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    Kritik zur 3. Staffel "GLOW": Immer noch eine der besten Netflix-Serien

    „GLOW“ bleibt eine der besten Eigenproduktionen, die Netflix im Angebot hat. Season drei schickt die Wrestlerinnen in die Wüste und hat reichlich Drama auf persönlicher, beruflicher und sogar nationaler Ebene im Gepäck.

    Netflix

    Am Ende der zweiten Staffel sah es für die Wrestlerinnen von „GLOW“ besser aus als je zuvor: In Las Vegas lockte feste Arbeit im Rahmen einer regelmäßigen Wrestlingshow, das Verhältnis zwischen Ruth Wilder (Alison Brie) und Debbie Eagan (Betty Gilpin) schien sich langsam zu entspannen und die gesamte Truppe rund um Autor Sam Sylvia (Marc Maron) und Produzent Bash Howard (Chris Lowell) fuhr als zusammengeschweißte Einheit in den sprichwörtlichen Sonnenuntergang, bereit für das neue Abenteuer. In Staffel drei ist dieses Abenteuer nun angebrochen und läuft, nach anfänglichen Startschwierigkeiten und einer nationalen Tragödie, auch überraschend erfolgreich: Nicht nur fühlen sich Ruth und die restlichen Frauen in Las Vegas pudelwohl, auch Bashs Ehe mit Rhonda (Kate Nash) läuft besser als erwartet und selbst Sam scheint in dem neuen Klima regelrecht aufzublühen.

    Die Wrestlingshows, die in Staffel drei zumindest in der ersten Hälfte etwas in den Hintergrund rücken, laufen nach einer kleinen Eingewöhnungsphase vollkommen routiniert ab und selbst Hotelmanagerin Sandy (Geena Davis) ist nach kurzer Zeit überzeugte GLOW-Anhängerin und gewillt, ihr Geschäft mit den Sportlerinnen auszuweiten. Mit Nachtclubbesitzer und Drag-Queen Bobby (Kevin Cahoon, „Eine Reihe betrüblicher Ereignisse“) steht zudem bald ein weiterer potenzieller Geschäftspartner auf der Matte. Mit dem Erfolg kommen jedoch ganz neue Probleme auf die Frauen zu: Der komfortable Langzeit-Gig auf dem Las-Vegas-Strip fühlt sich bald an wie pure Stagnation. Dazu kommt, dass die regelmäßige körperliche Belastung ihren Tribut fordert und auch Liebe und Familienplanung der einzelnen Athletinnen unter der Verpflichtung leiden.

    GLOW in der Identitätskrise

    In den zehn neuen Episoden sehen sich die GLOW-Frauen, wie auch die AutorInnen von „GLOW“, der Netflix-Serie, mit der Frage konfrontiert, ob und wie man die Show über einen längeren Zeitraum frisch und aufregend halten kann. Dass das fiktive wie das echte „GLOW“ also in einer Identitätskrise stecken, spiegelt sich wider in vielen kleinen persönlichen Storylines, in denen sich auch die Wrestlerinnen mit sich selbst und ihrem Platz in der Welt auseinandersetzen. Womit die Eingangsfrage auch gleich beantwortet wird. Die persönlichen Konflikte und die Identitätssuche der Frauen (und Männer) nimmt einen Großteil der Handlung der dritten Staffel ein, was sich als wahre Goldgrube interessanter und teilweise höchst dramatischer Geschichten entpuppt.

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    So lernen wir die aufwühlende Vergangenheit von (Neben-)Figuren wie Rhonda, Jenny (Ellen Wong, „Scott Pilgrim“) und Melanie (Jackie Tohn) kennen, nehmen Teil, wenn Debbie und Cherry (Sydelle Noel) über die unbequemen Wahrheiten der Mutterschaft sprechen und erleben, wie sich Sheila (Gayle Rankin) von einer Realitäts-Flüchtenden zu einer -Suchenden wandelt. Auch wenn manche dieser Handlungsstränge gelegentlich ins Melodramatische abdriften, so sind sie immer in den Figuren verwurzelt und bereichern diese, statt sie für emotionale Effekthascherei auszunutzen. Wenn das erzählerische Niveau gehalten werden kann, bieten diese Figuren auch in Zukunft auf jeden Fall Stoff für viele weitere starke Episoden.

