da, dass sich komplexe Beziehungen behutsam entwickeln können und genug Raum vorhanden für Trauer, wenn eine Beziehung abrupt endet. Völlig auf Twists verzichten Vince Gilligan und Peter Gould nicht – sie bauen sie allerdings mit der gewohnten Sorgsamkeit auf.

    Auf seiner Jobsuche kann sich Jimmy im Auftakt der vierten Staffel mal wieder als cleverer Selbstverkäufer beweisen, der mit rhetorischem Geschick, Dreistigkeit und Weitblick alle anderen ziemlich dumm aussehen lässt (ein Können, das ihm später als Saul Goodman verlässlich den Arsch retten soll). Der Anwalt mit Berufsverbot will wie immer das Beste aus einer miesen Situation machen und bewirbt sich bei einer Firma, die Drucker an Büros verkauft. Obwohl er keine Ahnung von der Materie hat, kann er seinem potentiellen Chef aus dem Stehgreif erklären, warum er der beste Mann für den Job ist. Der Chef, gleichwohl angetan, verweist auf die Bedenkzeit, Jimmy geht – nur um kehrtzumachen und in einem weiteren Vortrag glasklar darzulegen, dass er am besten jetzt sofort eingestellt wird. Die Aktion kommt an und Jimmy soll direkt mit der Arbeit beginnen. Dem Fuchs aber ging es um was anderes (schaut einfach selbst)...

    Nach den ersten zwei Folgen der vierten Staffel ist alles beim Alten und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich der bekannte Erzählstil in den weiteren Episoden ändern wird. Das heißt aber auch: Die Schwächen von „Better Call Saul“ bleiben ebenfalls. Die Spin-off-Serie ist in ihren Nebenplots oft etwas dröge – dann nämlich, wenn es nicht um Jimmy und Kim geht, sondern um den Ex-Cop Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) und den Kriminellen Nacho Varga (Michael Mando), die es beide mit dem so eiskalten wie adrett-höflichen Paten Gustavo „Gus“ Fring (Giancarlo Esposito) zu tun bekommen. Weil die langsame, tragische Transformation von Jimmy zu Saul viel interessanter ist, wirken diese Nebenplots wie Bremsspuren – dann wird auch das gemächliche Erzähltempo der Serie, ansonsten ein Qualitätsmerkmal, zum Problem.

    "Breaking Bad" als Problem

    Mike, der knorrig-liebenswürdige Opa und präzise-geduldige Killer, beweist in der zweiten Folge bei einer von ihm durchgeführten Sicherheitskontrolle in einem Lagerhaus, das zu Gus‘ kriminellem Imperium gehört, wie gut er in seinem Job als Sicherheitsberater ist. Den hat er aber nur, um zu verschleiern, wofür Gus ihn tatsächlich bezahlt, tatsächlich ausüben soll er ihn gar nicht – weswegen Mikes Beflissenheit bei Lydia Rodarte-Quayle (Laura Fraser), die ebenfalls mit dem Gangsterboss in Verbindung steht, überhaupt nicht ankommt. Mikes Sturheit ist lustig, aber er macht in „Better Call Saul“ eben keine Entwicklung durch, die so krass ausfällt wie Jimmys. Gleiches gilt für Nacho Varga, dessen Handlungsstrang zu Beginn der vierten Staffel vor allem dazu da ist, um zu erklären, wie sein Boss Hector Salamanca (Mark Margolis) in den Rollstuhl befördert und zur Sprachlosigkeit verdammt wird. Mike Ehrmantraut, Lydia Rodarte-Quayle, Gustavo „Gus“ Fring, Nacho Varga, Hector Salamanca – sie alle scheinen hauptsächlich deswegen in „Better Call Saul“ aufzutreten, damit „Breaking Bad“-Fans genug Wiedererkennungsmerkmale haben.

    Hoffen wir, dass den Machern für die Riege an „Breaking Bad“-Nebenfiguren im Verlauf der vierten Staffel noch mehr eingefallen ist, als sie nur irgendwie mitzuschleifen. Jimmy McGills Abstieg jedenfalls bleibt interessant wie immer, besonders sein Verhältnis zu Kim dürfte die weitere Geschichte spannend machen: Wie lange kann sie ihn auf der Klippe über dem moralischen Abgrund halten, was macht das mit ihr und wer zieht hier eigentlich wen? Jimmy ist dabei Walter White ähnlich: Beide fühlen sich ausgegrenzt, unterbewertet, beide erleiden harte Ablehnung und Schicksalsschläge – jeder für sich trägt aber auch seinen eigenen Teil zur Arschlochwerdung bei, jeder ist auch selbst dafür verantwortlich, dass die Konsequenzen des kriminellen Verhaltens schließlich die Menschen treffen, die ihnen am wichtigsten sind.

    Die erste Folge der vierten Staffel „Better Call Saul“ steht ab dem 7. August 2018 auf Netflix zum Abruf bereit. Die nächsten Episoden erscheinen wöchentlich.

     

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