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    Sex und Gewalt auf Netflix: "Disenchantment" ist "Futurama" in einem "Game Of Thrones"-Universum

    Die neue Serie des Schöpfers von „Die Simpsons“ und „Futurama“! Natürlich kann „Disenchantment“ dem damit verbundenen Hype nicht gerecht werden. Sehenswert ist die Zeichentrick-Satire trotzdem.

    Netflix

    Dass man durchaus auch auf Fox, dem Heimatsender von „Die Simpsons“ und „Futurama“, noch eine Ecke provokanter und unanständiger hätte sein können, hat Seth MacFarlane in 17 Staffeln „Family Guy“ längst bewiesen. Trotzdem setzt der legendäre Serienschöpfer Matt Groening erst jetzt verstärkt auf Sex und Gewalt, wo er mit „Disenchantment“ zum ersten Mal eine Serie für Netflix produziert. Es gibt mehr Blut, mehr Orgien, fünf statt vier Finger an jeder Hand und etwa sieben Minuten mehr Laufzeit pro Episode – man muss die Freiheiten, die einem so ein Streaming-Portal im Vergleich zum herkömmlichen TV-Geschäft bietet, ja auch irgendwie ausnutzen.

    Allerdings erweisen sich die neuen Elemente nicht unbedingt als Stärken der Fantasy-Parodie: Wenn die einzelnen Folgen hier nicht wie üblich 22 Minuten dauern, sondern eher an der Halbstundenmarke kratzen, dann kann es mittendrin auch schon mal ein bisschen zäh werden. Die Gore-Einschübe sind hingegen einfach nicht böse genug, um einen tatsächlich mal kurzzeitig aus der Bahn zu werfen, weshalb sie dann doch eher Selbstzweck ohne Provokationspotential bleiben. Am spannendsten ist da schon der Sex – jedenfalls wenn es dabei nicht um einen Wegwerf-Gag am Rande, sondern um die ausschweifende Rebellion der Protagonistin geht.

    Worum geht’s hier eigentlich?

    Aber erst noch mal zurück auf Anfang. Nach einer Familien-Sitcom und einer „Star Trek“-Parodie wagt sich Matt Groening diesmal also in ein Fantasy-Universum irgendwo zwischen „Game Of Thrones“, Monty Pythons „Die Ritter der Kokosnuss“ und den Märchen der Gebrüder Grimm. Die ständig betrunkene, sich eher kumpelhaft als standesgemäß benehmende Prinzessin Bean (Stimme im Original: Abbi Jacobson / deutsche Stimme: Jenny Löffler) soll aus politischen Gründen einen Märchenprinzen (Matt Berry / Christoph Banken) heiraten, brennt stattdessen aber lieber mit dem aus dem Elfenreich geflohenen Elfo (Nat Faxon / Heiko Akrap) und dem aus der Hölle auf sie angesetzten Dämon Luci (Eric André / Christian Intorp) durch…

    Das ist zumindest der Plot der ersten beiden noch vergleichsweise zusammenhängenden Episoden. Anschließend gibt es selbst innerhalb einzelner Folgen nur noch einen sehr losen roten Faden – stattdessen nimmt es das ungleiche Trio mit kannibalistischen Märchenfiguren, marodierenden Wikingerhorden, drogenschniefenden Reptilien-Stiefmüttern und keine Logik duldenden Nonnen auf. Dass „Disenchantment“ dabei zugleich in einem mittelalterlichen Fantasy-Universum (mit sehr schön gemalten Hintergründen) und einer Grimm’schen Märchenwelt angesiedelt ist, macht es zumindest in den ersten paar Folgen noch nicht so leicht, sich hier wirklich zu Hause zu fühlen.

    Haben die "Game Of Thrones" überhaupt verstanden?

    Nein! So ein aus Schwertern zusammengebauter Thron muss doch spitz sein, weshalb es doch bestimmt wehtut, wenn sich da einer draufsetzt. Spoiler: Ja, tut es! So weit reicht das Verständnis des offensichtlichen Vorbilds, das wohl vornehmlich aus Marketingerwägungen und weniger als Pointen-Spender herangezogen wurde. Man hat damals sofort gemerkt, dass sich die „Futurama“-Autoren im Sci-Fi-Genre bestens auskennen – ein Gefühl, das sich bei „Disenchantment“ in Bezug auf das Fantasy-Szenario nicht unbedingt einstellt.

    Sowieso sind die Popkulturanspielungen zumindest in den ersten Folgen eher schwach – weshalb es auch ganz gut ist, dass diese Art von Gag nur überraschend selten eingesetzt wird (so altert die Serie auch nicht so schnell). Stattdessen spielt Groening viele der Witze aus „Die Simpsons“ und „Futurama“ einfach noch mal im neuen Setting und mit neuen Figuren durch – und das tatsächlich auf einem recht überzeugenden Niveau.

    Zumal Bean eben auch eine wirklich vielversprechende (Anti-)Heldin ist. Es gibt ein paar bemühte Gender-Jokes um eine feministische Gaunergruppe, die in dieser (Über-)Deutlichkeit wirklich niemand braucht. Aber davon abgesehen macht es die Sache doch bedeutend interessanter, mal einen weiblichen Slacker-Protagonisten dabei zu begleiten, wie er schon morgens säuft, auf Partys (erfolglos) jeden Typen abzuschleppen versucht und sich ganz allgemein so sehr danebenbenimmt, dass der extra für ihn aus der Hölle auf die Erde gesandte Dämon praktisch arbeitslos wird. In der Realfilm-Version würde vermutlich Adam Sandler die Prinzessin spielen.

    Bei ihren Sidekicks muss man hingegen mal sehen, was da noch so kommt: Luci hat definitiv Potential, zumal da auch noch das große Geheimnis um die Absichten seiner Auftraggeber die Spannung hochhält. Der gutmütige Loser-Elf Elfo hat hingegen echt Nervpotential.

    Wer soll sich sowas angucken?

    Ganz einfach: Fans von „Die Simpsons“, die geschätzt irgendwo zwischen Staffel 10 und Staffel 15 ausgestiegen sind. Denn das ist so ungefähr das Niveau von „Disenchantment“. Oder eben Fans von „Futurama“, die unbedingt neuen Stoff brauchen, selbst wenn der nicht ganz an die grandios doppelbödige Sci-Fi-Verarsche heranreicht.

    Wir haben für diesen Bericht die ersten fünf Folgen von „Disenchantment“ gesehen, die uns Netflix vorab zu Rezensionszwecken zur Verfügung gestellt hat. Die kompletten zehn Episoden der ersten Staffel sind ab sofort auf Netflix abrufbar.

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