    Sexuell spannend

    Eine zentrale Rolle bei der Identitätssuche spielt auch die unterschiedliche Sexualität der diversen Protagonisten. Im Bett und außerhalb geht es daher auch deutlich freizügiger zur Sache als noch in den Staffeln zuvor, die Tatsache, dass die nicht-heterosexuellen Figuren Bash und Arthie (Sunita Mani, „Mr. Robot“) ihre scheinbare Andersartigkeit vor der Außenwelt verstecken müssen, könnte trotzdem nicht deutlicher zum Ausdruck kommen. Statt mit verklärtem Blick auf die 1980er zurückzublicken, zeigt „GLOW“ deutlich auf, welches Stigma der Homosexuellen-Szene in dieser Zeit anhaftete und, dass die AIDS-Krise nur eine der Gefahren war, denen man sich als offen homosexueller Mensch stellen musste. Auch wenn „GLOW“ es sich, wie viele andere Serien, hier leider auch etwas einfach macht: Die Sympathieträgerinnen scheinen nämlich allesamt einen aufgeklärten, anachronistisch modernen Standpunkt zu dem Thema einzunehmen.

    Auch der komplizierten Beziehung von Sam und Ruth wird in der neuen Staffel viel Raum gegeben und die Probleme, Wünsche und Ängste der beiden dabei erfrischend direkt in den gemeinsamen Gesprächen adressiert. Sam, der zweifelsohne in Ruth verliebt ist, stürzt diese in eine Sinnkrise und bringt sie dazu, ihre eigene Beziehung zu Kameramann Russell (Victor Quinaz) und ihre Gefühle für den deutlich älteren Mann zu überdenken.

    Bunt und bittersüß

    Am Ende kulminiert die Staffel in einer rund 45-minütigen Weihnachtsepisode, in der GLOW eine besonders festliche Wrestlingshow auf die Beine stellt. Dabei hat zwar fast jede Figur einen kleinen Auftritt, der Fokus liegt jedoch auf einigen, wenigen Storylines, was dazu führt, dass viele Handlungsstränge am Ende in der Luft hängen bleiben und das Finale trotz gewohnt bittersüßem Ende vielleicht etwas versöhnlicher rüberkommt, als man es von der dramatischen Staffel hätte erwarten können.

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    Trotz vermehrtem Fokus auf das persönliche Drama bleibt „GLOW“ aber in erster Linie auch eine Comedy-Serie und humoristisch sehr breit aufgestellt. Neben Slapstick und dem gelegentlichen Kalauer gibt es auch wieder reichlich lakonischen und vulgär-scharfen Dialogwitz, insbesondere, wenn Sam oder Debbie sich so richtig über das Leben auskotzen und viele Situationen strotzen vor herrlich unangenehmem, schwarzem Humor. Diese bunte, abwechslungsreiche Mischung und die schlanke Laufzeit von rund 30 Minuten pro Folge sorgen dafür, dass die Zeit mit der Serie auch in Runde drei wie im Flug vergeht und man nach Folge zehn dann auch schon gespannt auf die nächste Staffel wartet.

    Fazit zur 3. Staffel GLOW:

    „GLOW“ ist und bleibt nicht nur eine der besten Netflix-Produktionen, sondern auch eine der unterhaltsamsten Serien im gesamten Angebot des Streamingportals. Das große Ensemble wird in Staffel drei abermals wild fragmentiert und in den verschiedensten Konstellationen wieder zusammengeführt, was vielen der Figuren Raum und zahlreiche Optionen zu weiterem Wachstum lässt. Die kurze Laufzeit und der vielseitige Humor halten einen beim Binge-Watching bei der Stange, sodass Fans wohl schneller als gedacht schon nach Staffel vier schreien werden.

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