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    "Game Of Thrones": Darum ist ein Happy End das Schlimmste, was der Serie passieren kann!

    Mit der gnadenlosen Missachtung traditioneller Fantasy-Klischees hat „Game Of Thrones“ das Genre wieder populär gemacht. Sollte die achte Staffel mit einem Happy End abschließen, würde dies den Kern dessen verraten, wofür die Buchvorlage steht.

    HBO

    +++ Meinung +++

    Wenn am 19. Mai 2019 die letzte Folge von „Game Of Thrones“ einen Schlussstrich unter die größte Serie unserer Zeit zieht, wird sich entscheiden, wie man sich letztendlich an das Fantasy-Epos erinnern wird. Als popkulturelles Phänomen, das die ganze Welt umspannt, von Fans wie Kritikern gefeiert wird und das nun in die von allen heiß erwartete letzte Runde geht, könnte die Fallhöhe nicht größer sein. Das Finale wird maßgeblich darüber entscheiden, ob „GoT“ seine Position an der Spitze des Serienolymps zementieren wird oder als eine Serie in Erinnerung bleibt, die ihr enormes Potential zugunsten eines unausgegorenen Abschlusses leichtfertig verschenkte.

    Auch ich habe als langjähriger Fan von „Game Of Thrones“ natürlich eine Meinung zu dem Thema. Zwar habe ich auch nicht die perfekte Idee für den Abschluss der Serie parat, doch in einer Sache bin ich mir absolut sicher: Das Schlimmste, was die Autoren David Benioff und D.B. Weiss machen könnten, wäre, die Serie mit einem glücklichen Ende abzuschließen.

    Die Antithese zu "Herr der Ringe"

    Lasst uns kurz an das Ende eines anderen Fantasy-Epos zurückdenken. Nach unzähligen Strapazen hat es der kleine Hobbit Frodo endlich geschafft und wirft den „Einen Ring“ ins Feuer des Schicksalsberges. Was darauf folgt, ist pure Glückseligkeit. Frodo ist happy. Gandalf ist happy. Aragorn, Gimli und Legolas sind happy. Das Böse wurde besiegt, die Guten haben gewonnen und es ist Zeit zum Feiern. Zugegeben: Auch ich war gerührt und weinte süße Tränen, als der frisch zum König gekrönte Aragorn vor den vier mutigen Hobbits niederkniete. Doch „Herr der Ringe“ ist kein „Game Of Thrones“. Ich will am Ende keine Hochzeit von Daenerys und Jon sehen, bei der Brienne und Tormund Händchen haltend in der Ecke stehen, Tyrion einen anzüglichen Witz reißt und sich alle fröhlich in den Armen liegen.

    Wenn es eines gibt, was „Game Of Thrones“ und die Vorlage „Das Lied von Eis und Feuer“ ausmacht, dann ist es die gnadenlose Dekonstruktion klassischer Fantasy-Klischees. Wie viele andere Autoren seiner Generation wurde auch George R.R. Martin durch „Der Herr der Ringe“ inspiriert. Doch anstatt die tolkiensche Blaupause einfach nur zu kopieren, färbte er sie rot: mit dem Blut seiner Protagonisten. Im einem Interview wurde der Erfinder von Westeros gefragt, warum er oft wichtige Figuren sterben lasse. Seine Antwort lautete:

    „Wenn ein Autor über den Krieg schreibt, dann will ich, dass er ehrlich schreibt. Eine Sache, die ich von Leuten, die tatsächlich im Krieg waren, gehört habe, ist, dass jeder sterben kann. Ich glaube jeder, der in irgendeinem Krieg gestorben ist, hat sich selbst als Held gesehen - bis ihm eine Kugel die Schädeldecke weggesprengt hat. Es ärgert mich, wenn ich einen Film ansehe oder ein Buch lese, in dem der Held gemeinsam mit seinen sechs Freunden durch unglaubliche Gefahren geht und keiner von ihnen dabei stirbt. Vielleicht wird einer von ihnen irgendwie verwundet, aber sie alle überstehen das oft ziemlich unbeschadet.“

    Ein Beispiel: Als sich Robb Stark entschied, Walder Frey zu hintergehen und inmitten eines diplomatischen Drahtseilaktes romantische Gefühle zuließ, musste er die schrecklichen Konsequenzen dafür tragen. Der alte Patriarch Frey kannte keine Gnade und ließ ihn, seine schwangere Frau und sein gesamtes Gefolge brutal niedermetzeln. In fast jeder anderen Geschichte hätte das niemals passieren können. Als Heldenfigur wäre Robb Stark unantastbar gewesen, egal wir naiv er sich verhalten hätte. Doch „Game Of Thrones“ ist anders. In Westeros wird Dummheit bestraft. Zumindest war das mal so…

    "GoT" in Schieflage

    Leider habe ich meine Bedenken, ob es Benioff und Weiss schaffen werden, der Serie ein würdiges Finale zu verpassen. Zwar hat ihnen George R.R. Martin persönlich das Ziel vorgegeben, doch auf dem Weg dorthin kann noch einiges verloren gehen. Schon mit Staffel sieben haben die beiden Serienautoren leider gezeigt, dass sie die Essenz von „Das Lied von Eis und Feuer“ nicht wirklich erfasst haben. Seit die Handlung der HBO-Show die Buchvorlagen überholte, hat sich „Game Of Thrones“ verändert.

