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    Show und Quoten sind wichtiger als die Filmkunst: Das fatale Signal der neuesten Oscar-Entscheidung #PresentAll24

    Die Academy hat entschieden. Vier Auszeichnungen werden bei der Oscar-Verleihung 2019 in die Werbepause verlegt. Ein fatales Signal für einen Preis, der eigentlich Filmkunst ehren soll, meint FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher.

    Academy Of Motion Picture Arts And Sciences

    +++ MEINUNG +++

    In einem Brief teilte John Bailey, Präsident der die Oscars verleihenden Academy Of Motion Picture Arts And Sciences, den Mitgliedern seiner Organisation mit, dass bei der Verleihung 2019 vier der insgesamt 24 Preise in den Werbepausen vergeben werden. Es handelt sich dabei um die Preise für die Beste Kamera, den Besten Schnitt, den Besten Live-Action-Kurzfilm und das Beste Make-Up und Hairstyling. Damit TV-Zuschauer die Verleihung dieser Preise trotzdem sehen, sollen geschnittene Versionen der Übergabe und Dankesrede in die TV-Übertragung an anderer Stelle eingebaut werden, zudem werde es einen Internet-Live-Stream mit allen Kategorien geben.

    Die Änderung kommt, weil sich die Academy verpflichtet hat, die Oscarverleihung auf eine maximale Dauer von drei Stunden zu beschränken. Daher sollen nun jedes Jahr einige (der Plan ist zwischen vier und sechs) Kategorien in Werbepausen verliehen werden. Da Bailey selbst Kameramann ist (er filmte u. a. „Und täglich grüßt das Murmeltier“ und „Besser geht’s nicht“), hat er die Kategorie seiner Sparte für dieses Jahr selbst mit auf diese Liste gesetzt – allerdings ohne Rücksprache mit den anderen Academy-Mitgliedern seiner Sektion. Die in diesem Jahr „fehlenden“ Kategorien sollen im kommenden Jahr dann auf jeden Fall in der regulären Übertragung sein, wenn andere (vier bis sechs) Kategorien in die Werbepause ausweichen müssen.

    Alle Beteiligten verdienen Wertschätzung

    Der Aufschrei im Internet ist groß. Thematisiert wird dabei unter anderem, dass es mit Beste Kamera und Besten Schnitt zwei Kategorien trifft, die essenziell und zentral fürs Filmemachen sind.

    Dabei ist es doch aber völlig egal, welche Kategorien fehlen! Die Oscars ehren nicht umsonst die Filmschaffenden aus allen Sparten. Daher sollten alle entsprechende Aufmerksamkeit bekommen, ob die Schauspielerin, die regelmäßig auf der großen Bühne steht, oder die Frauen und Männer im Special-Effects-Bereich, auf die fast nie der Lichtkegel der Oscars gerichtet wird. Die Verleihung ist ihre Stunde, es ist der Moment, wo all diese Namen, die im Abspann eines Kinofilms zu lesen sind, ein Gesicht bekommen und speziell geehrt werden. John Baileys Entscheidung nimmt ihnen diese Ehre ein Stück weit, weswegen der Hashtag #PresentAll24 auf Twitter zu Recht die Runde macht.

    Die Verteidigung der Academy, dass Übergabe und Dankesreden ja trotzdem in die Sendung eingebaut werden, hilft da auch nicht. Denn wenn man bestimmte Verleihungsteile kürzt, wertet man sie ab. Was wir dann als TV-Zuschauer nicht mehr sehen: das überraschte Gesicht des Gewinners, der von Ungläubigkeit, Staunen oder Jubel begleitete Weg auf die Bühne, die Entgegennahme des Goldjungen oder Teile der Dankesrede, die vielleicht bewegend ist, vielleicht auch stammelnd vor Nervosität gehalten wird. Alles kann man in den späteren Zusammenschnitten nicht zeigen, denn dann bräuchte es die Verschiebung in die Werbepause nicht. Also werden diese Gewinner im Verhältnis zu den Übrigen entwertet (und übrigens auch die anderen Nominierten in der jeweiligen Kategorie, deren Vorstellung womöglich entfällt und deren Gesichter nicht mehr zu sehen sind, wenn sie mit Spannung auf die Ankündigung warten).

    Das 3-Stunden-Diktat

    Es ist aus meiner Sicht völlig nachvollziehbar, dass TV-Sender ABC zur besseren Planbarkeit eine Laufzeitbegrenzung für die Oscars haben will. Doch das letzte, was die Academy dann kürzen sollte, ist die Verleihung der Preise selbst. In diesem Jahr fällt nach dem Fiasko um Kevin Hart die Moderation weg (sonst wären womöglich sogar sechs und nicht vier Kategorien betroffen) und so sehr ich einen guten Oscar-Moderator schätze: Ja, dann lasst lieber künftig die Moderation mit all den Späßen weg als auch nur eine einzige Kategorie.

    Lange hieß es zudem, dass dieses Jahr nicht alle fünf nominierten Songs aufgeführt werden. Bailey bestätigte in seiner Mail nun noch einmal, dass sehr wohl alle fünf Lieder Platz haben werden. Und ich finde es gut, dass diese Songs im Programm der Verleihung sind – aber nicht auf Kosten der Verleihung der einzelnen Preise! Dann verzichte ich lieber auf die Lieder, wenn man mir die Pistole auf die Brust setzt. Ich verzichte auf alles lieber, als dass auch nur einer der verdammten 24 Preise wegfällt. Denn schließlich geht es bei den Oscars genau darum. Hier sollen Filmschaffende, hier soll Filmkunst geehrt werden.

    Bringen kürzere Oscars mehr Zuschauer?

    Doch die Oscars sind in den Augen der Macher vor allem eine Unterhaltungsshow. Sie sollen Einschaltquoten bringen. Doch schaltet wirklich jemand zusätzlich ein, wenn die Oscars maximal drei Stunden statt dreieinhalb dauern? Bislang hieß es doch immer, dass die Einschaltquoten davon bestimmt werden, wie populär die nominierten Filme sind. Wenn die Quoten dieses Jahr steigen, wird es daher wohl nichts mit der „kurzen“ Verleihung zu tun haben, sondern einfach nur damit, dass der mit riesigem Abstand beliebteste Film Amerikas 2018, „Black Panther“, in satten sieben Kategorien, darunter Bester Film, nominiert ist.

    In ihrem Streben nach mehr Anklang beim Mainstream-Publikum, beim Show-Publikum müssen die Oscars daher meiner Meinung nach ganz gewaltig aufpassen, dass sie nicht jene Zuschauer verlieren, denen es um den Filmpreis geht.

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