    Die Inszenierung ist besser geworden, keine Frage. Episoden wie „Die Schlacht der Bastarde“, „Die Winde des Winters“ und „Kriegsbeute“ sind in dieser Hinsicht Meisterwerke der Fernsehgeschichte. Doch während sich der Krieg zuspitzt, das Budget immer höher und die Schlachten immer größer werden, bleibt die Qualität der eigentlichen Geschichte auf der Strecke. Benioff und Weiss gehen zu oft den einfachen Weg (vielleicht auch aus Zeitgründen), lassen ihre Figuren innerhalb weniger Augenblicke quer durch Westeros reisen, ohne die weiten Entfernungen auf dem Kontinent zu berücksichtigen, und ziehen die einst so authentische Welt ins Absurde. Doch was noch Schlimmer ist: Die „Game Of Thrones“-Showrunner stellen das Wohlergehen der Figuren plötzlich über die Glaubwürdigkeit der Handlung. Sie verraten damit die Ideale George R.R. Martins.

    HBO

    Der bisherige Tiefpunkt in dieser Entwicklung war die sechste Episode der siebten Staffel. Der Held Jon Snow begab sich gemeinsam mit seinen sechs Freunden hinter die Mauer, also in unglaubliche Gefahr, und fast alle haben das ziemlich unbeschadet überstanden. Zugegeben: Immerhin ist ganz im Sinne von George R.R. Martin jemand gestorben, allerdings wird der Tod von Thoros of Myr wohl in den wenigsten Leuten eine emotionale Reaktion hervorgerufen haben und wirkte eher wie die praktische Entsorgung einer Nebenfigur, die ihren Zweck schon längst erfüllt hatte. Mit Viserion hat es dann auch noch einen Drachen erwischt, was für Daenerys durchaus einen großen Verlust bedeutet. Doch dafür, dass eine Bande von nur sieben Leuten in die menschenfeindliche Umgebung hinter der Mauer marschierte, um einen Zombie aus der riesigen Armee der Weißen Wanderer zu entführen, waren die Verluste einfach nicht groß genug.

    Der ganze Plan war an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, ein faktisches Selbstmordkommando und noch riskanter als alles, was Ned oder Robb Stark je gemacht haben. Wären die Autoren konsequent gewesen, hätten noch viel mehr Leute sterben müssen. Dann hätte der Eisspeer des Nachtkönigs nicht nur den Drachen, sondern auch uns Zuschauer kalt erwischt und die Folge hätte uns mit einem Gefühl der vernichtenden Niederlage zurückgelassen. So machte sich bei mir eher Erleichterung breit, dass die dümmste Mission in der Geschichte von Westeros wenigstens nicht vollkommen ungestraft blieb.

    So muss "Game of Thrones" enden

    Natürlich ist es immer leicht zu meckern und etwas völlig anderes, es selbst besser zu machen. Um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht genau, welches Ende ich mir für „Game Of Thrones“ wünsche. Klar ist, dass David Benioff und D.B. Weiss eine unfassbar schwere Aufgabe vor sich haben. Denn machen wir uns nichts vor: Bei einer so großen Anhängerschaft, wie sie „GoT“ um sich schart, ist es schier unmöglich ein Ende zu kreieren, mit dem alle zufrieden sind.

    Doch genau das ist der Punkt: Die Autoren sollten sich einen feuchten Kehricht darum scheren, was die Zuschauer wollen. Hätten Fans die Serie geschrieben, wäre Ned Stark noch am Leben, die Rote Hochzeit hätte niemals stattgefunden und Oberyn Martell hätte noch einen völlig intakten Schädel. Toll, oder? Alles schön harmonisch, nicht wahr? „Game Of Thrones“ wäre dann aber eine mittelmäßige Fantasy-Serie geblieben und es würde sich heute wohl kein Schwein mehr dafür interessieren...

    HBO

    In einem Krieg gibt es keine Gewinner

    Egal wer am Ende die Oberhand hat, Verluste müssen beide Seiten beklagen. Meine Forderung an David Benioff und D.B. Weiss lautet daher wie folgt: Nehmt euch George R.R. Martins Worte zu Herzen und hört auf, Fanfiction zu schreiben. Nicht das Anbiedern an die Zuschauer, sondern der brutale Bruch mit deren Erwartungen ist es, was „Game Of Thrones“ überhaupt erst so stark gemacht hat. Allerdings nicht als Mittel zum Zweck, sondern als logische Konsequenz der Entscheidungen von idealistischen und teils naiven Figuren in einer unbarmherzigen und kalten Welt.

    Das Ende von „Game Of Thrones“ soll am Ende also bitte vor allem eines sein: glaubhaft. Bei einem Krieg von solch gigantischen Ausmaßen, wie er Westeros nun bevorsteht, könnte ich ein Happy End einfach nicht ernst nehmen.

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